
Hohe Fehlerquote bei Erstdiagnosen im Rettungsdienst

Schätzungen zufolge ist etwa jeder vierte bis fünfte präklinische Notfall neurologischer Natur. Aber entsprechendes Fachpersonal findet sich im Rettungsdienst äußerst selten: Nur 1,4 % der Ärztinnen und Ärzte mit Fachkundenachweis Rettungsdienst oder der Zusatzbezeichnung Notfallmedizin kommen aus der Neurologie, berichtete Dr. Anne-Sophie Biesalski, Klinik für Neurologie am Katholischen Klinikum Bochum.
Viele Fehldiagnosen bei Bewusstlosigkeit und Anfällen
Doch wann wird neurologische Expertise tatsächlich gebraucht? Dr. Biesalski nannte als mögliche Indikation zunächst die Bewusstlosigkeit. Bei 45–50 % der Betroffenen steckt etwas Neurologisches dahinter – ein Schlaganfall, ein Schädel-Hirn-Trauma oder eine Epilepsie. Die Mortalität bei komatösen Personen ist mit 23,4 % hoch, umso wichtiger ist die richtige Einordnung. Doch einer Studie aus dem Jahr 2021 zufolge stimmt die Verdachtsdiagnose nur in 55 % der Fälle. Dabei schnitten Notärztinnen und Notärzte nicht besser ab als andere Rettungsdienstmitarbeiter.
Bei Anfallsereignissen gibt es generell eine hohe Rate an Fehldiagnosen von 20–30 %, meist aufgrund einer unvollständigen Anamnese. Notärztinnen und Notärzte erkannten sie in einer Untersuchung gerade mal bei 12 % der Patientinnen und Patienten korrekt.
Auch Schlaganfälle sind kein einfaches Thema. Ein Viertel von ihnen beginnt ohne die typischen Symptome, in 26 % der Fälle erfolgt zunächst eine falsch-negative Einschätzung. Vor allem bei Sprech- und Sehstörungen sowie Schwindel oder Übelkeit und Erbrechen wird der Schlaganfall häufig nicht erkannt. Spielt sich der Infarkt in der hinteren Strombahn ab, steigt die Rate der Fehldiagnosen sogar auf mehr als 50 %. Das führt präklinisch zu einem Zeitverlust von durchschnittlich 27 Minuten.
Um die Situation zu verbessern, sprach sich Dr. Biesalski dafür aus, notärztliches und rettungsdienstliches Personal besser für neurologische Akuterkrankungen zu schulen. Umgekehrt sollte aber auch die präklinische Notfallmedizin Bestandteil der neurologischen Ausbildung sein. Und nicht zuletzt gilt, wie praktisch überall: Teamwork pflegen, das heißt, mehr mit dem Rettungsdienst zusammenarbeiten.
Der Status epilepticus hat eine Letalität von 5–30 %
Dr. Leona Möller von der Klinik für Neurologie am Universitätsklinikum Marburg ging auf den Status epilepticus in der Notfallmedizin ein. Der Status ist definiert als ein mindestens fünf Minuten dauernder epileptischer Anfall oder mindestens zwei Anfälle hintereinander, ohne dass die Betroffenen dazwischen wieder ihren neurologischen Ausgangszustand erreichen. Die Inzidenz wird mit 9,9–20/100.000 angegeben, hierzulande geht man von 14.000 Betroffenen pro Jahr aus. Es handelt sich um einen Notfall mit einer Letalität von 5–30 %, betonte die Referentin.
Zu den Erstmaßnahmen gehören die Sicherstellung der Vitalparameter, der Schutz des Kopfes vor Verletzungen, die Gabe von Sauerstoff bei einer Sättigung unter 95 % und das Senken der Temperatur, wenn diese über 37,5 ° liegt. Ist das erledigt, sollte man umgehend mit einer Therapie beginnen, erklärte die Kollegin.
Die Behandlung startet mit Benzodiazepinen. Sind Laien vor Ort, können sie z. B. intrabukkal oder -nasal Midazolam 5–10 mg oder evtl. rektal Diazepam 10–20 mg (max. 30 mg) verabreichen. Der Rettungsdienst greift direkt zur Spritze und appliziert die Substanzen i. v. oder i. m., z. B. Lorazepam i. v. in einer Dosierung von 0,1 mg/kg bis maximal 4 mg als Bolus oder 10 mg Midazolam i. m. bei einem Körpergewicht über 40 kg.
Welches Benzo man nimmt, ist Dr. Möller zufolge egal – Hauptsache, es wird hoch genug dosiert. Studien zeigen, dass die Sedativa häufig nicht in ausreichender Menge gegeben werden, und das vor allem innerklinisch, nicht unbedingt präklinisch. In der zweiten Stufe kommen dann die Anfallssuppressiva zum Einsatz, an denen ebenfalls nicht gespart werden sollte. Hierfür nannte Dr. Möller als Optionen z. B. Valproat 40 mg/kg i.v. (max. 3 g), Levetiracetam 60 mg/kg i.v. (max. 4,5 g) oder Phenytoin 20 mg/kg i. v. (max. 1,6 g).
Quelle: Arbeitstagung Neurointensivmedizin 2025
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