Individualisierte Dialyse – wie anpassen?

Elke Klug

Schon vor elf Jahren stellten Kalantar-Zadeh et al., das Konzept der inkrementellen Hämodialyse vor dem Hintergrund vor, dass vor allem in den ersten Monaten der Dialyse die Mortalität hoch ist und die residuale Nierenfunktion ein Mortalitätsprädiktor ist. Schon vor elf Jahren stellten Kalantar-Zadeh et al., das Konzept der inkrementellen Hämodialyse vor dem Hintergrund vor, dass vor allem in den ersten Monaten der Dialyse die Mortalität hoch ist und die residuale Nierenfunktion ein Mortalitätsprädiktor ist. © deepagopi2011 - stock.adobe.com

Im Rahmen des Berliner Dialyseseminars im Dezember 2024 zeigte PD Dr. med. Georg Schlieper, Hannover, wie mittels inkrementeller und dekrementeller Dialyse eine individuelle Behandlung möglich sein kann.

Mit der in Deutschland zunehmend älter werdenden Bevölkerung wächst die Anzahl chronisch nierenkranker Menschen, die eine Nierenersatztherapie benötigen. Die meisten Patienten werden in einem Dialysezentrum dreimal wöchentlich mit Hämodialyse (HD) behandelt. Bei einer noch vorhandenen Restausscheidung kann individuell mit einem inkrementellen Ansatz die Dialyse begonnen werden.

Inkrementelle Dialyse: Patientenzentrierter Ansatz

Inkrementelle Dialyse unter Berücksichtigung bei noch erhaltener Restnierenfunktion, d. h. anfangs mit geringerem Behandlungsschema und -volumen, sei bei der PD „eigentlich bereits ein etabliertes Konzept“, konstatierte Schlieper. Es gebe dazu wissenschaftliche Fachartikel, sie werde angewandt und man sehe keine Nachteile für die Patienten, auch wenn nur wenige Daten publiziert sind. Eine Metaanalyse [1], die die Mortalität bei inkrementeller PD vs. „Standard-PD“ untersuchte, zeigte kein erhöhtes Risiko bei Patienten mit inkrementellem Dialysebeginn.

Inkrementelle Hämodialyse (iHD) − Die Studienlage

Schon vor elf Jahren stellten Kalantar-Zadeh et al. [2], das Konzept der inkrementellen Hämodialyse vor dem Hintergrund vor, dass vor allem in den ersten Monaten der Dialyse die Mortalität hoch ist und die residuale Nierenfunktion ein Mortalitätsprädiktor ist. Zudem gibt es Hinweise, dass die restliche Nierenfunktion mit Dialyse schneller verloren geht. Die Autoren schlagen neun Kriterien vor, von denen Punkt 1 und weitere fünf erfüllt sein müssen und monatlich zu kontrollieren sind:

1. Mehr als 500 ml Ausscheidung pro Tag muss immer erfüllt sein. Aus den restlichen Kriterien mindestens 5:

2. Weniger als 2,5 kg Gewichtszunahme zwischen den Dialysen

3. Klinisch stabil

4. Passendes Körpergewicht

5. Kein Kalium

6. Phosphat-Problem

7. Guter Ernährungszustand

8. Hb >8 g/dl

9. Lebensqualität

Mariana Murea & Kamyar Kalantar-Zadeh [3] adressieren bezüglich der iHD noch offene Fragen, z. B. ob das Outcome durch die inkrementelle Dialyse verbessert wird oder wie die Adhärenz der Patienten ist, wenn sie statt zweimal dreimal pro Woche dialysiert werden.

In eine Metaanalyse mit 36 Observationsstudien sind fast 139.000 Patienten eingegangen [4]. Diese Analyse zeigt, dass die iHD sicher ist und im Vergleich zur konventionellen HD die Hospitalisierungsrate und den Verlust von RKF verringert. Darüber hinaus könne die iHD bei entsprechend ausgewählten Patienten die kardiovaskulären Ergebnisse und die Mortalität verbessern.

