Insekten und Arzneimittel sind häufigste Auslöser der anaphylaktischen Reaktion

Maria Weiß

Aus Zeitgründen soll die Gabe von Adrenalin intramuskulär am lateralen Oberschenkel erfolgen. Aus Zeitgründen soll die Gabe von Adrenalin intramuskulär am lateralen Oberschenkel erfolgen. © Christian – stock.adobe.com

Der anaphylaktische Schock als schwerste Ausprägung der allergischen Sofortreaktion ist immer potenziell lebensbedrohlich, weil er den gesamten Organismus betrifft. Die möglichst rasche Applikation von Adrenalin ist nach wie vor die wichtigste Maßnahme.

Die Inzidenz schwerer allergischer Reaktionen scheint in den letzten Jahren zugenommen zu haben, während die Mortalitätsraten in etwa gleich geblieben sind. Da eine Anaphylaxie vor allem außerhalb der Klinik nicht immer als eigentliche Todesursache erkannt wird, ist die Dunkelziffer wahrscheinlich hoch, schreiben Prof. Dr. Sascha David und Dr. Alix Buhlmann, beide vom Universitätsspital Zürich.

Häufigster Auslöser bei Erwachsenen sind Insektenstiche (52 %). Am zweithäufigsten tritt die Reaktion nach Medikamenteneinnahme auf (22 %). Hierunter haben Analgetika den größten Anteil (44,2 %), gefolgt von Antibiotika (21,5 %) und Lokalanästhetika (9,6 %). Kontrastmittel bei schweren arzneimittelbedingten Reaktionen machen nur einen Anteil < 5 % aus. Im Kindesalter führen bei den Auslösern Nahrungsmittelunverträglichkeiten (60 %) z. B. gegen Eier, Kuhmilch, Erdnuss und Krustentiere – Insektenstiche sind nur bei etwa jedem fünften Kind der Grund für die Anaphylaxie.

Diagnostisch kann in unklaren Fällen die Bestimmung der Tryptase im Serum ein bis drei Stunden nach Beginn der Symptome herangezogen werden. Liegt der Wert gegenüber dem Basalwert deutlich höher, spricht das für eine Anaphylaxie. Wenn möglich, sollte anamnestisch nach bekannten Allergien, Medikamenten, Patientenhistorie, der letzten Mahlzeit und anderen potenziell relevanten Ereignissen gefragt werden. In einigen Fällen berichten Betroffene auch von Prodromi:

  • brennendes Gefühl an Hand- und Fußinnenflächen bzw. im Genitalbereich
  • Angst
  • Kopfschmerzen
  • metallischer Geschmack
  • Unruhe (bei Kleinkindern) 

Anaphylaxiesymptome können sofort auftreten oder verzögert, gleichzeitig oder nacheinander. Auch ist ein spontanes Sistieren einzelner Beschwerden möglich – oder ein Fortschreiten trotz adäquater Therapie. Unterschieden werden die Grade je nach betroffenem Organsystem, in dem das gravierendste Symptom auftritt:

  • Haut (1): Symptome wie Erythem, Flush oder Urtikaria, die nicht nur exponierte Hautstellen betreffen
  • Gastrointestinalsystem (2): leichte Beschwerden wie Übelkeit, Erbrechen und/oder Atemwege mit leichten respiratorischen Symptomen (z. B. Rhinorrhö, Dyspnoe)
  • Obere Luftwege (3): progrediente Symptomatik mit Schwellung von Uvula und Zunge oder Larynxödem mit kloßiger Sprache, Dysphagie oder inspiratorischem Stridor. Bei Kindern und Jugendlichen ist in diesem Stadium ein Bronchospasmus möglich. Dadurch kann es zu einer systemischen Vasodilatation mit Permeabilitätsstörungen und nachfolgender Hypovolämie kommen. Vasoplegie und Hypovolämie führen dann zu einer Schocksymptomatik.
  • Kreislauf (4): Atem- oder Kreislaufstillstand

