
Entzündlich-rheumatische Erkrankungen im Alter effektiv und sicher therapien

Doch wer Nierenfunktion, Komorbiditäten und Nebenwirkungen berücksichtigt, kann auch bei Betagten die ganze Palette effektiver Wirkstoffe erfolgreich und sicher einsetzen.
Aufgrund von Polypharmazie und Komorbiditäten ist die medikamentöse Therapie geriatrischer Patientinnen und Patienten eine Herausforderung. Hinzu kommt, dass die Immunoseneszenz die Infektanfälligkeit erhöht. Und schlussendlich erschwert die „gealterte“ Pharmakokinetik die Behandlung: Die Muskelmasse nimmt ab, das Fettgewebe zu, wodurch sich das Verteilungsvolumen sowohl für lipo- als auch für hydrophile Wirkstoffe verändert. Besonders zu beachten ist zudem die physiologische Abnahme der Nierenfunktion mit dem Älterwerden. Die Prävalenz einer chronischen Niereninsuffizienz mit einer eGFR < 60 ml/min beträgt bei über 70-Jährigen 47 %, erinnerte Dr. Nils Schulz vom Campus Kerckhoff der Universität Gießen.
Bestandteil fast aller antirheumatischen Therapien sind die analgetisch und antiinflammatorisch wirkenden NSAR. Neben den bekannten gastrointestinalen, kardiovaskulären und nephrotoxischen Effekten gelten sie bei alten Menschen aus zwei weiteren Gründen als suboptimal: Sie steigern das Sturzrisiko und verursachen oder verstärken gerontopsychiatrische Syndrome. Zudem drohen etliche Interaktionen mit anderen Medikamenten, was ein engmaschiges Monitoring von Blutdruck, Nierenwerten und – je nach Wirkstoff – eine Ulkusprophylaxe erforderlich macht (siehe Kasten).
Interaktionen von NSAR und anderen Medikamenten
Werden NSAR gemeinsam mit anderen Medikamenten verabreicht, kann es riskant werden. Zusammen mit Glukokortikoiden steigern NSAR z. B. das Ulkus- und Blutungsrisiko, mit SSRI das gastrointestinale Blutungsrisiko. NSAR schwächen die blutdrucksenkende Wirkung von Betablockern und ACE-Hemmern und erhöhen die Nephrotoxizität von Diuretika, Ciclosporin und Aminoglykosiden. Die Wirkung von Methotrexat (MTX) wird gesteigert. Ohne Anpassung der MTX-Dosis und enge Kontrolle steigt bei gleichzeitiger Gabe von NSAR die MTX-Toxizität an.
Coxibe sind entgegen landläufiger Meinung nicht automatisch verträglicher als die übrigen NSAR. In einer großen Metaanalyse mit 754 Studien haben sie das relative Risiko für gastrointestinale Blutungen verdoppelt, das für vaskuläre Todesfälle um 58 % erhöht. Auch sie sollten deshalb nur mit Bedacht eingesetzt werden, betonte der Rheumatologe.
Ob Erstlinien-, Schub- oder Brückentherapie: Glukokortikoide (GC) sind mit ihrer starken antiinflammatorischen Wirkung aus dem Management rheumatischer Erkrankungen nicht mehr wegzudenken. Aufgrund ihrer akuten und chronischen Nebenwirkungen ist der Einsatz jedoch riskant. Im Langzeitverlauf erhöhen sie das Risiko für osteoporotische Frakturen und kardiovaskuläre Ereignisse. Schwere Infektionen werden ebenfalls begünstigt: In einer Studie mit an rheumatoider Arthritis (RA) erkrankten traten sie sowohl im ersten Behandlungsjahr als auch noch bis zu zwei Jahre nach Absetzen der GC vermehrt auf. Sind Glukokortikoide längerfristig erforderlich, so wird eine Dosisreduktion auf ≤ 5 mg/d empfohlen. Als Grundlage für diese Empfehlung diente die u. a. die GLORIA-Studie mit RA-Betroffenen über 65 Jahre und mindestens zwei Begleiterkrankungen. Verglichen wurden darin zwei Gruppen: Die eine erhielt 5 mg Prednisolon täglich, die andere bekam keine GC. In der Prednisolongruppe verringerten sich Krankheitsaktivität und Erosivität, wobei sich die beiden Gruppen hinsichtlich der Nebenwirkungen nicht signifikant unterschieden. Bis auf eine Ausnahme: Das adjustierte relative Risiko für nicht-schwere Infektionen war unter 5 mg Prednisolon täglich im Vergleich zum GC-freien Therapieregime etwas erhöht (aRR 1,24).