Zwei kleinere RCT [5] und [6] unterstützen die Umsetzbarkeit des Konzepts der iHD. Darauf basierend müssen nun größere randomisiert kontrollierte Studien, wie sie z. B. mit der TwoPlus Trial1, INCH-HD2 oder IncHVets3 z. T. bereits initiiert sind oder laufen, die Sicherheit und Wirksamkeit dieses Ansatzes bestätigen.

Im aktuell gültigen Dialysestandard (letzte Version 2022) noch nicht enthalten, entspräche es durchaus den Wünschen und Bedürfnissen vor allem der älteren Patientinnen und Patienten, die inkrementelle Dialyse zumindest als Option in die Empfehlungen zu integrieren, erklärte Professorin Christiane Erley, stellv. Vorsitzende der Kommission Dialysestandard, in der Diskussion. Sie verwies auf die Bemühungen der DGfN, den kontinuierlichen Aktualisierungsprozess des Dialysestandards zu steuern. „Hierbei sollten wir die inkrementelle Dialyse unbedingt im Blick behalten“, betonte Erley.

Dekrementelle Dialyse

Zur Möglichkeit einer Reduktion der CKD-Standardbehandlung bis zum gänzlichen Verzicht auf die Dialyse ist die Studienlage überschaubar. Schlieper verweist auf die oben genannte Übersichtsarbeit von Murea zum Präzisionsmedizinischen Ansatz für die Dialyse, einschließlich inkrementeller und dekrementeller Dialyseschemata. Dort beschreibt die Autorin ‚dekrementelle Dialyse‘ als Behandlungsoption für Patienten mit einer End Stage Kidney Disease (ESKD), um den Übergang zur konservativen Therapie z. B. zur Sterbebegleitung in der Palliativphase zu erleichtern.

Einen Hinweis darauf, dass dekrementelle Dialyse nicht nur auf End Stage/palliative Dialyse fokussiert ist, gibt auch eine französische Studie [7], die bei 158 Patienten iHD (57,6 %), Standard HD (33,5 %) und dHD (8,9 %) verglich. Sie zeigte nicht nur, dass die iHD einen sicheren Beginn der Dialysebehandlung darstellen kann, sondern auch, dass der Wechsel von Patienten, die normal dreimal wöchentlich mit der Dialyse begonnen und im Verlauf auf zweimal pro Woche reduziert hatten (n=14), nicht mit einem schlechteren Outcome verbunden war.

Konventionelle HD, iHD oder dHD?

Es sind sehr individuelle Entscheidungen. Wichtig sei auch hier eine sehr sorgfältige Selektion der Patienten, betonte Schlieper. Vor diesem Hintergrund sind zu dieser Problematik bessere belastbare Studiendaten zu generieren.

Palliativ-Dialyse

Eine palliative Dialyse kann erwogen werden, um in einem palliativen Setting die Sterbephase für alle Beteiligten zu erleichtern und diese Zeit für die Patientin/den Patienten so wenig belastend wie möglich zu gestalten. In einem palliativen Setting kann mit nur „noch unbedingt notwendiger“ Dialyse, z. B. Ultrafiltration, von den Zielen traditioneller Kriterien wie Trockengewicht, Kt/V und Serum abgewichen und die Symptomlinderung in den Fokus gerückt werden. Das wichtigste Symptom, das damit verbessert werden kann, ist Dyspnoe, die entweder durch Hypervolämie oder Azidose verursacht wird [8].

Anhand des Beispiels eines 96-jährigen Patienten zeigte Schlieper, dass auch, im Einvernehmen mit dem Betroffenen und der Familie, ein Dialyseabbruch im palliativen Setting und mit entsprechender palliativer Unterstützung ein mögliches Szenario sein kann, um am Ende des Lebens eine bestmögliche Lebensqualität zu ermöglichen.

