Bispezifischer Antikörper als Erhaltung verdoppelt möglicherweise Überlebenszeit

WCLC 2025 Josef Gulden

Die Erstlinientherapie bei ES-SCLC kombiniert Chemotherapie und Immuntherapie, erzielt aber begrenztes Überleben. Die Erstlinientherapie bei ES-SCLC kombiniert Chemotherapie und Immuntherapie, erzielt aber begrenztes Überleben. © Pakawadee – stock.adobe.com

Die leitliniengerechte Erstlinientherapie des ES-SCLC kombiniert platinbasierte Chemotherapie mit Immuntherapie. Da das mediane Überleben nur etwa ein Jahr beträgt, werden Strategien zur Intensivierung von Primär- und Erhaltungstherapie diskutiert.

Am weitesten ist beim fortgeschrittenen kleinzelligen Lungenkarzinom (ES-SCLC) die Entwicklung des bispezifischen T-Zell-Engagers Tarlatamab, der mit dem einen Ende das CD3-Antigen auf T-Lymphozyten, mit dem anderen das Oberflächenantigen Delta-like Ligand 3 (DLL3) bindet. Der Antikörper bringt beide Zelltypen in so engen Kontakt miteinander, dass die T-Zellen die Karzinomzellen lysieren können.

In der Phase-Ib-Studie DeLLphi-303, die Dr. Kelly G. Paulson, Providence-Swedish Cancer Institute, Seattle, nun präsentierte, fand Tarlatamab in der Erstlinienerhaltung Anwendung.1 Ärzt:innen behandelten dabei bisher 88 Patient:innen mit neu diagnostiziertem ES-SCLC. Sie hatten bereits eine gängige Immunchemotherapie durchlaufen und bekamen danach als Erhaltung Tarlatamab (10 mg i. v. alle zwei Wochen) – zusammen mit entweder Atezolizumab oder Durvalumab. 

Nach median 18,4 Monaten ab Beginn der Erhaltung hatten die Patient:innen im Median 35 Wochen lang Tarlatamab erhalten. Die häufigste damit zusammenhängende Nebenwirkung stellte ein Zytokin-Freisetzungssyndrom bei 56 % der Teilnehmenden dar, das aber überwiegend nur Grad 1 erreichte und fast ausschließlich in den ersten drei Monaten auftrat. Ähnliches galt für Fälle von ICANS (Immune effector Cell-Associated Neurotoxicity Syndrome), die insgesamt lediglich 6 % der Betroffenen erlitten. Die Forschenden beschrieben weder dosislimitierende Toxizitäten noch behandlungsbedingte Todesfälle.

Die Überlebenszeit fiel mit median 25,3 Monaten gemäß der Referentin „eindrucksvoll“ aus, gegenüber den 10–15 Monaten, die bisherige Studien berichteten. Das mediane progressionsfreie Überleben erreichte 5,6 Monate. Zwischen den beiden Checkpoint-Inhibitoren ließ sich dabei kein Unterschied erkennen. 

Nach Abschluss der Induktions-Chemoimmuntherapie gab es unter der Erhaltung mit Tarlatamab noch einmal einen zusätzlichen Behandlungseffekt bei 24 % der Patient:innen. Die mediane Dauer der Remissionen lag bei 16,6 Monaten. Für 36 % der Behandelten bestand eine Krankheitskontrolle über mindestens ein Jahr.

Die Zugabe des bispezifischen CD3xDLL3-Antikörpers Tarlatamab, so Dr. Paulson, zeigt damit in diesem fortgeschrittenen Stadium des Kleinzellers nicht nur ein gut handhabbares Sicherheitsprofil. Sie bewirke auch eine anhaltende Krankheitskontrolle und bislang unerreichte Überlebenszeiten.

...Oder doch ein Radionuklid?

