
Hämochromatose-Arthropathie: Klassifikationskriterien sind da

Eine Gelenkbeteiligung bei Hämochromatose bleibt oft unerkannt. Ein neuer Kriterienkatalog soll das ändern und den rheumatologischen Aspekt der Erkrankung ins Blickfeld der Ärztinnen und Ärzte holen. Die hereditäre Hämochromatose gehört zu den häufigsten erblichen Stoffwechselstörungen. Ihre Prävalenz in Nordeuropa beträgt 1 zu 300. Sie beruht auf autosomal-rezessiv vererbten Mutationen des HFE*-Gens, die eine Hepcidindefizienz mit übermäßiger Eisenaufnahme zur Folge haben. Beschrieben wurde die Krankheit 1865 zunächst als sogenannter Bronzediabetes mit pigmentierter Leberzirrhose. Ihren heutigen Namen bekam sie 1889.
Die Gelenkschmerzen sind für Betroffene extrem belastend
Erst ab den 1960er-Jahren realisierte man, dass bei Hämochromatose auch die Gelenke betroffen sind. Inzwischen weiß man, dass Arthralgien neben Fatigue mit zu den belastendsten Beschwerden der Erkrankten gehören, wie Prof. Dr. Patrick Kiely von der St George’s University of London berichtete. Bis heute ist das Wissen zur angeborenen Hämochromatose und der damit einhergehenden Arthropathie begrenzt, sowohl was die Pathogenese als auch was die Therapie anbelangt. Um der Erkrankung mehr Aufmerksamkeit im praktischen Alltag zu verschaffen und um die Forschung voranzubringen, wurden von einer EULAR-Taskforce die ersten Klassifikationskriterien für die Hämochromatosearthropathie erarbeitet. Besonders wichtig war es der Expertengruppe, Merkmale zu definieren, mit deren Hilfe sich die Gelenkbeschwerden von Pseudogicht, Arthrose oder Psoriasisarthritis, den wichtigsten Differenzialdiagnosen zur Hämochromatose abgrenzen lassen.
Auf dem EULAR-Kongress stellte Prof. Kiely die Klassifikationskriterien vor. Um sie im Einzelfall anwenden zu können, müssen bei den betreffenden Patientinnen und Patienten zunächst drei Voraussetzungen erfüllt sein:
- homozygote C282Y-Mutation des HFE-Gens
- Gelenkschmerzen
- Eisenüberladung
Von einer Eisenüberladung ist auszugehen, wenn einer der folgenden Befunde aus der Vergangenheit vorliegt:
- eine Serumtransferrinsättigung ≥ 45 % (mindestens zweimal bestimmt)
- mindestens 16 Aderlässe zur Entleerung der Eisenspeicher
- per Biopsie nachgewiesene übermäßige Eisenablagerungen in der Leber
Sind diese Anforderungen erfüllt, wird anhand von acht Kriterien ein Punktwert ermittelt, um die Gelenkbeschwerden gegebenenfalls als Hämochromatosearthropathie klassifizieren zu können (s. Tabelle). Bei einer Punktzahl ≥ 5 liegt die Spezifität des Verfahrens bei 93,3 %, die Sensitivität beträgt 71,4 %. Die Validierung der Klassifikationskriterien soll in größeren Kohorten erfolgen.
Klassifikationskriterien für Hämochromatosearthropathie | ||
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Merkmal | Punkte | |
Gelenkschmerzen vor dem 50. Lebensjahr | 2 | |
Eisenfaust: unvollständiger Faustschluss durch Eisenablagerungen in Gelenken, in der Folge Gelenkschäden insbesondere an Zeige- und Mittelfinger | 1 | |
unauffällige DIP-Gelenke: ermöglicht Abgrenzung zu Psoriasisarthritis, Pseudogicht und nodaler Osteoarthritis (Heberden-Knoten) | 2 | |
Hüft- oder Sprunggelenk-OP: z. B. Gelenkersatz oder Arthrodese aufgrund von Arthropathie; Eingriffe wegen Verletzungen, Frakturen oder angeborenen Fehlstellungen bleiben unberücksichtigt | nur Sprunggelenk: nur Hüfte: Sprunggelenk und Hüfte: | 2 1 2 |
Druckschmerzempfindlichkeit mindestens eines der MCP-Gelenke 2 bis 5 bei klinischer Untersuchung | 1 | |
Röntgenbild MCP: Gelenkspaltverengung Grad 3 oder subchondrale Zysten | 1 | |
Röntgenbild Sprunggelenk: Gelenkspaltverengung Grad 3 oder subchondrale Zysten* | 1 | |
Röntgenbild: hakenförmige Osteophyten (Knochensporne) an MCP 2 oder 3 oder am Sprunggelenk* | nur MCP 2/3: nur Sprunggelenk: MCP 2/3 und Sprunggelenk: | 1 2 2 |
* bleibt unberücksichtigt, wenn kontralateral eine Sprunggelenksoperation erfolgt ist |
Patientinnen und Patienten für die Forschung melden
Die erforderlichen Befunde lassen sich anhand klinischer Untersuchung und radiologischer Bildgebung recht einfach erheben und mittels der Kriterien einordnen, so der Referent. Damit werde die Zusammenstellung homogener Patientenkollektive für dringend benötigte Studien zum Thema möglich. Prof.Kiely appellierte an seine Fachkolleginnen und -kollegen, passende Patientinnen und Patienten mit Hämochromatosearthropathie für die Forschung zu melden.
*High Fe
Quelle: Kiely P et al. EULAR 2025, POS0558; doi: 10.1136/annrheumdis-2025-eular.B271
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