Abschließend empfahl Schlieper zum Thema Inkrementelle Dialyse die Lektüre der Pro & Contra Debatte „Incremental dialysis: two complementary views“ [9], in der Francesco Casino und Mariana Murea den heutigen Wissensstand zum Konzept der inkrementellen Dialyse diskutieren.

Eine Übersicht zu Kriterien, die man zur Hilfe nehmen kann, um geeignete Patienten auszuwählen und über die Anpassung der Dialysedosis mit ihnen zu sprechen, finden Interessierte in der Arbeit „A practical approach to implementing incremental haemodialysis“ von Butt U et al. [10].

Quelle: Vortrag von PD Dr. Georg Schlieper, Hannover „ Incremental – und decremental Dialyse“ im Rahmen des Berliner Dialyseseminars 2024 am 07.12.2024 in Berlin, georg.schlieper@dialyse-hannover.de

1 TwoPlus Trial Comparative Effectiveness of an Individualized Model of Hemodialysis versus Conventional Hemodialysis twoplustrial.org/home
2 INCH-HD The INCremental dialysis to improve Health outcomes in people starting Haemodialysis (INCH-HD) study: a randomised controlled trial aktn.org.au/inch-hd/
3 IncHVets Incremental Hemodialysis for Veterans in the First Year of Dialysis (IncHVets) (INCHVETS) https://ctv.veeva.com/study/incremental-hemodialysis-for-veterans-in-the-first-year-of-dialysis-inchvets

Literatur

1. Xu et al. BMC Nephrology 2024;25:338

2. Kalantar-Zadeh K et al. Twice-weekly and incremental hemodialysis treatment for initiation of kidney replacement therapy. Am J Kidney Dis. 2014 Aug;64(2):181-6. DOI: 10.1053/j.ajkd.2014.04.019. Epub 2014 May 17. PMID: 24840669; PMCID: PMC4111970

3. Murea M, Kalantar-Zadeh K. Incremental and Twice-Weekly Hemodialysis Program in Practice. Clin J Am Soc Nephrol. 2021 Jan;16(1):147-149

4. Takkavatakarn K et al. Incremental versus conventional HD in end-stage kidney disease: a systematic review and meta- analysis. Clin Kidney J. 2023 Nov 8;17(1):sfad280

5. Vilar E et al. A multicenter feasibility randomized controlled trial to assess the impact of incrementel versus conventional initiation of HD on residual kidney function. Kidney Int. 2022 Mar;101(3):615-625

6. Murea M et al. Twice-Weekly Hemodialysis With Adjuvant Pharmacotherapy and Transition to Thrice-Weekly Hemodialysis: A Pilot Study. J Kidney Dis . 2022 Aug;80(2):227- 240.e1

7. Torreggiani M et al. Incremental and Personalized Hemodialysis Start: A New Standard of Care. Kidney Int Rep. 2022 Feb 19;7(5):1049-1061

8. Romano T G, Palomba H. Palliative dialysis: A Change of Perspective. J Clin Med Res 2014 Aug;6(4):234-8

9. Casino DFG, Murea M, Floege MJ, Zoccali C. Incremental dialysis: two complementary views. Clin Kidney J. 2024 Feb 5;17(2):sfae020. DOI: 10.1093/ckj/sfae020. PMID: 38404364; PMCID: PMC10894032

10. Butt U et al. A practical approach to implementing incremental haemodialysis. J Nephrol. 2024 Sep;37(7):1791- 1799

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Schon vor elf Jahren stellten Kalantar-Zadeh et al., das Konzept der inkrementellen Hämodialyse vor dem Hintergrund vor, dass vor allem in den ersten Monaten der Dialyse die Mortalität hoch ist und die residuale Nierenfunktion ein Mortalitätsprädiktor ist. Schon vor elf Jahren stellten Kalantar-Zadeh et al., das Konzept der inkrementellen Hämodialyse vor dem Hintergrund vor, dass vor allem in den ersten Monaten der Dialyse die Mortalität hoch ist und die residuale Nierenfunktion ein Mortalitätsprädiktor ist. © deepagopi2011 - stock.adobe.com