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Plus und Minus – eine Jahresbilanz

Nicht alles war schlecht: Die neue Lust an Spaziergängen und die Offenheit für Schutzimpfungen können uns gerne länger begleiten. Nicht alles war schlecht: Die neue Lust an Spaziergängen und die Offenheit für Schutzimpfungen können uns gerne länger begleiten. © iStock/May_Chanikran
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Mit sicherem Neujahresabstand wirft unsere Kolumnistin einen Blick zurück aufs Coronajahr 2020 und zieht eine gemischte Bilanz.

So, nun ist es geschafft: 2020 ist Geschichte. Was für ein aberwitziges Jahr, in dem vieles „ver-rückt“ wurde, was wir an normalem Leben und Verhalten so gewohnt waren: Es gab Kontakt­beschränkungen, Lockdowns – mal streng, mal light. Maskenpflicht in öffentlichen Räumen und auf belebten Plätzen, Desinfektionsmittel allerorten, Händedruck nur noch in Ausnahmefällen, nächtliche Ausgangssperren, staufreie Autobahnen, Büro und Schule am heimischen Schreibtisch, leere Bahnabteile, Ruhe am Himmel mangels Flugverkehr, keine Konzerte, kein Singen im Chor, kein Museums- oder Restaurantbesuch. Zu Ostern Gottesdienste am PC, zu Weihnachten gar keinen Gottesdienst oder ohne gesungene Weihnachtslieder in der Christmette. Am wenigsten konnte ich mich bisher daran gewöhnen, dass mir völlig unbekannte Menschen die Straßenseite wechseln oder in Hauseingängen verschwinden – nur, um nicht zu dicht an mir vorbeigehen zu müssen. Im Herbst gab es einen regelrechten Run auf die Grippe- und Pneumokokken-Impfungen. Selbst die größten Skeptiker ließen sich gegen Influenza impfen und waren sehr verwundert, dass sie die Prozedur ohne unangenehme Nebenwirkungen vertragen haben.

Da nur noch systemrelevante Geschäfte öffnen durften, war ich, als meine Tiefkühltruhe kürzlich den Geist aufgab, dazu gezwungen, schnellstens eine neue per Internet zu besorgen. Lokaler Einkauf zur Förderung der heimischen Geschäfte? Das war einmal. Glücklicherweise fanden meine Vorräte bei Freunden für eine Woche Asyl.

In der Zeitung liest man täglich neue Berichte, wie bestimmte Alters- oder Berufsgruppen mit den Kontaktbeschränkungen umgehen, welche Probleme sie haben und welche Schäden sie davontragen. Nun darf ich nur noch einen einzelnen Freund oder eine einzelne Freundin auf eine Tasse Kaffee einladen. Alleinstehende Mütter oder Väter bleiben einsam. Denn Treffen mit anderen Müttern oder Vätern in der gleichen Situation plus Kind sind nicht mehr möglich, seit Kinder über drei Jahre auch mit in die Zählung eingehen. Traurig, nicht wahr?

Ehrlicherweise finde ich aber nicht alles schlecht. Weniger Flugzeuge am Himmel, die staufreie Autobahn, wenn ich schon mal losfahre, das leere Bahnabteil, in dem ich, ohne von den Handytelefonaten meiner Mitreisenden gestört zu werden, in Ruhe arbeiten kann, manche Kurse und Fortbildungen im Internet ohne lange Anreise. Die neue positive Einstellung einiger Patienten zum Thema Impfungen erspart viele Worte – die ich allerdings bei der Beratung zur Coronaimpfung gleich wieder „ausgeben“ muss. Apropos ausgeben: Da spontane Shoppingtouren nicht mehr möglich sind, muss ich seltener Geld abheben. Und wenn ich dann doch mal etwas kaufe, geht es per Karte oder Überweisung.

Am Wochenende waren mein Mann und ich auf einer langen Wanderung durch den verschneiten Spessart. Wir sahen viele andere Spaziergänger und Wanderer, mit und ohne Stöcke, Familien, mit und ohne Kinderwagen, die sich zum Rodeln oder Bob-Fahren trafen. Sogar auf Skiern und auf Snowboards waren einige unterwegs. Fast alle waren fröhlich, grüßten oder ließen sich auf eine kleine Unterhaltung mit ausreichendem Abstand gerne ein. Und wir spürten die verschiedenen Schneearten unter den Füßen, ein bisschen wie bei „Fräulein Smilla“, genossen die frische Luft und den Kontakt zur Natur.

Es geht ja das Gerücht, dass in einem Lockdown mehr Babys gezeugt werden. Aber macht auch jemand eine Untersuchung dazu, ob Herz-Kreislauf-Erkrankte oder Dia­betiker länger leben durch die häufigere Bewegung? Das wäre doch mal interessant.

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