
Mehr tun bei Screening und Prävention „Vision Zero“ - Gemeinsames Vorgehen gegen vermeidbare Krebstodesfälle

In Deutschland erkranken jährlich ca. 500.000 Menschen neu an Krebs und rund die Hälfte stirbt daran. Jeder Zweite hat das Risiko, in irgendeiner Form mit Krebs konfrontiert zu werden, meistens ohne jede Vorankündigung. Vor allem eine Krebsdiagnose im Umfeld ist ein emotionaler Schock und spiegelt die eigene Verwundbarkeit wider.
Eine Krebserkrankung sollte jedoch nicht einfach als Schicksal hingenommen werden, zumal viele Fälle vermieden werden könnten. Die Initiative „Vision Zero Gemeinsam gegen Krebs“ verfolgt das Ziel, die Krebssterblichkeit entscheidend zu senken – idealerweise auf null.
Auf dem Vision Zero Summit 2025 in Berlin diskutierten Vertreterinnen und Vertreter aus Wissenschaft, Politik, Patientenorganisationen und des Gesundheitswesens über Früherkennungs- und Präventionsmaßnahmen. Dazu gehören u. a. Digitalisierung, moderne Diagnostik, personalisierte Therapien sowie ein gleichberechtigter, breiter Zugang zu Studien.
Innovationen legen den Grundstein für bessere, frühere Diagnostik und Therapien. „Mit der Forschung beginnt eigentlich der Wohlstand für die Wirtschaft und für die Patienten“, betonte Dr. Georg Kippels, Parlamentarischer Staatssekretär, Bundesministerium für Gesundheit, auf dem Vision Zero Summit 2025. Jedoch sei Deutschland in den vergangenen Jahren international abgerutscht, was Forschung und klinische Studien betrifft. Beispielsweise Spanien habe Deutschland weit überholt und sei in der Pharmaindustrie sehr erfolgreich. „Hier müssen wir von unseren Nachbarn lernen“, so Dr. Kippels.
Das gilt auch für die Impfung gegen humane Papillomviren. Diese bietet einen wichtigen Schutz vor späteren Krebserkrankungen. Die Impfquoten sind hierzulande jedoch schlechter im Vergleich zu Ländern wie beispielsweise Australien oder Schottland. Mehr Schulimpfungen könnten die Impfquoten bei Mädchen und Jungen erhöhen, erläuterte Prof. Dr. rer. nat. Catharina Maulbecker-Armstrong, Gießen. „Wir haben einen Impfstoff gegen Krebs und sollten ihn nutzen“, unterstrich die Expertin.
Bei der Prävention von Lungenkrebs zeigt Deutschland ebenfalls eine schwache Performance, obwohl 80 % der Lungenkrebsfälle durch die Elimination von Tabakkonsum, z. B. durch eine Erhöhung der Besteuerung auf Tabakprodukte, verhindert werden könnten. Unter 36 europäischen Ländern nimmt Deutschland jedoch den letzten Platz ein, was die Kontrolle des Nikotinkonsums betrifft.
Wo steht die Krebsforschung „Made in Germany“?
Es gibt durchaus etliche hoch innovative Ansätze. So wird eine Vakzine mit einer neuen T-Zell-Therapie kombiniert, sodass die T-Zellen länger fit und aktiv bleiben. Auch Impfstoffstrategien gegen Neoantigene sind ein vielversprechendes Konzept in der personalisierten Krebstherapie, insbesondere mithilfe der mRNA-Technologie.
Beim Hochrisiko-Melanom verhindert die Gabe einer individuellen Neoantigentherapie (INT) in Kombination mit einer Immuntherapie Rezidive, v. a. in inneren Organen (Fernmetastasen). Die INT stellt somit eine bahnbrechende Technologie dar, die eine neue Ära, nicht nur beim Melanom, einläuten kann.
Videointerviews vom Kongress
Am 30. Juni und 1. Juli 2025 fand der Vision Zero Summit 2025 in Berlin statt. Auf der Homepage von Medical Tribune finden Sie folgende Videointerviews:
- Digitalisierung als Generalschlüssel der Medizin | Prof. Dr. Christof von Kalle
- Mehr Forschungsförderung im Kampf gegen Krebs | Prof. Dr. Michael Hallek
- Die Gesundheitswirtschaft nach vorne bringen | Dr. Niko Andre
- Frauen zur regelmäßigen Früherkennung motivieren | Alexandra von Korff
- Wie Luxemburg gegen den Krebs kämpft | Ulf Nehrbass
- Mit KI Patientinnen, Patienten und Health Professionals unterstützen | Nadja Will
- Patientenvertreter in Fachgremien stärken | Johannes Förner
Alle Interviews online unter: qr.medical-tribune.de/vzs25
Kongresswebsite: Vision Zero Berlin Summit 2024
Große Rückstände bei der Digitalisierung
Darüber hinaus gibt es Innovationen durch bispezifische T-Cell Engager (BiTE®) in der Onkologie. Das erste BiTE®-Molekül ist seit 2014 in der B-Zell akuten lymphatischen Leukämie (B-ALL) etabliert und Teil der Konsolidierung in der Erstlinie. BiTE®-Moleküle sind auch bei soliden Tumoren (z. B. Prostata, Lunge) effektiv. Die erste Zulassung eines HLE-BiTE®-Moleküls für einen soliden Tumor wird in Europa 2026 erwartet.
Deutschland hat viele Stärken, wie beispielsweise eine Spitzenposition beim Vordringen neuer Medikamente bis zu den Patientinnen und Patienten. Auch in der Behandlung von Hautkrebs sei Deutschland in Europa sehr weit vorne, hob Prof. Dr. Dirk Schadendorf, Essen, hervor. Bei Prävention und Screening gebe es erhebliches Potenzial. Ausufernde Bürokratie, Datenschutz und Föderalismus behindern jedoch die klinische Forschung massiv, was letztlich den Patientinnen und Patienten und dem Wissenschaftsstandort Deutschland schadet. Auch bei der Digitalisierung zeigen sich große Rückstände.
Die Expertinnen und Experten wünschen sich daher zentrale Studienstrukturen und beschleunigte Genehmigungsprozesse sowie nationale, harmonisierte Datenzugänge, die ebenso wie Diskussionen im Umgang mit Datenschutz und vielen anderen bürokratischen Fragestellungen insgesamt unkomplizierter gestaltet werden sollten. All dies ermöglicht ein vernünftiges Wettbewerbsverhältnis mit den europäischen Nachbarn.
Wichtig sind auch die zunehmende Digitalisierung und der Einsatz Künstlicher Intelligenz. Dies bietet enorme Chancen, die Krebsprävention, Diagnostik und Therapie entscheidend zu verbessern. Durch den gezielten Einsatz digitaler Technologien können Patientinnen und Patienten informiert und kann deren Gesundheitskompetenz gestärkt werden.
Soziale Medien wie TikTok oder Instagram bieten Chancen, Gesundheitsinformationen schnell, zielgruppengerecht und niedrigschwellig zu verbreiten. Mit Apps für das Smartphone, wie Smokerface oder Sunface, erreicht man gezielt gerade auch jüngere Menschen und kann eine enorme Reichweite aufbauen. Entscheidend ist, dass diese Apps nicht nur Lifestyle-Trends bedienen, sondern wissenschaftlich fundierte Inhalte zur Gesundheitsförderung bieten.