Bis zur Diagnose eines hereditären Angioödems vergehen oft Jahre
Eine 34-jährige Patientin litt jahrelang unter unklaren Bauchschmerzattacken.
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Heftige Bauchschmerzen, die attackenweise auftraten und nach einigen Tagen wieder abklangen, machten einer Patientin schon seit sieben Jahren zu schaffen. Zur richtigen Diagnose führten das Serum-Komplement C4 und die Abdomen-CT.
Wegen schwerer, krampfartiger, diffuser Bauchschmerzen suchte eine 34-Jährige die gastroenterologische Abteilung der Universitätsklinik Sichuan in Chengdu auf, wie Yifan Jia und ihr Team berichten. Alle sechs Monate traten derartige Episoden auf und hielten drei bis fünf Tage an. Mit Übelkeit, Erbrechen, Diarrhö oder Obstipation waren die Attacken nicht verbunden. Nahrungsaufnahme oder Stuhlentleerung brachten keine Besserung. Das obere Abdomen war druckempfindlich, jedoch ohne Abwehrspannung. Außerdem entdeckten die Kolleginnen und Kollegen bei der Frau juckende Schwellungen beider Handrücken. Der einzig auffällige Laborwert war ein erniedrigter Serumkomplementfaktor C4. Im CT zeigten sich verdickte Wände des Jejunums sowie ein Aszites. Die Patientin berichtete, dass ihr Vater und ihr Bruder unter ähnlichen Attacken litten.
Mangel oder Dysfunktion verursacht Erkrankung
Diese Konstellation genügte den behandelnden Ärztinnen und Ärzten, um eine Verdachtsdiagnose stellen zu können. Sie vermuteten ein hereditäres Angioödem. Die Krankheit ist selten und wird verursacht durch einen Mangel oder eine Dysfunktion des C1-Esterase-Inhibitors (C1-INH). Das Polypeptid spielt eine wichtige Rolle bei der Gerinnungshemmung und bei Entzündungsprozessen. Liegt ein Mangel vor, fällt vermehrt Bradykinin an, was zur Symptomatik des Angioödems führt. Außerdem wird der klassische Komplementaktivierungsweg durch einen C1-INH-Mangel getriggert. In der Folge kommt es zu erniedrigten C4-Spiegeln.
Die Störung wird primär autosomal-dominant vererbt. Ein Viertel der Betroffenen weist jedoch eine erstmals aufgetretene Genvariante auf. Die typischen subkutanen oder submukösen Schwellungen können den Gastrointestinaltrakt, das Gesicht (Lippen und Zunge), die oberen Atemwege (Larynx), die Extremitäten und die Genitalien einbeziehen. Bei 93 % der Patientinnen und Patienten ist der Magen-Darm-Trakt beteiligt. Die Bauchschmerzen können als einziges Symptom auftreten oder von Übelkeit, Erbrechen und Diarrhö begleitet sein. Sehr schwere Schmerzen führen manchmal auf die falsche Fährte einer operationsbedürftigen Störung wie z. B. Darmverschluss. Ein Larynxödem ist lebensbedrohlich, tritt aber nur bei 0,9 % der Attacken auf.
Beweisend für die Diagnose sind erniedrigte Spiegel von C1-INH. Das dafür notwendige Enzym-Immunoassay ist aber nicht überall verfügbar. Deshalb dient die Messung der C4-Spiegel als nützlicher Screeningtest.
Bis die Diagnose gestellt wird, dauert es oft lange, in China vergehen im Schnitt über zwölf Jahre, schreiben die Autorinnen und Autoren. Zur Therapie empfehlen die Leitlinien eine Einzeldosis C1-INH-Konzentrat i. v., den Bradykininrezeptorantagonisten Icatibant s. c. oder den Kallikreininhibitor Ecallantid s. c. Gegebenenfalls können weitere Dosen verabreicht werden. Auch eine Prophylaxe ist möglich, mit C1-INH-Konzentrat, Lanadelumab oder Berotralstat. Im beschriebenen Fall entschied sich die Patientin dafür, bei Attacken Icatibant einzusetzen, was ihr gut half. Auf eine Prophylaxe verzichtete sie.
Quelle: Jia Y et al. JAMA 2025; 334: 728-729; doi: 10.1001/jama.2025.11165
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