Vier Empfehlungen vor dem Einsatz von Kortison
Bei der Gabe von Glukokortikoiden sind für den Referenten vier der EULAR*-Empfehlungen zum Einsatz mittlerer bis hoher Dosen (> 7,5 mg/d) besonders wichtig:
- Patientinnen und Patienten über das Ziel und die potentiellen Nebenwirkungen aufklären (inklusive Maßnahmen zu deren Minimierung wie Sport, Ernährung, Wundversorgung),
- Risikofaktoren für eine Osteoporose beachten und ggf. therapieren,
- Begleiterkrankungen berücksichtigen (v. a. Diabetes, kardiovaskuläre Erkrankungen, Glaukom) und
- regelmäßig Notwendigkeit und Dosis in Abhängigkeit von Therapieansprechen und Nebenwirkungen überprüfen.
* European Alliance of Associations for Rheumatology
Mit csDMARD, Biologika und tsDMARD erreichen geriatrische Patientinnen und Patienten die gleichen Remissionsraten wie Jüngere. Allerdings kommt es bei ihnen häufiger zu Nebenwirkungen und Therapieabbrüchen, berichtete Dr. Schulz. Vor allem bei eingeschränkter Nierenfunktion ist Vorsicht angebracht: Methotrexat muss bei einer GFR von 30–50 ml/min halbiert werden, unter < 30 ml/min ist die Substanz aufgrund der Gefahr von Myelosuppression und Nephrotoxizität kontraindiziert. Eine GFR < 30 ml/min ist auch bei anderen Wirkstoffen riskant und erfordert eine Dosisreduktion. Bei Sulfasalazin drohen ansonsten Kristallurie und Nephritis, bei Hydroxychloroquin die Retinopathie und bei Ciclosporin Nierenschäden. Leflunomid könnte man – entgegen der Fachinformation – auch bei Niereninsuffizienz einsetzen, sagte Dr. Schulz. Laut aktuellen Studien wird es nicht größtenteils über die Niere metabolisiert.
TNF-Blocker, Abatacept und Tocilizumab sind bei Patienten über 75 Jahre laut einer japanischen Studie vergleichbar wirksam, wobei sich die höchsten Remissionsraten unter der TNF-Blockade zeigten. Allerdings traten unter dieser Therapie auch die meisten Nebenwirkungen auf, insbesondere Infekte, erklärte der Referent. Die Retentionsraten waren unter Abatacept am höchsten, gefolgt von Tocilizumab und TNF-Blockern.
Rituximab unterschied sich in einer Studie mit 367 RA-Betroffenen in seiner Effektivität zwischen über und unter 65-Jährigen ebenfalls nicht signifikant. Allerdings gab es in der älteren Kohorte häufiger Pneumonien und andere schwere Infektionen.
Auch Januskinase-Inhibitoren können bei betagten Patientinnen und Patienten eingesetzt werden. Die alarmierenden Hinweise bezüglich kardiovaskulärer Ereignisse und Malignome aus der ORAL-Surveillance-Studie konnten durch andere Register so nicht bestätigt werden. Laut der Deutschen Gesellschaft für Rheumatologie und klinische Immunologie sind JAK-Inhibitoren für Personen über 65 Jahre und ohne kardiovaskuläre Risikofaktoren nicht riskanter als andere DMARD. Dr. Schulz vermutet zudem, dass die Sicherheitsbedenken weitestgehend ausgeräumt sind. Ein Hinweis darauf ist die Zulassung des JAK-Inhibitors Upadacitinib für die Riesenzellarteriitis – also für eine Erkrankung, die insbesondere bei alten Menschen auftritt. Nichtsdestotrotz muss der Einsatz von JAK-Inhibitoren im älteren Kollektiv und beim Vorliegen von kardiovaskulären Risikofaktoren natürlich kritisch geprüft werden, bekräftigte der Referent.
Quelle: Kongress der Deutschen Gesellschaft für Innere Medizin
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