
Bei Leberversagen auch an seltene Auslöser denken

Ein aus China stammender 55-jähriger Gastroenterologe, der in der Schweiz TCM praktizierte, suchte wegen eines Leistungsknicks und gelber Hautfarbe seit drei Wochen eine Klinik auf. Aufgrund von Durchfall und Fieber hatte er fünf Tage lang Cefixim eingenommen sowie über vier Monate zur Stärkung des Immunsystems sieben verschiedene chinesische Kräuter, berichten Dr. Lisa van der Lely, Universitätsspital Zürich, und ihre Kolleginnen. Die Laborbefunde ergaben eine Koagulopathie mit einem INR von 2,8 (Norm: < 1,2) und erhöhte Werte von Transaminasen und Bilirubin. Der Zahlenverbindungstest deutete auf eine hepatische Enzephalopathie Grad 1 hin.
Vorerkrankungen der Leber bestanden nicht, die Symptomatik hatte sich rasch entwickelt. Daher diagnostizierten die Schweizer Kolleginnen ein akutes Leberversagen. Nach Ausschluss anderer möglicher Ursachen wie Viruserkrankungen (Hepatitis, EBV- oder HSV-Infektion, Zytomegalie), Morbus Wilson und Alpha-1-Antitrypsinmangel rückten die chinesischen Kräuter als wahrscheinlichster Auslöser in den Fokus.
Etwa die Hälfte des Gewebes war zerstört
Eigentlich war die sofortige Überweisung an ein Transplantationszentrum indiziert. Der Patient sträubte sich aber anfangs dagegen, sodass er vorerst intensivmedizinisch behandelt wurde mit Fluimucil, Lactulose und Rifaximin. Progredienz der Enzephalopathie und steigende Ammoniakspiegel machten eine Hämodialyse erforderlich. Die Therapie besserte seinen Zustand nur vorübergehend mit anschließender Verschlechterung. Schließlich stimmte der Mann einer Lebertransplantation zu, die zweieinhalb Monate nach der Erstmanifestation der Erkrankung erfolgte. Seine eigene explantierte Leber wies histologisch bereits zu 50 % Zeichen eines zerstörten Parenchyms auf.
Der Eingriff verlief leider nicht ohne Komplikationen. Wegen massiver Blutungen entschloss man sich, das Abdomen nach der OP offen zu lassen, um ein Kompartmentsyndrom zu verhindern. Dies gelang aber nicht, das Spenderorgan wies Verwachsungen auf und wurde schlecht durchblutet. Auch eine zusätzliche Sternotomie brachte keine entscheidende Besserung. Als man Thorax und Abdomen wieder verschloss, drohte die neue Leber endgültig den Dienst zu quittieren. Eine erneute Transplantation wurde nötig, diese konnte aber erst nach sechs Tagen erfolgen. Inzwischen bestand eine schwere Koagulopathie, während des Eingriffs bildete sich ein Thrombus im rechten Ventrikel. Es kam zum Kreislaufstillstand, den der Patient nicht überlebte.
Ein akutes Leberversagen endet in 30 % der Fälle tödlich, schreiben die Schweizer Ärztinnen. In westlichen Ländern ist eine Paracetamolintoxikation die häufigste Ursache. Aber auch Phytopharmaka können in seltenen Fällen Leberzellschäden verursachen. Da sie sich in den letzten Jahrzehnten einer zunehmenden Beliebtheit erfreuen, wird diese Ursache immer relevanter. Die in Apotheken frei verkäuflichen Mixturen setzen sich trotz identischer Namen oft unterschiedlich zusammen. Welches Kraut für das Leberversagen verantwortlich ist, lässt sich darum oft schwer rekonstruieren. Unter den in diesem Fall eingenommenen Kräutern befanden sich Huang Qin und Zhi Zi – für beide gibt es Fallberichte über eine Lebertoxizität.
Eine Lebertransplantation kann die Mortalität deutlich senken. Allerdings hängt das Outcome von der Qualität des Spenderorgans und dem Zustand des Empfangenden ab. Eine möglichst frühe Überweisung an ein Transplantationszentrum kann daher lebensrettend sein.
Quelle: Van der Lely L et al. Dtsch Med Wochenschr 2025; 150: 359-362; doi: 10.1055/a-2433-1903
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