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Hilfe, die Kasse spioniert meine Patienten aus!

Autor: Dr. Frauke Höllering

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Schweigepflicht für Patienten wenn die Krankenkasse anruft? Unsere MT-Kolumnistin Dr. Frauke Höllering, berichtet von einem besonders dreisten Vorgehen der Kasse.

Mein Patient, etwas einfach, etwas rundlich und etwas schüchtern, hat es schwer: Sein Chef hat sich auf ihn eingeschossen und nun kriegt er schon Bauchschmerzen, wenn er nur an die Arbeit denkt. Für ihn ist immer das schwerste Stück Arbeit reserviert, er bekommt weder Urlaub, wenn er es gerne hätte, noch seine Überstunden ordentlich abgegolten. Hinter seinem Rücken wird gekichert und getratscht ... Mobbing pur. Ein „Weichei“ ist er nicht. Zwar schleppt er eine chronische Erkrankung mit sich herum, aber seine AU-Tage sind überschaubar und liegen weit unter denen gesünderer Männer.

Zwei Wochen krank und schon setzt der Telefonterror ein

Ich hatte ihn ein paar Wochen krank geschrieben, Psychotherapie geplant, ein psychiatrisches Konsil durchführen lassen und mit ihm zusammen überlegt, wie es weitergehen soll. Schon in der zweiten Woche trat ein neuer Gegner auf den Plan: seine Krankenkasse. Mehrfach wurde er angerufen und gebeten, über seinen Zustand zu berichten. Das gipfelte dann in der Frage, ob er denn schon, wie angekündigt, beim Psychiater gewesen sei.


Als ich das hörte, riss mir die Hutschnur. Ja, ich gebe zu, ich neige ein wenig zu Vulkanausbrüchen, die den Arbeitshimmel kurzfristig verdunkeln können, aber zum Glück nicht die Ausdauer eines Eyjafjallajökull beweisen. Ich griff zum Telefonhörer und rief bei den jungen Damen der Krankenkasse an. Die nettere bekam ich ans Telefon; offensichtlich hatten sich die zuständige Sachbearbeiterin und die Dame aus der Krankengeldabteilung beim Telefonterror abgewechselt.

AU bei Depression nur noch vom Psychiater?

Ich fragte mit zusammengebissenen Zähnen – damit keine Vulkanasche durchkommt –, warum sie a) den Patienten belästigt und b) medizinische Auskünfte erfragt, die nur den medizinischen Dienst etwas angehen. „Ja, also, das ist wegen des Krankengeldes“, meinte sie. „Aber er bezieht doch gar kein Krankengeld?“, fragte ich bockig. „Ja, schon mal prophylaktisch“, erklärte sie mir freundlich.


Ich hatte mir überlegt, sie prophylaktisch zu einer Untersuchung auf unangenehme Geschlechtskrankheiten einzuladen, aber dafür war sie zu nett. So erklärte ich ihr, dass der Patient und ich bereit seien, dem medizinischen Dienst zur Verfügung zu stehen, aber eben nur ihm.


„Was sollte die Frage nach dem Psychiater?“, wollte ich dann noch wissen. „Das ging ja nun viel zu weit!“ Ihre Antwort erschütterte mich in den Grundfesten: „Das musste ich wissen, weil bei Depressionen ja nur die Krankschreibungen vom Nervenarzt anerkannt werden“, konstatierte sie. „Waaas?“ Jetzt kam der Vulkan in Fahrt. „Wenn das so wäre, könnten Sie einpacken!“, moserte ich. „Was meinen Sie wohl, wie viele Patienten in einer Hausarztpraxis an Depressionen leiden? Wenn die alle beim Facharzt auftauchen müssten, würde das Gesundheitswesen zusammenbrechen! „

Es wird Zeit, dass sich die KV mal die Kassen vorknöpft

Jetzt war ich nicht mehr zu stoppen: „Was ist mit Rückenschmerzen? Darf da nur der Orthopäde die AU ausfüllen? Bei Scharlach der Kinderarzt, bei der Gürtelrose der Dermatologe?“ Am anderen Ende der Leitung wurde es still, so konnte ich mich langsam wieder herunterfahren. „Das war mir nicht klar“, sagte sie dann friedlich, sodass ich ebenso friedlich enden konnte: „Wir Allgemeinärzte sind keine Barfußmediziner mit nur einem Stethoskop um den Hals und einem Stapel Überweisungsformularen auf dem Schreibtisch.“ Als sie sich verabschiedete, klang sie fast reumütig.


Soweit, so erfolgreich. Aber: Wie können wir den zunehmenden Informationshunger der Krankenkassen-Sachbearbeiter stoppen? Dieses war nicht das erste Mal, bei dem Patienten ausgehorcht wurden. Halten wir uns an die Schweigepflicht und sagen wir unseren Patienten, dass sie das auch sollten. Vielleicht kann sogar unsere KV ein Grundsatzgespräch mit Kassenvertretern führen? Träumen wird man ja wohl noch dürfen!

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