SCLC exprimieren als neuroendokrine Tumoren in etwa der Hälfte der Fälle den Somatostatin-Rezeptor Typ 2 (SSTR2), wobei die Höhe der Expression negativ mit der Prognose der Erkrankung korreliert. Dr. Aaron Mansfield, Mayo Clinic, Rochester, stellte erste Resultate einer Phase-1b-Studie mit dem Radiopharmazeutikum RYZ101 vor. Dabei handelt es sich um den Alphastrahler Actinium-225, der an das Somatostatin-Analogon Octreotat gebunden ist und dadurch an SSTR2-positive Tumoren herangeführt werden soll. 

In der Studie wurden bislang 15 SSTR2-positive ES-SCLC-Patient:innen zusätzlich zur Standardtherapie mit RYZ101 behandelt. Die vorläufigen Ergebnisse zur Wirksamkeit ermutigen, so Dr. Mansfield, der Kasuistiken mit deutlichen radiologischen Remissionen präsentierte. Angesichts bislang sehr akzeptabler Sicherheitsdaten werde die Studie mit der Dosisexpansionsphase fortgeführt. 

Quelle:
Mansfield A et al. World Conference on Lung Cancer 2025; Abstract OA13.03

Doppelschlag gegen PD-L1 und die Angiogenese

Ebenfalls in der Erstlinientherapie des ES-SCLC wurde in einer randomisierten Phase-2-Studie, die Prof. Dr. Dr. John V. Heymach, MD Anderson Cancer Center, Houston, vorstellte, ein weiterer bispezifischer Antikörper erprobt: BNT327 oder Pumitamig bindet neben PD-L1 den vaskulären endothelialen Wachstumsfaktor A (VEGF-A).2 So stellt er einerseits die T-Zell-Funktion wieder her und normalisiert andererseits die Blutgefäße des Tumors.

In einer rein chinesischen Phase-2-Studie hatte die Substanz in Kombination mit einer Chemotherapie bereits zuvor Aktivität bewiesen. An der vorliegenden globalen Untersuchung nahmen nun über 100 Patient:innen in Asien, Australien, den USA und Europa teil. In der ersten Kohorte erhielten diejenigen mit nicht-vorbehandeltem ES-SCLC vier Zyklen einer Carboplatin-Etoposid-Chemotherapie und dazu sowie anschließend als Erhaltung Pumitamig. Zwei weitere Kohorten, die nach einer Erst- oder Zweitlinienbehandlung progredient waren, bekamen das Bispezifikum zusammen mit Paclitaxel oder mit Topotecan. Innerhalb jeder dieser Kohorten erfolgte eine Randomisierung zu 20 oder 30 mg/kg Pumitamig alle drei Wochen für bis zu zwei Jahre, sofern nicht eine Krankheitsprogression oder unakzeptable Toxizitäten dazwischen kamen. 

Prof. Heymach stellte jetzt erste Ergebnisse aus der Kohorte zur Erstlinientherapie vor. Von diesen 43 Patient:innen konnte das Team 38 auswerten. 29 davon entwickelten eine partielle oder komplette Remission, während die übrigen zumindest eine Krankheitsstabilisierung erreichten. Die Tumoren schrumpften im Mittel um ungefähr die Hälfte, wobei die niedrigere Dosierung von Pumitamig (20 mg/kg) mit einer bestätigten Ansprechrate von 85 % erfolgreicher schien als die höhere (66,7 %). Das progressionsfreie Überleben betrug mit den beiden Dosierungen im Median 6,3 Monate bzw. 7,0 Monate, die Ansprechdauer lag bei etwa fünf Monaten.

Eine Person unter der niedrigeren und fünf unter der höheren Dosis hatten Nebenwirkungen vom Grad 3 oder höher, die mit Pumitamig in Verbindung gebracht wurden. Ebenfalls sechs brachen die Behandlung aufgrund unerwünschter Ereignisse ab. Die Erstlinientherapie mit Pumitamig untersuchen Fachleute derzeit in der Phase-3-Studie ROSETTA Lung-01 weiter.

Quellen:
1.    Paulson KG et al. World Conference on Lung Cancer 2025; Abstract OA13.01
2.    Heymach JV et al. World Conference on Lung Cancer 2025; Abstract OA13.02

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