Fibromyalgie: Diagnose und Behandlung

Dr. Anja Braunwarth

Neben Medikamenten kommen bei der Behandlung von Fibromyalgie auch Verhaltenstherapie sowie Physio- und Sporttherapie zum Einsatz. (Agenturfoto) Neben Medikamenten kommen bei der Behandlung von Fibromyalgie auch Verhaltenstherapie sowie Physio- und Sporttherapie zum Einsatz. (Agenturfoto) © agenturfotografin – stock.adobe.com

Für viele Ärzte ist die Fibromyalgie ein Buch mit sieben Siegeln. Denn so richtig fassen lässt sich diese Entität nach wie vor nicht. An erster Stelle stehen Algesimetrie und die angemessene Differenzialdia­gnostik, die Therapie adressiert die Schmerzverarbeitung.

Pathogenetisch macht man heute eine chronische Hyperirritabilität des zentralen, teilweise auch des peripheren Nervensystems für das Fibromyalgiesyndrom verantwortlich. „Die Erkrankung ist der Prototyp einer zentralen Schmerzverarbeitungsstörung“, erklärte Sanitätsrat Dr. ­Oliver ­Emrich vom Gesundheitszentrum am Bürgerhaus Oppau in Ludwigshafen. 

Im peripheren Nervensystem finden sich Abweichungen in Funktion und Dichte der sogenannten Small Fibers, ähnlich wie sie auch bei metabolischen, entzündlichen oder toxischen Neuropathien zu finden sind. Neurobiologisch liegt eine gestörte Kontrolle der Stressachse zwischen Hypothalamus, Hypophyse und Nebennierenrinde vor, was zu einer inadäquaten Ausschüttung von Cortisol, ACTH* und Wachstumshormon führt. Dazu kommen veränderte schmerzbezogene Neurotransmitterkonzentrationen. 

Das führende Krankheitszeichen sind ausgedehnte Schmerzen in vielen Körperregionen, die die Betroffenen dem Muskel-Sehnen-System zuordnen, ohne dass sich eine orthopädisch oder rheumatologisch fassbare Ursache finden ließe. Hinzu kommen charakteristische Begleitsymptome, die auch Grundlage der Diagnosestellung sein sollten:

  • nicht-erholsamer Schlaf
  • Müdigkeit
  • Beeinträchtigung kognitiver Funktionen (z.B. Gedächtnisstörungen) 
  • zusätzliche körperliche Symptome in der zurückliegenden Woche

Der Check von Tenderpoints findet nach wie vor breite Anwendung, entbehrt aber der wissenschaftlichen Grundlage. Größere Bedeutung haben laut Dr. ­Emrich – neben einer gründlichen Ausschlussdiagnostik auf andere Erkrankungen – Schmerzanalysen, z.B. mit einem Algometer. 

Lindern mit Pharmako-, Physio- und Verhaltenstherapie 

Therapeutisch existiert bis heute kein Königsweg, die Behandlung setzt multimodal an. Medikamentös kommen in erster Linie Antidepressiva zum Einsatz. Die beste Evidenz liegt für Amitriptylin, Duloxetin und Milnacipran vor, darüber hinaus für das Antikonvulsivum Prega­balin. Zum Spektrum gehören zudem kognitive Verhaltenstherapie sowie Physio- und Sporttherapie. Gewisse Effekte zeigten – allerdings in schwachen Studien – Akupunktur, Homöo­pathie und Wärme­behandlung. Muskelrelaxanzien und Opioide sind nicht oder nur selten indiziert (Ausnahme: Tramadol). Auf Cannabino­ide sprechen die Pa­tienten individuell recht unterschiedlich an. 

Verspannungen lösen per Lokalanästhesie

Muskelschmerzen zählen generell zu den häufigsten Schmerzen, betonte Dr. Jakob Emrich aus demselben Ludwigshafener Gesundheitszentrum. Leider versprechen herkömmliche Analgetika nur wenig Erfolg, und von den früher oft hilfreichen Relaxanzien sind kaum noch welche am Markt. Doch häufig finden sich Triggerpunkte, an denen man therapeutisch ansetzen kann, meist über eine Infiltration mit Lokalanästhetika. „Wenn wir diese Punkte anspritzen, erleben viele Patienten eine sofortige Besserung“, berichtete der Schmerztherapeut. Die Substanzen können in unterschiedlichem Ausmaß Myonekrosen verursachen, so Dr. Emrich. Den stärksten Schaden richtet Bupivacain an. Ropivacain gilt als deutlich weniger myotoxisch, Tetracain und Procain führen kaum zu Veränderungen. Generell scheint zu gelten: Je weniger lipidlöslicher eine Substanz, umso geringer die Gefahr. Großen Stellenwert in der Behandlung der Muskelschmerzen räumte der Referent der mechanisch-physikalischen Therapie mit Massage, Wärme, Dehnungsübungen und Akupunktur ein.

* adrenocortikotropes Hormon

Kongressbericht: Deutscher Schmerz- und Palliativtag 2021 – ONLINE

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Neben Medikamenten kommen bei der Behandlung von Fibromyalgie auch Verhaltenstherapie sowie Physio- und Sporttherapie zum Einsatz. (Agenturfoto) Neben Medikamenten kommen bei der Behandlung von Fibromyalgie auch Verhaltenstherapie sowie Physio- und Sporttherapie zum Einsatz. (Agenturfoto) © agenturfotografin – stock.adobe.com