Ausbleibende Pubertätsentwicklung als Hinweis auf die prämature Ovarialinsuffizienz

Dr. Andrea Wülker

Das klinische Beschwerdebild variiert erheblich. Das klinische Beschwerdebild variiert erheblich. © Queenmoonlite Studio - stock.adobe.com

Die prämature Ovarialinsuffizienz bringt relevante gesundheitliche Folgen mit sich und erfordert eine fundierte Diagnostik sowie gezielte Therapieoptionen. Eine Östrogensubstitution steht hier an erster Stelle.

Die prämature Ovarialinsuffizienz (POI) macht sich häufig bei Frauen im Alter von 26 bis 30 Jahren durch unregelmäßige oder ausbleibende Regelblutungen bemerkbar. Sie kann sich aber auch schon in der Adoleszenz manifestieren. Die betroffenen Mädchen suchen dann meist wegen fehlender Pubertätsentwicklung und/oder Ausbleiben der Menarche ärztlichen Rat, schreiben PD Dr. Bettina Böttcher und Dr. Hanna Hosa von der Klinik für Gynäkologische Endokrinologie und Reproduktionsmedizin der Medizinischen Universität Innsbruck. Neben den Zyklusstörungen bzw. der Amenorrhö fallen bei der POI erhöhte Werte des follikelstimulierenden Hormons (FSH) und erniedrigte Östradiolwerte auf. Einer Studie zufolge liegt die Prävalenz der spontanen POI vor dem 40. Lebensjahr bei 1 %, vor dem 30. Lebensjahr bei 0,1 %. Die iatrogen verursachte POI (z. B. nach operativer Entfernung der Eierstöcke, nach Strahlen- oder gonadotoxischer Therapie) kommt häufiger vor.

Einer POI können unterschiedliche Ursachen zugrunde liegen:

  • Genetische Ursachen wie z. B. Turner-Syndrom, Fragiles-X-Syndrom oder autosomale Mutationen. Rund 10 % der Frauen mit POI weisen chromosomale Aberrationen auf.
  • Autoimmunerkrankungen: Morbus Crohn, Morbus Addison, systemischer Lupus erythematodes, Hashimoto-Thyreoiditis, rheumatoide Arthritis oder autoimmunes polyglanduläres Syndrom Typ 2 (APS Typ 2).
  • Iatrogene Interventionen wie Chemo- oder Strahlentherapie bzw. Operationen an den Ovarien (vor solchen Therapien sollten ggf. fertilitätsschützende Maßnahmen angeboten werden).
  • Idiopathische POI: In vielen Fällen (50–90 %) bleibt die Ursache der POI unklar.

Das klinische Beschwerdebild variiert erheblich. Etwa 12–14 % der Frauen sind asymptomatisch. Bei idiopathischer POI können die Symptome bei einem Teil der Betroffenen intermittierend auftreten; im Unterschied dazu persistieren die Symptome bei iatrogener POI. Typisch sind menopausale Beschwerden wie Hitzewallungen, Schweißausbrüche, Schlaf- und Konzentrationsstörungen, Leistungseinbußen und sexuelle Probleme. Am Urogenitaltrakt macht sich der Abfall des körpereigenen Östrogens durch Scheidentrockenheit, Dyspareunie, Libidoverlust, erhöhte Miktionsfrequenz und Inkontinenz bemerkbar. Aufgrund des Östrogenmangels kommt es bei unbehandelter POI auch zu einer Abnahme der Knochendichte – die Prävalenz einer Osteopenie bzw. Osteoporose kann bei POI-Patientinnen jeweils bis zu 40 % betragen. Eine weitere negative Folge des Östrogenmangels ist ein erhöhtes kardiovaskuläres Risiko mit Anstieg von Morbidität und Mortalität. Hinzu kommt ein erhöhtes Risiko für Depressionen, weshalb die Autorinnen empfehlen, eine psychologische Mitbetreuung großzügig anzubieten. Einzelne Studien beschreiben zudem bei iatrogener POI neurologisch-psychiatrische Störungen wie eine Abnahme der Gedächtnisfunktion und ein erhöhtes Risiko für Morbus Parkinson und Demenz.

Wie viel Diagnostik ist bei POI-Verdacht erforderlich? Nach einer ausführlichen Anamnese (Zyklusstörungen, fehlende Pubertätsentwicklung, iatrogene Eingriffe) sollte bei Frauen unter 40 Jahren mit Oligo- oder Amenorrhö der FSH-Wert zweimal im Abstand von vier bis sechs Wochen bestimmt werden (s. Kasten). Zudem wird eine genetische und autoimmunologische Abklärung empfohlen. Ergänzend können eine Ultraschalluntersuchung der Ovarien und eine Knochendichtemessung erfolgen.

Diagnosekriterien der prämaturen Ovarialinsuffizienz

  • Oligo-/Amenorrhö seit mindestens vier Monaten und
  • erhöhter FSH-Wert > 25 IU/l an zwei Abnahmezeitpunkten im Abstand von mindestens vier Wochen.

Bei POI ist ein frühzeitiger Beginn einer Hormonersatztherapie (Östrogensubstitution plus Progesteron zur Endometriumprotektion) angezeigt, wobei die transdermale Verabreichung im Hinblick auf Thromboembolien das geringste Risiko aufweist. Die Hormonbehandlung sollte bis zum physiologischen Menopausenalter fortgesetzt werden.

Die Fertilität von POI-Patientinnen ist erheblich beeinträchtigt: in der Literatur werden spontane Schwangerschaftsraten von lediglich 1,5–4,8 % beschrieben. Reproduktionsmedizinische Maßnahmen bewirken keine Zunahme der ovariellen Aktivität. Daher ist für POI-Betroffene mit unerfülltem Kinderwunsch eine Eizellspende oftmals die Therapie der Wahl. Diese muss dann – je nach Gesetzeslage – im Ausland durchgeführt werden.

Quelle: Böttcher B, Hosa H. internistische praxis 2025; 68: 470-479

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