Niedergelas. Ärzte Korruption soll strafbar werden

Vor fast genau 3 Jahren hatte der Bundesgerichtshof (BGH) in einem viel beachteten Urteil entschieden, dass der Tatbestand der Korruption, wie er im Strafgesetzbuch verankert ist, auf niedergelassene Ärzte nicht angewendet werden könne. Der Grund: Niedergelassene Ärzte seien aufgrund ihrer Freiberuflichkeit weder Amtsträger noch würden sie als Beauftragte der Krankenkassen handeln. Darin unterscheiden sie sich von angestellten Klinikärzten, denn diese können wie andere Funktionsträger wegen Bestechlichkeit belangt werden.
Korruption untergräbt das Vertrauen der Patienten
Für die Politik tat sich hier eine Gesetzeslücke auf, die alsbald geschlossen werden sollte. Folgerichtig floss die Absicht für ein Antikorruptionsgesetz für niedergelassene Ärzte auch in den Koalitionsvertrag der schwarz-roten Bundesregierung ein.
Im jetzt vorliegenden Referentenentwurf wird noch einmal klargestellt, wo das Problem aus Sicht der Politik liegt. Korruption im Gesundheitswesen, so heißt es da, beeinträchtigt den Wettbewerb, verteuert medizinische Leistungen und untergräbt das Vertrauen von Patienten in die Integrität heilberuflicher Entscheidungen. Wegen der erheblichen sozialen und wirtschaftlichen Bedeutung des Gesundheitswesens ist korruptiven Praktiken in diesem Bereich auch mit Mitteln des Strafrechts entgegenzutreten. Mit Hinweis auf das BGH-Urteil von 2012 wird die derzeitige Rechtslage als unzureichend bewertet.
Der Gesetzentwurf schlägt daher die Einführung eines Straftatbestands der Bestechlichkeit und Bestechung im Gesundheitswesen vor. Dieser bezieht alle Heilberufe ein, die für die Berufsausübung oder die Führung der Berufsbezeichnung eine staatlich geregelte Ausbildung erfordern, und gilt für Sachverhalte sowohl innerhalb als auch außerhalb des Bereichs der gesetzlichen Krankenversicherung.
Freiheitsstrafe bis zu 3 Jahren droht
Wenn also z. B. ein Hausarzt Gegenleistungen dafür annimmt oder fordert, dass er anderen Heilberuflern, wie z. B. einem Physiotherapeuten oder einem Apotheker, Patienten zuführt, kann dies zukünftig mit einer Freiheitsstrafe bis zu 3 Jahren oder mit einer Geldstrafe geahndet werden. In schweren Fällen, die ein großes Ausmaß annehmen oder gewerbsmäßig und organisiert begangen werden, kann die Strafandrohung bis zu 5 Jahre betragen.
Verfolgt werden soll der Verdacht auf Korruption nur auf Antrag seitens der Verletzten im Wettbewerb, der Gesundheitsberufe sowie von Verbänden und Kammern. Von Krankenkassen-Seite und auch von Bundesgesundheitsminister Gröhe wurden bereits Forderungen laut, dass auch sie als Antragsberechtigte in das Antikorruptionsgesetz aufgenommen werden möchten. Im Referentenentwurf stehen sie derzeit nämlich nicht drin.
Kritik von Ärztekammer und Verbänden
Erste Reaktionen auf den Referentenentwurf kamen vom Präsidenten der Hessischen Landesärztekammer, Dr. med. Gottfried von Knoblauch zu Hatzbach (siehe auch Seite 5). Er hält den Entwurf für überzogen und realitätsfern. Die überwiegende Zahl der Ärzte arbeite völlig korrekt. Und um die wenigen schwarzen Schafe aufzudecken, brauche es keine neuen Gesetze. Die Ärztekammern würden auf der Basis des Heilberufegesetzes bereits über wirksame Mittel verfügen, um ärztliche Korruption zu ermitteln und zu ahnden. Fälle von nachgewiesener Bestechlichkeit, wie z. B. Zuweisungen gegen Entgelt, würden schon jetzt unnachgiebig verfolgt und zögen berufsrechtliche Konsequenzen nach sich.
Der Spitzenverband Fachärzte Deutschlands hat sich ebenfalls zu Wort gemeldet und fordert dringend Nachbesserungen am Gesetz. So fehle ein Katalog, was korruptes Verhalten eigentlich genau sei. Das Gesetz enthalte hier nur unspezifische Formulierungen und öffne damit Tür und Tor für Denunziationen. Das Gesundheitswesen sei kein Wirtschaftszweig, der durch die klassischen Faktoren von Angebot und Nachfrage bestimmt wird, sondern ein hochspezialisiertes und immer stärker kooperativ angelegtes System, das mehr Freiheiten statt weniger brauche. So behindere das Gesetz den sich gerade erst ausbreitenden und gewünschten Trend zu kooperativen Formen des Zusammenwirkens in der Patientenversorgung.Die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) hingegen zeigt sich dem Antikorruptionsgesetz gegenüber aufgeschlossen und würde es begrüßen, wenn das Gesetz klare Verhältnisse schaffen würde. Allerdings sei eine klare Abgrenzung von erwünschten Kooperationen gegenüber solchen, die unerwünscht sind, notwendig. Denn es wäre fatal, wenn die sinnvolle Zusammenarbeit im Gesundheitswesen per se als verdächtig eingestuft werden würde.
Dass das Antikorruptionsgesetz noch einmal in der Schublade des Bundesjustizministeriums verschwinden wird, ist trotz der jetzt laut werdenden Klagen nicht zu erwarten. Bestenfalls wird es noch marginale Korrekturen geben, aber das Gesetz wird kommen.
Wie groß ist das Korruptions-Problem?
Genaue Zahlen, wie groß das Ausmaß von Korruption im Gesundheitswesen in Deutschland ist, gibt es nicht. Oft zitiert wird eine Studie zum Thema "Zuweisung gegen Entgelt" aus dem Jahr 2012, die vom GKV-Spitzenverband in Auftrag gegeben worden war. Befragt worden waren 1 141 niedergelassene Ärzte, leitende Angestellte von stationären Einrichtungen sowie nicht-ärztliche Leistungserbringer. Das Ergebnis: 15 % der niedergelassenen Ärzte meinten, Zuweisungen von Patienten gegen wirtschaftliche Vorteile seien üblich, 35 % stimmten dem zumindest teilweise zu, 20 % sagten, ein solches Vorgehen komme gegenüber Ärzten oder Hilfsmittelerbringern häufig vor. Die Studie kam des Weiteren zu dem Schluss, dass jeder fünfte Arzt die berufsrechtlichen Verbote nicht kenne. Bei den nicht-ärztlichen Leistungserbringern und stationären Einrichtungen sei die Praxis der Zuweisung gegen Entgelt übrigens noch viel weiter verbreitet als bei den Ärzten.
Dr. Ingolf Dürr
Erschienen in: Der Allgemeinarzt, 2015; 37 (6) Seite 32-33
Dieser Beitrag wurde ursprünglich auf doctors.today publiziert.