Organspende Wie Hausärzte Patienten „anschubsen“ können

Verhaltensänderungen anstoßen
Die Hilfsmittel hierfür: eine hausärztliche Beratung bei Bedarf und der Einsatz eines einfach gestrickten, bis zu 6 Fragen umfassenden Fragebogens. Methodisch stützt sich die Erhebung auf das "nudging" (schubsen), eine Strategie, die versucht, das Verhalten von Menschen ohne Verbote oder ökonomische Anreize hin zu einer höheren Organspendebereitschaft zu lenken. Der Fragebogen, den in den ersten beiden Quartalen 2018 insgesamt 726 Patienten (92 % aller angesprochenen Patienten) zwischen 16 und 65 Jahren ausgefüllt hatten, enthielt folgende Fragen, die dann bei Bedarf beim darauffolgenden Arztgespräch besprochen wurden:
- Haben Sie einen Organspendeausweis?
- Wie stehen Sie zur Organspende?
- Hätten Sie von uns gerne mehr Informationen und eine ergebnisoffene Beratung zur Organspende?
- Sollen wir Ihnen heute einen Organspendeausweis ausfüllen?
Ergebnissoffen aufklären
Patienten, die in der Praxis dauerhaft versorgt werden, wurden noch zusätzlich befragt, ob sie sich eine Organspende wünschen würden, wenn sie selbst oder ihr Kind darauf angewiesen wären (Zustimmungsquote von 94 %), und ob sie glauben, dass auch ihr Hausarzt über einen Organspendeausweis verfügt. 96 % antworteten hier mit Ja. Mit diesem Vorgehen konnte in der Modellpraxis die Anzahl der Patienten mit Organspendeausweis innerhalb eines halben Jahres von 29 auf 52 % ausgeweitet werden (Zeitschrift für Allgemeinmedizin, ZFA 1/2020). 46 % der Patienten nahmen das Angebot in der Hausarztpraxis zudem an, ergebnisoffen Informationen zur Organspende zu erhalten. Das Nudging spielt dabei die entscheidende Rolle. Die Erfolgsquote lag hier sogar bei 38 %, wohingegen nur 19 % der Patienten ohne Nudging bereit waren, in der Praxis einen Organspendeausweis auszufüllen.
Spendenbereitschaft erhöhen
Dass mit einer solchen niedrigschwelligen Intervention in einer Hausarztpraxis die Organspendebereitschaft in einem halben Jahr nahezu verdoppelt werden konnte, ist sicher nicht repräsentativ, dafür aber umso beeindruckender. Denn wenn Hinweise zur Notwendigkeit von Organspenden in seriöser Art und Weise direkt vom Hausarzt an den Patienten herangetragen werden, könnte die Zustimmungsregelung tatsächlich zu einer höheren Bereitschaft für Organspenden führen. Und warum sollte das, was im Kleinen in einer einzelnen Hausarztpraxis funktioniert, nicht auch im größeren Maßstab möglich sein? Denn die Praxisstudie zeigt noch etwas anderes: Allgemeinärzte können bei der Steigerung der Organspendebereitschaft tatsächlich eine Schlüsselrolle einnehmen. Wenn das "Nudging" aber über eine einzelne Modellpraxis hinausgehen soll, müssten dafür auch praxiskonforme Strukturen geschaffen und annehmbare Erstattungsregelungen gefunden werden, meint Ihr
Das meint Ihr

Erschienen in: Der Allgemeinarzt, 2020; 42 (4) Seite 34
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