
Alternativen zur eisernen Reserve

In Deutschland entfielen 2017 insgesamt 13 % aller Verordnungen von systemischen Antibiotika auf Harnwegsinfektionen (HWI). Nach wie vor waren bei unkomplizierten HWI viel zu viele Reserveantibiotika darunter, vor allem Fluorchinolone. Indiziert sind Reserveantibiotika nur bei komplizierten Infektionen oder Verläufen. Damit sie nicht durch Resistenzentwicklung ihre Schlagkraft verlieren, müssen sie in der Praxis sparsamer eingesetzt werden.
Der Verzicht auf diese Substanzen ist bei unkomplizierten HWI durchaus möglich. Aktuelle S3-Leitlinien von DGU und DEGAM empfehlen gleichberechtigt eine Reihe wirksamer Erstlinien-Antibiotika, schreiben Privatdozent Dr. Guido Schmiemann, Universität Bremen, und Professor Dr. Eva Hummers, Universität Göttingen. Zur Wahl stehen Fosfomycin, Nitrofurantoin, Nitroxolin, Pivmecillinam und Trimethoprim, die sich vor allem in der Anwendung und mit Blick auf das Nutzen-Risiko-Profil voneinander unterscheiden.
Fosfomycin wird als einmalige Gabe in einer Dosis von 3 g verabreicht. Trotzdem unterscheidet sich die klinische bzw. mikrobiologische Wirksamkeit von Fosfomycin einem systematischen Review zufolge nicht signifikant von der anderer Antibiotika. Das Review enthielt allerdings auch eine aktuelle Vergleichsstudie zu Fosfomycin und Nitrofurantoin bei unkomplizierten HWI. Demnach ist die klinische Heilungsrate nach 28 Tagen für Fosfomycin ungünstiger (58 % vs. 70 %). Dies könnte möglicherweise zu der beobachteten erhöhten Anzahl von Rezidiven führen. Die Resistenzrate des häufigsten Erregers E. coli hält sich seit zehn Jahren im ambulanten Bereich stabil bei < 1,5 %.
Empfohlene Kontrollen im ambulanten Setting schwierig
Nitrofurantoin retard wird in einer Dosis von 2 x 100 mg/d über fünf Tage eingenommen. Warnhinweise in der Fachinformation und zurückhaltende Therapieempfehlungen der Kassenärztlichen Bundesvereinigung machen den Umgang mit der Substanz in der Praxis schwierig. Denn Nieren- und Leberfunktion vor der Therapie zu erfassen und auch während der Behandlung nochmals zu kontrollieren, sei nicht realistisch im ambulanten Setting, so die Autoren. Allerdings wurden bei kurzzeitiger Anwendung – anders als unter Langzeittherapie – auch keine pulmonalen oder hepatischen Schäden berichtet. Gastrointestinale Nebenwirkungen wie Bauchschmerzen oder Übelkeit scheinen auch bei Kurzzeitanwendung etwa 2 % der Patienten zu betreffen. Angesichts der genannten Einschränkungen spielt Nitrofurantoin auf dem deutschen Markt nur eine untergeordnete Rolle.
Bei Nitroxolin lautet die Dosierung 3 x 250 mg/d über fünf Tage. Im Zuge der letzten Überarbeitung der DGU-Leitlinie fand das Medikament erstmals Eingang in die Empfehlungen, da eine Metaanalyse von zuvor unpublizierten Studien unter Beteiligung des Herstellers positive Ergebnisse gezeigt hatte. Alle diese Studien stammen jedoch aus den 1990er-Jahren, seitdem kam keine neue Evidenz hinzu. Es sollte deshalb kritisch geprüft werden, ob die Empfehlung im nächsten Update weiterhin Bestand haben kann, finden die Autoren.
Pivmecillinam ist vor allem in skandinavischen Ländern etabliert, seit 2016 aber auch in Deutschland zugelassen. Noch wird es hierzulande eher selten eingesetzt, doch nehmen die Verordnungen zu. Die Dosierung beträgt 2–3 x 400 mg/d über drei Tage. Noch ist die Resistenzsituation bei Pivmecillinam mit einer Quote von 5 % resistenten E. coli als günstig zu bewerten.
Für Trimethoprim, das in einer Dosis von 2 x 200 mg/d für drei Tage gegeben wird, gibt es seit Erscheinen der Leitlinie keine neuen Studien. Die Resistenzlage scheint sich positiv zu entwickeln, obwohl man derzeit noch immer Quoten von über 20 % beobachtet, was zu einer nur eingeschränkten Empfehlung dieser Substanz führt.
Länger anhaltende Symptome bei alternativer Therapie
Doch erfordert eine unkomplizierte HWI nicht generell den Einsatz eines Antibiotikums. Mehrere randomisierte, kontrollierte Studien haben gezeigt, dass der Einsatz von pflanzlichen Aufbereitungen (Bärentraubenblätter und andere phytopharmazeutische Komplexpräparate) oder NSAR wie Ibuprofen und Diclofenac eine Antibiotikatherapie möglicherweise unnötig macht. Allerdings dauern die Symptome unter alternativer Behandlung meist etwas länger und die Patienten bekommen häufiger eine Pyelonephritis. Auch die Leitlinien nennen derartige Therapien als Optionen – bei leichten bis mittelschweren Symptomen. Jedoch kommt der Verzicht auf eine sofortige Antibiotikatherapie nur für Patienten in Betracht, bei denen keine Risikofaktoren vorliegen.
Quelle: Schmiemann G, Hummers E. Arzneiverordnung in der Praxis 2021; 48: 72-76
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