
Cartoon Gesundheitspolitik
„Der Dauerbeschuss der Artillerie macht vor nichts und niemandem halt“

Wie das Leben von Medizinerinnen und Medizinern in der vom Krieg gebeutelten Ukraine aussieht, hat Dr. Maryna Yakymenko berichtet. Die gebürtige Ukrainerin lebt mittlerweile in Deutschland und ist im MVZ St. Cosmas in Neubiberg als Fachärztin für Innere Medizin tätig. Sie steht in ständigem Kontakt zu ihren ukrainischen Kolleginnen und Kollegen in ihrer Heimatstadt Charkiw und ist Mitglied der ukrainischen Ärztevereinigung Deutschlands.
„Als Ärztin oder Arzt in einem Kriegsgebiet steht man vor anderen Herausforderungen: Egal ob mitten in einem Kampfeinsatz oder im Zivilbereich – der Dauerbeschuss der russischen Artillerie macht vor nichts und niemandem halt.“ Man gehe durch jeden Tag mit dem Risiko, sein Leben zu verlieren. Russland greife gezielt Kliniken an. Laut WHO-Statistik wurden seit Kriegsbeginn über 1.900 medizinische Einrichtungen in der Ukraine zerstört.
Medizinisches Personal leidet unter Erschöpfungszuständen
In den Kliniken fehle viel Personal. Etliche Menschen haben das Land seit Kriegsbeginn verlassen, darunter auch viele Frauen. „In der Ukraine wird der Beruf der MFA größtenteils von Frauen besetzt. Da diese nun fehlen, mangelt es überall an gut ausgebildeten MFA“, erklärte Dr. Yakymenko. Das medizinische Personal leide auch unter starken Erschöpfungszuständen. Diese werden unter anderem durch den dauerhaften Schlafmangel in Folge der Luftangriffe ausgelöst.
„Die Luftangriffe finden jeden Tag statt, insbesondere im Osten, im Zentrum und im Süden der Ukraine.“ Zivilisten fliehen dann entweder in eine Tiefgarage, in einen Keller oder in die U-Bahnstation. „Deshalb schlafen die Menschen seit drei Jahren im Schnitt nur drei bis vier Stunden pro Tag.“
Die Dienstärztinnen und -ärzte im Krankenhaus müssen während der Luftangriffe nicht nur die medizinische Versorgung der Patientinnen und Patienten gewährleisten, sondern sich auch um deren Evakuierung kümmern. Das gestalte sich bei schwer verletzten und bewegungsunfähigen Menschen als besonders schwierig. „Die Verletzten müssen sehr lange warten, bis sie evakuiert werden. Das verschlechtert ihren Zustand, was wiederum den Behandlungsverlauf erschwert.“
Feiertage sowie geregelte Arbeitszeiten gebe es nicht. „Man arbeitet, solange es nötig ist. Manchmal müssen 10 bis 20 Patientinnen und Patienten auf einen Schlag versorgt werden.“
Ressourcenmangel erschwert die medizinische Versorgung
Auch der dauerhafte Ressourcenmangel erschwere die medizinische Versorgung. Nicht nur Fachpersonal aus der Anästhesie oder qualifizierte Operationsassistentinnen und -assistenten fehlen, sondern auch medizinische Ausrüstung. Durch die Kämpfe an der Front werden die gelieferten Hilfsgüter direkt wieder verbraucht.
Es herrsche auch ein Mangel an Psychotherapeutinnen und -therapeuten sowie psychiatrischer Betreuung. „Die Patientinnen und Patienten kommen mit psychischen Störungen, Traumata und akutem Schlafmangel zuerst zu den Internisten. Es ist sehr wichtig, dass sie überwiesen und weiter betreut werden können.“ Mobile medizinische Teams bekommen dadurch eine immer größere Bedeutung. „Ärzte ohne Grenzen unterstützt hier z. B., indem Teams Patientinnen und Patienten betreuen, behandeln und evakuieren.“
Mittlerweile habe sich auch eine Art Telemedizin herausgebildet. „Eine Umfrage hat gezeigt, dass 75 % der Patientinnen und Patienten, die das Land verlassen haben oder innerhalb der Ukraine umgezogen sind, weiterhin Kontakt mit ihren Hausärztinnen und Hausärzten halten.“ Das geschehe jedoch über Messengerdienste – man müsse beim Thema Datenschutz also ein Auge zudrücken, so Dr. Yakymenko.
„Ich habe meine Kolleginnen und Kollegen vor Ort gefragt, welche Kenntnisse sie gerne vor dem Krieg gehabt hätten. Sie meinten, man könne sich nie zu 100 % auf einen Krieg vorbereiten, aber eine frühzeitige Ausbildung in der Kriegs- und Katastrophenmedizin zu absolvieren, sei ungemein hilfreich für den Ernstfall.“
Vielerorts werden Grundlagen taktischer Medizin vermittelt
Mittlerweile gebe es in der Ukraine viele Initiativen an Schulen, Universitäten und Arbeitsplätzen, bei denen die Grundlagen der taktischen Medizin vermittelt werden. Die Inhalte umfassen die Behandlung von Schusswunden, die Anwendung von Tourniquets, das Management von Atemnot und Blutungen sowie die Organisation von Rettungseinsätzen in unsicheren Umgebungen.
Am Ende ihres Vortrags zeigte Dr. Yakymenko ein Foto eines ukrainischen Pärchens – der Mann kniet vor seiner Partnerin und macht ihr einen Antrag. „Dieses Bild sagt mehr als tausend Worte. Die beiden Personen auf dem Bild stehen für Mut, Hoffnung und Liebe. Denn trotz Verlust und Schmerz geht das Leben weiter. Das sehen wir in der Ukraine jeden Tag. Die Menschen kämpfen, helfen, trösten und sie geben nicht auf.“
Falls Sie diesen Medizin Cartoon gerne für Ihr nicht-kommerzielles Projekt oder Ihre Arzt-Homepage nutzen möchten, ist dies möglich: Bitte nennen Sie hierzu jeweils als Copyright den Namen des jeweiligen Cartoonisten, sowie die „MedTriX GmbH“ als Quelle und verlinken Sie zu unserer Seite https://www.medical-tribune.de oder direkt zum Cartoon auf dieser Seite. Bei weiteren Fragen, melden Sie sich gerne bei uns (Kontakt).
