Der andere Nobelpreis Lustige Welt der Wissenschaft
Längst wird der Ig-Nobelpreis nicht mehr als Schande oder der Karriere abträglich empfunden.
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Den Ig-Nobelpreis gibt es seit nunmehr 21 Jahren. Verliehen wird die – manchmal auch als Anti-Nobelpreis bezeichnete – Auszeichnung von der renommierten Harvard-Universität in den USA. Der Name „Ig“ ist abgeleitet vom englischen Wort „ignoble“, was so viel wie unwürdig, schmachvoll, schändlich bedeutet. Früheren Preisträgern verdankt die Menschheit zum Beispiel so wichtige Einsichten wie, dass gebutterte Toastbrotscheiben immer auf die Butterseite fallen.
Erst lachen, dann nachdenken
Längst wird der Ig-Nobelpreis nicht mehr als Schande oder der Karriere abträglich empfunden. Die meisten Preisträger reisen zur Verleihung und nehmen den Preis gerne in Empfang. Und manchmal erhalten sie ihn sogar aus den Händen echter Nobelpreisträger, die es sich nicht nehmen lassen, selbst bei der einer Oscar-Gala durchaus nicht unähnlichen Veranstaltung dabei zu sein.
Ausgewählt werden die Gewinner von einer Jury der Zeitschrift „Annals of Improbable Research“. Schon daraus wird ersichtlich, worum es bei den siegreichen Forschungsarbeiten vorrangig geht. Bedingungen für die Nominierung sind, dass das Forschungsthema neuartig ist und die Entdeckung nicht wiederholt werden kann oder nicht wiederholt werden sollte. Die siegreichen Arbeiten beschäftigen sich daher vorzugsweise mit Themen, über die die Allgemeinheit eigentlich gar nichts wissen wollte und die wohl besser dem Reißwolf oder dem Papierkorb überantwortet worden wären. Doch das wäre wirklich schade. Denn manche der Entdeckungen sind dermaßen kurios, dass man dann doch herzhaft darüber lachen kann. Und vielleicht wird man bei längerer Betrachtung schließlich sogar zum Nachdenken darüber angeregt. Zuletzt waren auch wieder etliche deutsche Forscher unter den Preisträgern.
Hunde als Kompass
So ging in der Kategorie „Biologie“ die Auszeichnung an das deutsch-tschechische Zoologen-Team um Prof. Dr. Hynek Burda von der Universität Duisburg-Essen. Die 12 Forscher widmeten ihre Aufmerksamkeit dem besten Freund des Menschen – dem Hund – und fanden heraus, dass dieser nicht nur über einen hervorragenden Geruchssinn und ein scharfes Gehör verfügt. Hunde haben darüber hinaus offenbar auch einen Magnetsinn, der ihnen bei der Orientierung hilft. Auf diese Sinnesleistung stießen die Forscher, als sie das Verhalten von 70 Hunden bei der Verrichtung ihres großen und kleinen Geschäfts beobachteten. Zunächst konnten die Forscher darin kein System erkennen. Doch als sie Daten des Erdmagnetfelds in ihre Berechnungen einfließen ließen, dämmerte die Erkenntnis: Hunde richten sich beim Häufchenmachen oder Beinheben vorzugsweise entlang der magnetischen Nord-Süd-Achse aus. Wer einen Hund hat, braucht also eigentlich keinen Kompass mehr.
Schinken in der Nase
Den Ig-Nobelpreis für Medizin erhielten einige Ärzte der Universität Michigan in den USA. Sie hatten sich mit einem Problem befasst, das viele aus eigener leidvoller Erfahrung kennen: dem Nasenbluten. Nun gut, meist legen sich solche Beschwerden rasch von alleine. Doch es gibt Patienten, bei denen alle bekannten blutstillenden Maßnahmen nur wenig Erfolg zeigen. So auch bei einem vierjährigen Mädchen, das wegen heftigen Nasenblutens in die Pädiatrie eingeliefert wurde. Nachdem die Ärzte 5 Tage lang vergeblich alles versucht hatten, kamen sie auf die Idee, dem Kind statt Gaze-Tampons kleine Streifen (3,5 cm) geräucherten Schinkens in die Nase zu schieben. Und siehe da, diese Prozedur stoppte die Blutung fast sofort und effektiv, und sie ließ sich auch in anderen Fällen erfolgreich wiederholen. Die Preisträger gaben allerdings zu, dass Berichte aus dem frühen 19. Jahrhundert über die Behandlung von Nasenbluten sie auf diese außergewöhnliche Idee gebracht hatten.
Machen Katzenbisse depressiv?