Erfolgt die Adrenalingabe i. v., wird schrittweise auftitriert

Adrenalin hat als Akuttherapeutikum eine mastzellenstabilisierende Wirkung und kann den Pathomechanismus über Aktivierung der Alpha- und Beta-Rezeptoren aufheben. Aufgrund der Zeitnot wird es direkt in den Oberschenkelmuskel gegeben, ggf. alle 5–10 min. Die Dosierung beträgt 0,5 mg bei Erwachsenen, 0,3 mg bei Sechs- bis Zwölfjährigen und bei Kindern unter sechs Jahren 0,15 mg. Gelingt keine direkte Stabilisierung oder droht die Person zu dekompensieren, sollte man einen i. v.-Zugang legen und die Applikation ggf. umstellen. Laut den Autoren wird in einem solchen Fall schrittweise mit 1 μg/kg titriert. Bei Kreislaufstillstand gibt man gemäß einer leitliniengerechten Reanimationsmaßnahme 1 mg Boli i. v. (Kinder 0,01 mg/kg) alle 3–5 min.

Die Ruhe vor dem Sturm

Vor einer Anaphylaxie haben die Betroffenen bereits im Rahmen einer Sensibilisierung beim Erstkontakt mit dem Allergen antigenspezifische IgE-produzierende Plasmazellen gebildet. Wird das IgE erneut mit dem Allergen konfrontiert, kommt es zu einer raschen Freisetzung von Histamin, Prostaglandinen, Leukotrienen, Tryptase, plättchenaktivierendem Faktor (PAF), Heparin, Proteasen, Serotonin und Zytokinen aus Mastzellen und basophilen Granulozyten. Histamin und Tryptase gelten als führend bei der Vermittlung der anaphylaktischen Reaktion. Prädisponierende Erkrankungen für eine therapierefraktäre Reaktion können PAF-Acetyl-Hydrolase-Mangel, hereditäre Alpha-Tryptasämie oder Mastozytose sein.

Komorbiditäten wie Asthma, kardiale Erkrankungen und Schilddrüsenerkrankungen sind mit einem generell größeren Anaphylaxierisiko assoziiert – genauso wie höheres Alter, männliches Geschlecht und erhöhte IgE-Spiegel. Körperliche und psychische Belastung, Infektionen und Alkohol können als Augmentationsfaktoren die Auslösung begünstigen, ACE-Hemmer und Betablocker entgegen früherer Annahmen dagegen nicht. 

Seit Oktober 2024 ist auch ein Adrenalinspray für die Anwendung bei anaphylaktischen Reaktionen auf dem Markt, das es aber noch nicht in die Leitlinien geschafft hat. Bei Larynxödem kann Adrenalin zusätzlich über einen Vernebler (3–5 ml à 1 mg/ml) verabreicht werden.

Nach Stabilisierung folgen Volumen- und Sauerstoffgabe

Zudem sind eine rasche Volumensubstitution (i. v. oder i. o.) mit balancierter Voll-Elektrolytlösung und eine Sauerstoffgabe erforderlich. Wegen ihres verzögerten Wirkeintritts von rund 20 bzw. 60 min. erfolgt die Therapie mit Antihistaminika (Clemastin 0,05 mg/kg oder Dimetinden 0,1 mg/kg) und Glukokortikoiden (> 60 kg: 250–1.000 mg Prednisolon) erst unmittelbar nach Stabilisierung der Vitalparameter. Bei jeder anaphylaktischen Reaktion muss nach umfassender Aufklärung ein Allergiepass ausgestellt und ein Notfallset mit Adrenalin-Autoinjektor, H1-Antihistaminikum und Glukokortikoiden verordnet werden.

Quelle: David S, Buhlmann A. Dtsch Med Wochenschr 2025; 150: 342-346; doi: 10.1055/a-2288-2323

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Aus Zeitgründen soll die Gabe von Adrenalin intramuskulär am lateralen Oberschenkel erfolgen. Aus Zeitgründen soll die Gabe von Adrenalin intramuskulär am lateralen Oberschenkel erfolgen. © Christian – stock.adobe.com