
Ein Hämatologe führt durch das diagnostische Dickicht

Eine unklare Lymphknotenvergrößerung hat in der Hausarztpraxis eine Prävalenz von ca. 1 %. Von diesen Patienten werden etwa 10 % aufgrund weiterer Hinweise dem Spezialisten vorgestellt, der bei jeder zehnten Lymphknotenexstirpation ein Malignom findet, erklärte Prof. Dr. Karl-Anton Kreuzer, Klinik I für Innere Medizin am Universitätsklinikum Köln.
Eine Eselsbrücke zu den wichtigsten Ursachen liefert das sogenannte MIAMI-Schema. Danach unterscheidet man:
- Malignome, u.a. maligne Lymphome, Leukämien, Metastasen
- Infektionen
- Autoimmunerkrankungen
- Miscellaneous (engl. für: Verschiedenes), etwa Morbus Castlemann, Histiozytose, Iso-Kikuchi-Syndrom, Sarkoidose, Morbus Gaucher
iatrogene Ursachen, z.B. Serumkrankheit oder Medikamente
Was für viele andere Erkrankungen gilt, trifft auf die Lymphadenopathie in besonderem Maße zu, betonte der Hämatologe: Anamnese und Klinik weisen den Weg. Beim Lokalbefund sind nicht nur Ort und Größe der auffälligen Lymphknoten zu erfassen, sondern auch Schmerzhaftigkeit, Konsistenz, Mobilisierbarkeit und Entzündungszeichen. Beim Allgemeinbefund sollte man vor allem auf Leber- und Milzgröße, Fieber und B-Symptome achten. Anamnestisch helfen Angaben zu Haustieren, Auslandsaufenthalten, Zeckenstichen, Sexualverhalten, Drogenmissbrauch sowie zur Einnahme von Medikamenten und zu zurückliegenden Impfungen weiter.
Für ein Malignom sprechen schleichende Progredienz, fehlende Verschieblichkeit und derbe Konsistenz der Lymphknoten sowie das Fehlen von Infektionszeichen. Suspekte Lokalisationen sind die Achseln und die Clavikula. So ist bei supra- oder infraclavikulär tastbaren Lymphknoten an ein Magenkarzinom zu denken. Leber- oder Milzvergrößerung und B-Symptome sind ebenfalls malignomverdächtig. Man sollte die Abflussgebiete bei den verschiedenen Tumoren im Hinterkopf haben, allerdings halten sich die meisten Tumoren nicht an diese Systematik, gab Prof. Kreuzer zu bedenken. Risikofaktoren für einen bösartigen Prozess sind ein Lebensalter über 40 Jahre, männliches Geschlecht, generalisierte Lymphadenopathie und ausbleibende Rückbildung nach acht bis zwölf Wochen.
Indizien für eine Infektion sind rasche Progredienz und Schmerzhaftigkeit, zervikale, nuchale oder inguinale Lokalisation, Fieber und starkes Krankheitsgefühl. Bei entsprechendem Verdacht ist die Liste möglicher Erreger sehr lang. Zur Eingrenzung können gezielte Fragen nach einer möglichen Exposition weiterhelfen, z.B. der Konsum von rohem Fleisch, Zeckenstich, Bluttransfusionen oder eine Tropenreise.
Bei einer Autoimmunerkrankung ist die Lymphadenopathie meist nur gering ausgeprägt, schmerzlos und oft generalisiert. Der Vielzahl möglicher anderer Ursachen nähert man sich durch das Ausschlussprinzip. Letztlich stellen lässt sich die Diagnose nur durch eine Lymphknotenexstirpation. Medikamente, die die Erkrankung iatrogen auslösen können, sind u.a. Allopurinol, Atenolol, Captopril, Carbamazepin, Hydralazin, Penicilline, Cotrimoxazol und Phenytoin.
Im Wesentlichen sind es sechs Fragen, die sich ein Hausarzt bei erstmalig aufgetretenen unklaren Lymphadenopathien stellt. Prof. Kreuzer beantwortete sie folgendermaßen:
Zeitdruck verursachen eher die infektiösen als die malignen Ursachen, betonte Prof. Kreuzer. Prognostisch mache es überhaupt nichts aus, ob man ein Hodgkin-Lymphom oder eine chronische lymphatische Leukämie vier oder acht Wochen früher oder später diagnostiziert. Eine über Wochen unbehandelte Streptokokkeninfektion hingegen könne sehr problematisch werden.
Abschließend warnte der Referent noch davor, Glukokortikoide zu geben. Sie können zum einen eine Infektion verschlimmern, zum anderen die histopathologische Diagnose eines Malignoms oder einer immunologischen Erkrankung erheblich erschweren. Auch die Bestimmung unspezifischer Tumormarker sei keine gute Idee. Sie sind diagnostisch wertlos und tragen zu starker Verunsicherung bei den Patienten bei.
Quelle: 130. Kongress der Deutschen Gesellschaft für Innere Medizin 2024
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