
Hinter chronischem Pruritus kann mehr stecken als ein Hautproblem

Dass Juckreiz kein triviales Symptom ist, machte Prof. Dr. Thomas Mettang vom Nierenzentrum Wiesbaden deutlich. Chronischer Pruritus könne Ausdruck schwerwiegender systemischer Erkrankungen sein. Zwar liegen in 60 % der Fälle Hautleiden wie atopisches Ekzem, Psoriasis oder Urtikaria zugrunde. Doch bei 40 % der Betroffenen befindet sich der Auslöser jenseits der Haut (s. Tabelle).
Bei unklarer Ätiologie diverse Laborwerte bestimmen
Um sich der Ursache zu nähern, empfahl Prof. Mettang, konkrete Fragen im Zuge der Anamnese abzuklären. Wo, wie oft, wie lange und wie ausgeprägt besteht der Juckreiz? Gibt es einen konkreten Auslöser bzw. hat sich an den Alltagsumständen etwas geändert (z. B. neue Medikamente)? Und falls es Hautveränderungen gibt, wie sehen diese aus? Bei unklarer Ätiologie ist laut S2k-Leitlinie „Diagnostik und Therapie des chronischen Pruritus“ folgende primäre Labordiagnostik indiziert:
- Blutsenkungsgeschwindigkeit und C-reaktives Protein
- Blutbild mit Differenzialblutbild
- Ferritin
- Bilirubin, Transaminasen, γ-GT, alkalische Phosphatase
- Kreatinin, Harnstoff, geschätzte glomeruläre Filtrationsrate, Kalium, Urin-Streifentest
- Blutzucker nüchtern
- Laktatdehydrogenase
- Thyroidea-stimulierendes Hormon
Tappt man weiterhin im Dunkeln, können ein Röntgenbild des Thorax und eine Abdomensonographie Hinweise z. B. auf eine eventuell bestehende maligne Erkrankung geben. Liegt die Kreatinin-Clearance unter 30 ml/min, sollte man an eine Niereninsuffizienz denken. Sie ist ab einem Wert < 15 ml/min und gleichzeitig fehlender Hauterkrankung oder neurologischer bzw. internistischer Begleiterkrankung sogar sehr wahrscheinlich die pruritogene Ursache. Therapeutisch kommen beim urämischen Pruritus Difelikefalin, Gabapentin, Pregabalin, Naltrexon, Naloxon und eine UVB-Lichttherapie infrage.
Klassifikation | Ursachen |
---|---|
chron. Pruritus auf primär veränderter Haut (IFSI* I) | Hauterkrankung |
chron. Pruritus auf primär normaler Haut (IFSI II) |
|
chron. Pruritus mit Kratzveränderungen (IFSI III) | chronische Prurigo, Lichen simplex |
* International Forum for the Study of Itch
Pruritus in der internistisch-hausärztlichen Praxis
Der cholestatische bzw. hepatische Pruritus tritt generalisiert auf und betrifft besonders Handinnenflächen und Fußsohlen sowie Stellen, an denen Kleidung aufliegt. Die Lokalisation kann aber wechseln. Oft verstärken sich die Beschwerden in der Nacht. Kratzen verschafft in der Regel keine Besserung. Prof. Mettang nannte als Medikament der ersten Wahl bei hepatischem Pruritus Colestyramin, gefolgt von Rifampicin und Gabapentin.
Als Beispiel für einen neurologisch bedingten Juckreiz führte der Referent den brachioradialen Pruritus auf. Dieser ist meist auf die Unterarme begrenzt und hat eine brennende oder schmerzende Komponente. Mitunter steckt eine Nervenirritation durch Kompression auf Rückenmarksebene oder der Spinalganglien dahinter. Auch eine Radikulopathie oder eine Polyneuropathie werden als Ursachen vermutet. Therapieversuche bieten sich mit Capsaicin, Carbamazepin oder Gabapentinoiden an.
Wasser als Juckreizauslöser
Als eine Besonderheit klärte Prof. Mettang über den aquagenen Pruritus auf, der meist unmittelbar nach Wasserkontakt beim Baden oder Duschen auftritt. Betroffen ist am häufigsten der Oberkörper, aber auch Beine und Arme können jucken. Oft handelt es sich nicht um eine reine Juckempfindung, sondern eher um ein Stechen, Kribbeln oder Brennen. Triggerfaktoren sind Abrubbeln bzw. -trocknen und Kratzen. Kälte verbessert die Beschwerden häufig. Behandelt wird mit H1-Antihistaminika als erste Wahl, gefolgt von Pregabalin.
Der aquagene Pruritus kann ein frühes Warnsymptom für eine myeloproliferative Grunderkrankung wie Polycythemia vera (PV) sein. In einer Studie mit 441 Personen mit PV hatten 301 Teilnehmende einen aquagenen Pruritus. Bei ca. 65 % trat dieser im Mittel etwa drei Jahre vor der Diagnose auf, jedoch wurden nur 15,4 % bei Neuauftreten des Symptoms hämatologisch untersucht. Diese Grunderkrankung sollte man also bei Patientinnen und Patienten mit aquagenem Juckreiz im Hinterkopf haben, erinnerte der Referent.
Auch Eisenmangel kann beim Pruritus eine Rolle spielen. Bei Menschen mit generalisiertem Juckreiz findet er sich in bis zu 40 %. Aber auch lokalisierten Symptomen, vor allem anogenitalen, kann ein Eisendefizit zugrunde liegen. Eine einfache orale Substitution lindert die Beschwerden in manchen Fällen oder eliminiert sie sogar.
Als häufig übersehene Juckreizauslöser gelten Medikamente, betonte der Referent. Dieser Pruritus basiert vorwiegend auf einer allergischen Reaktion. Zu den häufigsten Verursachern gehören u. a. Amoxicillin, Ampicillin, Acethylcystein und Allopurinol. Daneben gibt es aber auch Substanzen, deren pruritogene Wirkung nicht-allergisch vermittelt wird. Hierzu gehören unter anderem orale Kontrazeptiva (cholestatischer und hepatotoxischer Pathomechanismus), Betablocker (Sebostase auslösend) ACE-Hemmer (cholestatisch) oder Morphin und Fentanyl (neurologisch vermittelt).
Prof. Mettang appellierte daran, bei Bedarf andere medizinische Disziplinen hinzuzuziehen: „Wenn Sie einen schwierigen Fall vor sich haben, immer interdisziplinär denken – den Hautarzt einbringen, eventuell den Neurologen, eventuell die Gastroenterologen. Hier braucht es einfach die Zusammenarbeit der verschiedenen Fachrichtungen.“
Quelle: Medical-Tribune-Bericht
Falls Sie diesen Medizin Cartoon gerne für Ihr nicht-kommerzielles Projekt oder Ihre Arzt-Homepage nutzen möchten, ist dies möglich: Bitte nennen Sie hierzu jeweils als Copyright den Namen des jeweiligen Cartoonisten, sowie die „MedTriX GmbH“ als Quelle und verlinken Sie zu unserer Seite https://www.medical-tribune.de oder direkt zum Cartoon auf dieser Seite. Bei weiteren Fragen, melden Sie sich gerne bei uns (Kontakt).