Im Konflikt Führung übernehmen
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Anlässe, um über etwas in Diskurs zu geraten, gibt es viele, wie zum Beispiel die folgenden:
- Zielkonflikt: Wir haben unterschiedliche Ziele. Zum Beispiel möchte in einer Berufsausübungsgemeinschaft (BAG) ein Praxispartner so richtig Gas geben, während andere mehr Wert auf ihre Work-Life-Balance legen.
- Bewertungskonflikt: Wir haben zwar die gleichen Ziele, sind uns jedoch über den Weg zum Ziel nicht einig. Beispielsweise möchte ein Praxispartner in der BAG den Umsatz steigern, indem sie mehr IGeLeistungen in der Praxis erbringt. Die jeweiligen Partner setzen auf verlängerte Öffnungszeiten, IGeLeistungen lehnen sie ab.
- Verteilungskonflikt: Wir kämpfen um knappe Ressourcen. Ein klassisches Beispiel ist die Urlaubsplanung. Um den Praxisbetrieb auch an Brückentagen zu gewährleisten, können nicht alle Urlaub nehmen.
- Rollenkonflikt: Wir haben unterschiedliche Rollenerwartungen. Als Chef haben Sie bestimmte Vorstellungen davon, wie Ihre Mitarbeiter das Materiallager verwalten. Nicht immer ist das neuen Teammitgliedern klar, weil sie es von ihrer bisherigen Praxis anders kennen. Wenn Sie Ihre Vorstellungen nicht explizit äußern, wird es zu Konflikten kommen.
- Wahrnehmungskonflikt: Wir beurteilen eine Situation aufgrund unterschiedlicher Wahrnehmungen anders. So hat z. B. ein Mitarbeiter eine seiner Aufgaben nicht erledigt, was Sie verärgert hat. Der Mitarbeiter konnte die Aufgabe jedoch deswegen nicht erledigen, weil ihm das dafür erforderliche Material gefehlt hat, was Sie wiederum nicht wussten.
- Beziehungskonflikt: Wir fühlen uns durch eine (vermeintliche) Missachtung gekränkt, weil z. B. ein Mitarbeiter morgens nicht freundlich gegrüßt hat. Dabei war besagter Mitarbeiter gedanklich nur gerade bei etwas anderem.
- Wertekonflikt: Wir haben unterschiedliche Wertehierarchien. Zum Beispiel ist Ihnen Pünktlichkeit im Fall der Fälle wichtiger als Qualität. Ihrem BAG-Partner dagegen ist Qualität wiederum wichtiger als Pünktlichkeit.
Immer dann, wenn wir auf unserer Position beharren, können Konflikte eskalieren. Es gilt, sachlich miteinander zu diskutieren, dabei jedoch auf der Beziehungsebene wertschätzend miteinander umzugehen. Wir brauchen die Auseinandersetzung, um den für uns alle jeweils besten Weg zu finden. Hilfreich ist die folgende Haltung: Vielleicht hat der andere eine spannende Perspektive, die wir selbst nicht auf dem Schirm hatten? Das kann helfen, eine offene, tolerante Sicht auf den Konflikt zu entwickeln und auf eine Lösung hinzuarbeiten.
Strategien zum Umgang
Im Umgang mit Konflikten gibt es ganz unterschiedliche Strategien.
- Konfliktvermeidung: Diese Strategie wählen wir in der Hoffnung, dass sich das Problem von selbst löst. Letztlich bleibt dabei jeder mit seinem Anliegen auf der Strecke. Hinzu kommt, dass sich solche Konflikte häufig auf Sicht verschärfen. Beide Parteien verlieren.
- Durchsetzen: Bei dieser Strategie sind wir von unserer Sicht auf die Dinge zu 100 % überzeugt. Eine andere Sicht auf die Dinge interessiert uns nicht. Am Ende gibt es einen Gewinner und einen Verlierer.
- Nachgeben: Das ist das Gegenstück zur Durchsetzungsstrategie. Wir stellen unsere eigenen Interessen zugunsten der anderen Partei zurück. Wir nutzen diese Strategie z. B. wenn wir eher konfliktscheu sind, den anderen für überlegen halten oder auch mal aus strategischen Gründen, weil wir uns dadurch Vorteile für weitere Verhandlungen erhoffen.
- Kompromiss: Jeder Konfliktpartner gibt etwas zugunsten des anderen auf. Damit ein Kompromiss langfristig tragfähig ist, müssen alle Parteien einverstanden sein.
- Kooperative Lösung: Wenn wir verstehen, um was es den einzelnen Konfliktparteien geht, welche Interessen sich hinter dem vordergründigen Anliegen verbergen, werden wirklich kreative Lösungen möglich, die zu einer deutlich besseren Lösung führen. Um diese Informationen herauszufiltern, stellen wir uns gegenseitig die nachstehenden Fragen: Aus welchem Grund möchtest du x? Weswegen möchtest du y nicht?