Dass das Zusammenleben mit Katzen nicht nur angenehme Seiten hat, belegen die Preisträger in der Kategorie „Öffentliches Gesundheitswesen“. Ganz im Gegenteil: Katzen können geradezu gefährlich für die mentale Gesundheit sein, fanden Forscher aus Tschechien, Japan, Indien und den USA heraus. Denn im Kot von Katzen findet sich der Parasit Toxoplasma gondii, der mit Schizophrenie, Selbstmordgedanken und Hirntumoren in Verbindung gebracht wird. Tatsächlich stellten die Wissenschaftler fest, dass gesunde Frauen, die von diesem Parasiten befallen waren, weniger Schuldgefühle entwickelten, dafür aber angespannt, unruhig und überarbeitet wirkten. Gesunde Männer mit dem Parasiten hatten einen niedrigen IQ, waren schlechter ausgebildet und zeigten viel weniger Interesse, Neues zu entdecken, als eine nicht-infizierte Kontrollgruppe. Und es kommt noch schlimmer: 41 % der Menschen, die im Rahmen einer Gesundheitsstudie angaben, von einer Katze gebissen worden zu sein, wiesen auch Depressionen auf. Bei Hundebissen lag die Zahl mit gut 28 % deutlich niedriger.
Nachteulen neigen zu Narzissmus
In der Kategorie „Psychologie“ wurde eine Studie aus den USA und Großbritannien prämiert, die belegt, dass Menschen, die bis spät in die Nacht wach bleiben, im Durchschnitt selbstverliebter, manipulativer und psychopathischer sind als Frühaufsteher. Nachteulen sind demnach auch die besseren Betrüger, vor allem wenn sie auf Frühaufsteher treffen, die nicht mehr im Vollbesitz ihrer geistigen Kräfte sind, wenn sich ihre Schlafenszeit nähert. Also vorsichtig sein beim Umgang mit Menschen, die erst sehr spät zu Bett gehen!
Alle diese Forschungen klingen schon reichlich skurril, aber es wird noch absurder. So haben sich norwegische Wissenschaftler der Frage gewidmet, wie Rentiere auf Menschen reagieren, die sich ihnen entweder in schwarzer Lederkluft oder aber als Eisbären verkleidet näherten. Das Ergebnis ist vielleicht nicht ganz unerwartet: Die Eisbären-Maskerade trieb die Tiere deutlich schneller in die Flucht.
Etwas unappetitlich wirken hingegen die Arbeiten einer spanischen Forschergruppe, die sich speziell dem Kot von Kleinkindern annahmen und dafür den Ig-Nobelpreis in der Kategorie „Ernährung“ entgegennehmen durften. Sie fanden nämlich heraus, dass Kleinkinder womöglich zu jung sind, um Wurst essen zu dürfen, ihr Kot aber dabei helfen kann, Wurst herzustellen. Dazu hatten sie den Baby-Kot untersucht und darin 109 Arten von Milchsäurebakterien gefunden. Sechs Stämme von Lactobacillus testeten sie auf ihre Verwendbarkeit als probiotische Starterkulturen für die Wurstproduktion. Drei davon stellten sich als erfolgversprechend heraus. Wohl bekomm´s, kann man da nur sagen.
Über die Reibungskräfte in Bananenschalen
Doch es gibt auch wirklich nützliche Forschungsergebnisse, die mit dem Ig-Nobelpreis ausgezeichnet wurden. So ließ es einem japanischen Forscherteam keine Ruhe, dass zwar seit Menschengedenken bekannt ist, dass man auf Bananenschalen ausrutschen kann – zahlreiche Slapstick-Filme belegen das unzweifelhaft – bislang aber offenbar noch niemand auf die Idee gekommen war, dies genauer zu untersuchen. Diese Wissenslücke galt es zu schließen. Für die Studie musste ein Freiwilliger auf 12 verschiedene Bananenschalen sowie zum Vergleich auf die Schalen von Äpfeln und Orangen treten. Dabei wurden die Reibungskräfte gemessen. Das Resultat: Eine frische Bananenschale auf einem Linoleum-Boden ist so schlüpfrig wie ein Ski auf dem Schnee. Der Grund dafür ist, dass die Bananenschale unter Druck ein besonders glitschiges Gel absondert. Zweifellos ein würdiger Kandidat für den Ig-Nobelpreis für Physik.
Ig-Nobelpreis-Laureaten, die sich tatsächlich trauen, ihren Preis persönlich bei der Festveranstaltung in Empfang zu nehmen (und das tun in den letzten Jahren die meisten), müssen sich auf besondere Gegebenheiten einstellen. So darf die Dankesrede der Preisträger des Ig-Nobelpreises höchstens 60 Sekunden dauern. Wer überzieht, wird von einem achtjährigen Mädchen namens Sweetie Poo gnadenlos unterbrochen und darauf aufmerksam gemacht, dass er allmählich langweilig wird.
Dr. Ingolf Dürr
Erschienen in: Der Allgemeinarzt, 2015; 37 (2) Seite 80-83
Dieser Beitrag wurde ursprünglich auf doctors.today publiziert.