Bei Immunsuppression an prolongierte SARS-CoV-2-Pneumonie denken

DGIM 2025 Stefanie Menzel

Eine 56-jährige Frau stellte sich mit trockenem Husten, der sie seit zwei Monaten plagte und zuletzt von erhöhter Temperatur begleitet wurde, in der Klinik vor. Eine 56-jährige Frau stellte sich mit trockenem Husten, der sie seit zwei Monaten plagte und zuletzt von erhöhter Temperatur begleitet wurde, in der Klinik vor. © kues1 - stock.adobe.com

Bei Menschen unter Immunsuppressiva führen Anamnese und Diagnostik manchmal in die falsche Richtung, wie das Beispiel einer Frau mit monatelanger Hustensymptomatik zeigt. Am Ende stieß das Ärzteteam auf einen alten Bekannten.

Eine 56-jährige Frau stellte sich mit trockenem Husten, der sie seit zwei Monaten plagte und zuletzt von erhöhter Temperatur begleitet wurde, in der Klinik vor. Anamnestisch gab sie ein follikuläres Lymphom und eine vor drei Jahren abgeschlossene Chemotherapie sowie die fortlaufende Gabe des CD20-Antikörpers Obinutuzumab zu Protokoll. Pulmonale Vorerkrankungen verneinte sie, ebenso Gewichtsschwankungen, berichtete Dr. Tilman Lingscheid von der Charité – Universitätsmedizin Berlin.

Eine seitens der behandelnden Onkologin veranlasste Thorax-CT hatte unilateral dezente Milchglasinfiltrate gezeigt. Im Labor fand sich zu diesem Zeitpunkt ein erhöhtes CRP (40 mg/dl) bei ansonsten unauffälligem Blutbild. Der Nasen-Rachen-Abstrich war negativ gewesen – sowohl für Influenza und SARS-CoV-2 als auch für Mycoplasma pneumoniae. Angesichts der Immunsuppressiva erhielt die Patientin Levofloxacin über sieben Tage, was an der Symptomatik jedoch nichts änderte. Eine zweite CT bestätigte nun in beide Lungen ausgebreitete Milchglasinfiltrate, die Patientin wurde in die Klinik eingewiesen.

Dort hält man eine bakterielle Pneumonie aufgrund des regelrechten Blutbilds und der lediglich diffusen Infiltrate für unwahrscheinlich. Auch pulmonale Lymphommanifestationen zieht man nicht in Betracht, da sie selten sind und eine PET-CT zudem kurz vor Beginn der Hustensymptomatik Rezidivfreiheit bescheinigt hatte. Ob Viren oder Pilze im Spiel sind, soll nun eine bronchoalveoläre Lavage (BAL) klären. Diese ergibt eine stark erhöhte Zellzahl von 129 (Normwert < 10) mit einem Lymphozytenanteil von 47 % und dominierenden CD8-Zellen. „Nach Lehrbuch soll man bei Lymphozytose in der BAL immer auch an Autoimmunerkrankungen wie Sarkoidose, Vaskulitiden und die exogen allergische Alveolitis denken“, so der Referent.

Zum Ziel führt schließlich die Mikrobiologie: Entgegen der Befürchtungen lassen sich weder Bakterien noch Pilze nachweisen. In der Multiplex-PCR findet sich keinerlei virale RNA – außer von SARS-CoV-2. „Das Ergebnis ist insofern bemerkenswert, als wir die Patientin mehrfach abgestrichen haben und immer mit negativem Ergebnis. Wir haben hier also einen isolierten Nachweis von SARS-CoV-2 in der Lunge“, so der Referent. Dies zeige, dass Milchglasinfiltrate und lymphozytäre Alveolitis auch mit einer viralen Pneumonie vereinbar sind. Auf erneutes Nachfragen gibt die Patientin an, vier Monate zuvor eine milde Erkältung gehabt zu haben. Dass diese per Schnelltest als COVID-19 bestätigt wurde, sei ihr nicht bewusst gewesen.

Prophylaktisch habe sie Tixagevimab/Cilgavimab erhalten und sich geschützt gefühlt.

Aufgrund der Obinutuzumabtherapie hat die Patientin keine B-Zellen und deshalb ein sekundäres Antikörpermangelsyndrom, so Dr. Lingscheid. Trotz viermonatigem Antigenkontakt sei sie noch immer nicht serokonvertiert, weil sie es aufgrund ihrer Therapie nicht könne. „Sie wird es nicht schaffen, SARS-CoV-2 loszuwerden.“ Deshalb entscheidet sich das Ärzteteam für eine zehntägige Therapie mit i. v. Remdesivir kombiniert mit p. o. Nirmatrelvir/Ritonavir (off label) plus einmalig i. v. Sotrovimab. „Diese Antikörper wurden 2021–2024 erfolgreich angewendet, sind aber gegen die aktuell kursierenden Varianten unwirksam“, betonte der Referent. In der Nachsorge lösten sich daraufhin die Infiltrate auf, die Symptomatik ging vollständig zurück.

Fälle von isolierter prolongierter COVID-19-Pneumonie werden immer wieder berichtet. Hauptrisikofaktor ist eine CD20-depletierende Therapie mit Rituximab, die bei hämatoonkologischen Erkrankungen, aber auch z. B. bei Multipler Sklerose indiziert ist. Dass eine antivirale Doppelstrategie (plus Antikörper) in diesem Kollektiv gegen isolierte prolongierte COVID-19-Pneumonie hilft, hat eine kleine retrospektive Studie gezeigt. Darin waren 82 % der Teilnehmenden nach der Therapie symptomfrei. In jedem Fall, so der Referent, sollte man vor dem Start einer CD20-depletierenden Therapie gegen COVID-19 impfen.

Quelle: Kongress der DGIM

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Eine 56-jährige Frau stellte sich mit trockenem Husten, der sie seit zwei Monaten plagte und zuletzt von erhöhter Temperatur begleitet wurde, in der Klinik vor. Eine 56-jährige Frau stellte sich mit trockenem Husten, der sie seit zwei Monaten plagte und zuletzt von erhöhter Temperatur begleitet wurde, in der Klinik vor. © kues1 - stock.adobe.com