
Agitiertes terminales Delirium proaktiv durch regelmäßige Dosen managen

Über 90 % aller Patient:innen entwickeln in den letzten Tagen und Wochen ihres Lebens ein oftmals irreversibles Delirium. Dieses geht bei vielen mit Ruhelosigkeit und/oder Agitiertheit einher. Falls Standarddosen von Neuroleptika nicht ausreichen, stellt eine proportionale Sedierung in festen zeitlichen Abständen eine mögliche Alternative zur tiefen, kontinuierlichen Sedierung dar, schildern Prof. Dr. David Hui, MD Anderson Cancer Center, Houston, und Kolleg:innen.1
Die Wissenschaftler:innen behandelten im Rahmen der RECORD-Studie 72 auswertbare Personen an drei Palliativstationen in den USA und Taiwan 1:1:1:1 randomisiert mit:
- Haloperidol i. v. 2 mg alle 4 h + stündlich wie benötigt
- Lorazepam i. v. 1 mg alle 4 h + stündlich wie benötigt
- Haloperidol i. v. 2 mg und Lorazepam i. v. 1 mg alle 4 h + stündlich wie benötigt
- Placebo i. v. alle 4 h + Lorazepam i. v. stündlich wie benötigt
Alle Teilnehmenden litten an einer weit fortgeschrittenen Krebserkrankung. Sie zeigten trotz nicht-pharmakologischer Maßnahmen und Haloperidol in Standarddosis (< 8 mg/Tag) anhaltendes agitiertes und/oder ruheloses Verhalten.
Als primären Endpunkt definierten die Verantwortlichen die Veränderung im RASS*-Score innerhalb der ersten 24 Stunden. Dieser dient dazu, Agitation und Sedierung bei delirösen Patient:innen zu beurteilen, und nahm in allen vier Gruppen ab, was einer Beruhigung entspricht. Behandelte, die Lorazepam mit oder ohne Haloperidol erhielten, wiesen signifikant niedrigere RASS-Scores auf als mit dem Neuroleptikum allein (p < 0,001 für Lorazepam, p = 0,002 für die Kombination). Es zeigte sich hingegen kein signifikanter Unterschied zwischen Haloperidol und Placebo, ebenso wenig zwischen der Lorazepam- und der Kombinationsgruppe.
Betroffene, die eine benzodiazepinhaltige Behandlung erhielten, brauchten darüber hinaus deutlich seltener Rescue-Medikationen (p = 0,006). Dies betraf 83 % mit Placebo, 56 % bei einer Haloperidol-Monotherapie, aber nur 37 % der Teilnehmenden unter Lorazepam und 32 % mit der Kombination.
Die häufigsten schweren unerwünschten Ereignisse waren Hypotonie und Hypoxie (jeweils 26 %).Trotz der hohen Haloperidoldosen dokumentierten die Ärzt:innen nur wenige extrapyramidale Störungen. Zwischen den vier Gruppen gab es weder Unterschiede in der Rate neuroleptikaassoziierter Nebenwirkungen (Tag 0–3) noch im Gesamtüberleben.
Die Autor:innen fassen zusammen, dass Patient:innen, die eine proaktive Medikation nach der Uhr erhielten, weniger Rescuedosen wegen Ruhelosigkeit oder Agitation benötigten als unter Placebo. Außerdem reduzierte Lorazepam mit oder ohne Haloperidol persistierende Agitiertheit bei einem Delirium am Lebensende effizienter als Haloperidol allein.
Sedierungsoptionen im Lebensende
Insgesamt machen Prof. Hui und Kolleg:innen damit drei pharmakologische Sedierungsoptionen mit unterschiedlicher Wirkstärke aus: Haloperidol (mild), Lorazepam (mittelstark) und die Kombination (tiefe Sedierung). Dies erlaube, die Versorgung von Erkrankten mit agitiertem Lebensenddelirium zu individualisieren. Sie betonen aber, dass sich ihre Erkenntnisse nicht ohne weiteres auf klinische Situationen außerhalb der Sterbephase übertragen lassen.
Die Kommentatoren Prof. Dr. Justin J. Sanders, McGill University, Montreal, und Prof. Dr. James Downar, University of Ottawa, loben die methodische Durchführung der Studie und verweisen auf weitere Untersuchungen, die einen Zusatzeffekt durch Benzodiazepine stützen.2 Allerdings haben sie mehrere Anmerkungen.
Zunächst einmal strebten Ärzt:innen in der Regel nicht den maximal möglichen Grad an Sedierung an, sondern RASS-Werte im mittleren Bereich (0 bis -2). Der beobachtete Effekt der lorazepamhaltigen Regime ging jedoch darüber hinaus und im Vergleich zu Haloperidol bzw. Placebo landete ein geringerer Anteil der Behandelten im genannten Zielbereich. Auch wenn ein Delirium am Lebensende als irreversibel gelte, lasse sich nicht ausschließen, dass eine tiefere Sedierung bedeutsame Interaktionen mit Angehörigen und Klinikpersonal verhindert hätte.
Insgesamt hätten selbst in der Kontrollgruppe nur 23 % der Patient:innen mehr als eine Dosis Durchbruchsmedikation innerhalb von 24 Stunden benötigt. Die Kommentatoren zeigen auf, dass damit im Lorazepam- und Kombinationsarm sechs präemptive Benzodiazepindosen auf eine eingesparte Bedarfsintervention kamen.
* Richmond Agitation-Sedation Scale
Quellen:
1. Hui D et al. JAMA Oncol 2025; DOI: 10.1001/jamaoncol.2025.2212
2. Sanders JJ, Downar J. JAMA Oncol 2025; DOI: 10.1001/jamaoncol.2025.2175
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