Gut zu wissen
Die Technik, die hier Anwendung findet, stammt von Marshall B. Rosenberg und wird als Non-violent Communication bezeichnet. Die wörtliche Übersetzung ins Deutsche trifft oft auf wenig Gegenliebe. Insofern spricht man hier auch gerne von achtsamer Kommunikation.
Der Klassiker ist der Streit zweier Kinder um eine Orange. Der Kompromiss führt dazu, dass jeder eine Hälfte bekäme. Wenn man weiß, dass Anna die Orange möchte, um sie zu pressen, und Georg wiederum, um aus den Orangenschalen Schiffchen zu basteln, wird deutlich: Jedes Kind kann seinen Wunsch erfüllt bekommen, wenn die Orange erst halbiert, ausgepresst, der Saft Anna und die verbleibende Schale Georg gegeben wird.
Der Weg zu Win-win
Um zu dieser Win-win-Situation zu gelangen, ist eine sensible Gesprächsführung notwendig: Das beginnt schon beim Gesprächsrahmen. Wir benötigen Ruhe, um ein echtes Gespräch miteinander zu führen, und die mentalen Ressourcen, um offen für unser Gegenüber zu sein. Insofern sollten Konfliktgespräche immer zeitnah, aber mit ausreichend Raum für einen umfassenden Austausch ohne Störungen geplant werden.
Auf das eigentliche Gespräch sollten wir uns sorgfältig vorbereiten und schon einmal uns selbst erforschen. Welche Position vertreten wir? Welche Interessen liegen hinter unserer Position? Um was geht es uns eigentlich? Je klarer wir selbst sind, desto klarer können wir auch kommunizieren.
Dem Gespräch Struktur geben
Sprechen Sie zunächst sachlich das Thema/Problem an. Gehen Sie dann in Vorleistung und fragen Sie nach der Perspektive des anderen: „Was hast du wahrgenommen? Wie geht es dir damit? Welches Bedürfnis steckt dahinter? Was kann ich konkret tun, damit dein Bedürfnis erfüllt wird?“ Manchmal sind es mehrere Aspekte, die sich hinter einem Problem verbergen. Fragen Sie so lange nach, bis Ihr Gegenüber glaubt, Ihnen alles offenbart zu haben. Wiederholen Sie immer mit eigenen Worten, was Sie gehört haben, um sicherzugehen, dass Sie alles korrekt verstanden haben. Durch diese offene Art des Interesses nehmen Sie einem schwelenden Konflikt bereits die Schärfe. Denn wenn Sie sich ausreichend Zeit für den anderen nehmen, entwickelt er selbst das Bedürfnis, auch Ihre Position kennenzulernen. Das resultiert daraus, dass wir ungern in der Schuld anderer stehen. Dieses Prinzip der Reziprozität kennen wir alle aus eigenem Erleben: So bekommen Sie z. B. in der Vorweihnachtszeit von allen möglichen Organisationen Weihnachtskarten, Stifte usw. zugeschickt − in der Hoffnung, dass Sie daraufhin spenden. Offenbar tun das viele, sonst hätte sich dieses Vorgehen nicht über die Jahre hinweg gehalten.
Dann sind Sie an der Reihe und können Ihre eigene Perspektive darstellen: Was haben Sie wahrgenommen? Wie geht es Ihnen damit? Welches Bedürfnis steckt dahinter? Was kann der andere konkret tun, damit Ihr Bedürfnis erfüllt wird? Schieben Sie ergänzend dazu noch die Frage nach, ob Ihr Gegenüber dazu bereit ist. Wichtig ist auch hier sicherzustellen, dass der andere Ihre Position verstanden hat. Fragen Sie daher nach, was beim anderen angekommen ist. Auf diese Art tasten Sie sich Schritt für Schritt an die Lösung heran, die alle Bedürfnisse erfüllt. Wenn Sie sie gefunden haben, gilt es, eine verbindliche Absprache zu treffen. Das ist jetzt nur noch eine Formsache, da die Bedürfnisse aller erfüllt sind.
Nach jedem Gespräch sollten wir das Gespräch noch einmal für uns selbst Revue passieren lassen. Was ist gut gelaufen? Was können wir beim nächsten Mal (noch) besser machen? So lernen wir von Mal zu Mal hinzu. Ist dann einige Zeit ins Land gegangen, sollten wir auch noch einmal mit unserem Konfliktpartner auf die gefundene Lösung schauen: Ist sie nach wie vor tragfähig? Sind wir alle noch damit zufrieden? Falls nicht, können wir nachjustieren.
Autorin:
E-Mail: swoitzik@die-za.de
Erschienen in: DERMAforum, 2021; 25 (5) Seite 4
Dieser Beitrag wurde ursprünglich auf doctors.today publiziert.
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