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Wie die KBV die EDV benutzt, um uns Ärzte fertigzumachen!

Speakers' Corner Autor: Dr. Stephan Kaula

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Speakers Corner: Ein Platz für Themen, über die Sie sich aufregen. Dr. Stephan Kaula beschwert sich in dieser Ausgabe über die KBV, die mit immer neuen EDV Mechanismen, die Ärzteschaft herausfordert.

Gezählt habe ich sie nicht, gefühlt sind es aber über die Jahre Tausende Klicks geworden, die ich mittels Maus auslöse, nachdem ich, konzentriert auf den Bildschirm meines Computers starrend, den Zeiger in die kleinen Felder bugsiert habe. Es ist eine große Kunst geworden, die Patienten dabei nicht zu vernachlässigen. Kann es sein, dass die KBV und Kassen genau das wollen: Menschlichkeit ade – Hauptsache, es klickt?

Quartalsweise gibt es immer neue Rückfragen der Software. Habe ich zum Beispiel auf dem neuen „genialen“ AU-Formular zwei Diagnosen, werde ich gefragt, ob ich eine davon streichen will, weil diese im Klartext nicht mehr auf die AU-Formulare passen? Und wenn ich nun dummerweise nicht 40 000 ICD-10-Diagnoseschlüssel in meinem Hirn parat habe, muss ich diese EDV-technisch nachschlagen, um zu wissen, weswegen ich den Patienten das letzte Mal krankgeschrieben habe. Daran hat keiner der Bürokraten gedacht, als sie dieses „tolle“ neue Formular entwickelt haben. Wir Anwender und unsere Bedürfnisse zählen offenbar nicht, wir werden nicht gefragt, Rückmeldungen werden ignoriert und sind unerwünscht. Bei der Abrechnung gibt es auch immer wieder nette Überraschungen. Hat man die für die EDV leicht verdaulichen, aber für Menschen anwenderfeindlichen fünfstelligen Leistungsnummern, die sich mitunter nur in einem Dreher von zwei Ziffern unterscheiden, erfolgreich eingetragen und hofft, die Abrechnung wegschicken zu können, passt dem KBV-Prüfmodul eine Diagnose nicht mehr, die vorher jahrelang gültig war. Da verschwanden auf einmal „Haemorrhoiden“. Laut Vorgabe der KBV hat offenbar keiner mehr diese lästigen, schmerzhaften Dinger am After. Dafür gibt es aber immer noch Diagnosen wie „übermäßiges Erröten“ oder „psychisches Problem“. Ersteres sollte die KBV, Letzteres trifft auf mich in meiner Beziehung zu den Denkern und Machern der KBV zu. Bei dieser Abrechnung erwischte der Diagnosen-Terminator die „venöse Insuffizienz“, die laut KBV nun keine abrechungswürdige Diagnose mehr ist, anders als die „überzählige Mamille“ – die geht noch.

Meine hausärztlichen Kollegen vermuten ja, mangels sinnhafter anderer Erklärungen, dass man uns mit diesem Irrsinn demonstrieren will, wie die Standes-Hierarchie verstanden werden sollte. Nur von oben nach unten. Die praxisfernen Bürokraten der KBV benutzen die Werkzeuge der BMÄ/EBM-Regelwerke und die EDV nicht, um die Realität unserer Tätigkeit in einer Gebührenordnung sinnvoll abzubilden, uns gerecht zu entlohnen und unsere Arbeit zu erleichtern, sondern nur noch, um ihre Macht zu demonstrieren und uns mit Schwachsinn zu beschäftigen, damit wir auf keine dummen Gedanken kommen. Meine Diagnose: Bürokratischer Gewaltmissbrauch bei Realitätsverlust. Nur: Wer weist endlich diese Berliner Seilschaft stationär ein – und wohin?

Dr. Stephan Kaula
Facharzt für Allgemeinmedizin
Bad Homburg

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