Management der antirheumatischen Therapie bei Krebsüberlebenden

Dr. Sonja Kempinski

Sowohl rheumatische Erkrankungen selbst als auch antiinflammatorische Therapien können Malignome begünstigen. (Agenturfoto) Sowohl rheumatische Erkrankungen selbst als auch antiinflammatorische Therapien können Malignome begünstigen. (Agenturfoto) © Halfpoint – stock.adobe.com

Die antirheumatische Therapie bei Krebs in der Vorgeschichte ist eine heikle Angelegenheit. Zwar steigt das Malignomrisiko durch etliche antiinflammatorische Wirkstoffe, aber auch durch eine erhöhte Krankheitsaktivität. Eine Taskforce gibt Empfehlungen zum praktischen Vorgehen.

Aufgrund der Überalterung der Gesellschaft und der Fortschritte in der Onkologie gibt es immer mehr Menschen, die eine Krebserkrankung überleben. Kommt es bei ihnen zu einer entzündlich-rheumatischen Erkrankung, stehen die behandelnden Ärztinnen und Ärzte vor einer großen Herausforderung. Denn sowohl rheumatische Erkrankungen selbst als auch antiinflammatorische Therapien können Malignome begünstigen. Vor diesem Hintergrund fällt es im Praxisalltag oft schwer, Nutzen und Risiken einer neuen oder ggfs. einer wieder aufzunehmenden antiinflammatorischen Therapie gegeneinander abzuwägen. Studiendaten gibt es zu diesem Thema bisher kaum, auch Expertenwissen ist rar.

Diese Regeln gelten für alle Empfehlungen

  • A Die erarbeiteten „Points to consider“ basieren auf den EULAR-Empfehlungen zum Management entzündlich-rheumatischer Erkrankungen. Sie konzentrieren sich auf die spezifischen Aspekte im Kontext einer Krebserkrankung in der Vorgeschichte und stimmen mit den aktuellen EULAR-Empfehlungen für die RA, die Spondyloarthritis und die Psoriasisarthritis überein.
  • B Die Taskforce macht in diesen Empfehlungen keinen Unterschied, ob ein Malignom neu oder wiederkehrend auftritt. Alle sieben Punkte betreffen Patientinnen und Patienten, die erfolgreich gegen Krebs behandelt wurden und in Remission sind, wenn über die antirheumatische Therapie diskutiert wird.
  • C Das individuelle Risiko eines Krebsrezidivs muss basierend auf den Charakteristika (Lebensstil etc.), der Krebserkrankung (Art, Histologie, Stadium etc.) und der zugrunde liegenden entzündlich-rheumatischen Erkrankung bewertet werden.
  • D Verantwortlich für das Management bei Menschen mit entzündlich-rheumatischer Erkrankung und Krebs in der Anamnese ist die Rheumatologin bzw. der Rheumatologe.
  • E Die Behandlung soll auf die bestmöglichen Ergebnisse abzielen und auf Basis einer gemeinsamen Entscheidungsfindung erfolgen.

Eine 27-köpfige Taskforce der EULAR* um Dr. Eden Sebbag vom Universitätsklinikum Straßburg hat sich jetzt der Problematik angenommen und nach einer umfangreichen Literaturrecherche Empfehlungen erarbeitet. Gesucht wurde zunächst nach Daten von Menschen, die aufgrund einer rheumatoiden Arthritis (RA), einer Spondyloarthritis oder einer Psoriasisarthritis eine zielgerichtete Therapie erhielten und eine Krebserkrankung in der Vorgeschichte hatten. Nach Analyse entsprechender Publikationen (2010 bis 2022) formulierte die Taskforce vier übergeordnete Prinzipien und folgende „Points to consider“:

  1. Entzündlich-rheumatische Erkrankungen sollten prinzipiell effektiv behandelt werden, um das durch die chronische Entzündung ohnehin erhöhte Krebsrisiko zu reduzieren. Beispielsweise ist das erhöhte Lymphomrisiko bei RA mit der Krankheitsaktivität der Arthritis assoziiert, nicht aber mit der Verwendung von DMARD.
  2. Die mit einer Therapie verbundene Malignomgefahr muss gegen das Risiko einer unzureichenden Therapie abgewogen werden. Die Taskforce weist diesbezüglich auf die starke Einschränkung der Lebensqualität durch irreversible Gelenkschäden hin sowie auf das durch die chronische Inflammation erhöhte kardiovaskuläre Risiko.
  3. Fachärztliches Personal der Rheumatologie, der Onkologie und anderer medizinischer Bereiche sollte eng zusammenarbeiten, um rheumatisch Erkrankte mit Krebs in der Vorgeschichte global zu behandeln. Onkologinnen und Onkologen kommt durch die Expertise zu krebsspezifischen prognostischen Faktoren eine besondere Rolle im Co-Management zu.
  4. Die zielgerichtete antirheumatische Therapie ist bei einem Malignom in Remission ohne Verzögerung einzuleiten. In Studien mit einem Behandlungsstart weniger als fünf Jahre nach Krebsdiagnose führte dieses Vorgehen im Vergleich zu klassischen DMARD zu keinem signifikanten Anstieg des Krebsrisikos.
  5. JAK-Inhibitoren und Abatacept sollten nur mit Vorsicht und bei Mangel an Alternativen angewendet werden. Die Taskforce betont, dass zu diesen Wirkstoffen weitere Daten gesammelt werden müssen – auch, weil sie u. a. das Risiko für schwere Infektionen erhöhen.
  6. Ist bei Patientinnen und Patienten mit solidem Tumor in der Vorgeschichte eine antirheumatische Therapie angezeigt, können TNF-Blocker gegenüber anderen Optionen wie csDMARD bevorzugt werden. Die Favorisierung gegenüber Inhibitoren von Interleukin(IL)-6, IL-12/23 und IL-23 beruht auf der Stärke der Evidenz zur TNF-Inhibition, nicht auf spezifischen Sicherheitsbedenken. Insgesamt sind die Daten zu Interleukin-Inhibitoren begrenzt.
  7. Bei Lymphomen in der Vorgeschichte kann eine B-Zell-Depletion gegenüber anderen Optionen vorgezogen werden. Zu dieser Thematik gibt es allerdings noch erhebliche Wissenslücken, die durch weitere Forschung aufzuarbeiten sind.

Rheumamedikation und Krebs

Glukokortikoide und konventionelle DMARD wie Methotrexat und Azathioprin erhöhen vermutlich das Risiko für nicht-melanozytären Hautkrebs. Auch zwischen Biologika/tsDMARD und Krebs gibt es mutmaßliche Assoziationen, die bisher wenig verstanden sind. Zum Beispiel spielt bei der Pathogenese einiger Malignome der TNF-α-Signalweg eine Rolle. Dem Zytokin wird sowohl ein schützender als auch ein aktivierender Effekt zugeschrieben. Interleukin-6 wiederum stimuliert die Proliferation von Tumorzellen direkt und regt beim malignen Melanom die Angiogenese an.

B-Zellen haben je nach Malignom unterschiedliche Bedeutung. Bei B-Zell-Lymphomen ist ihre Depletion entscheidender Bestandteil der onkologischen Therapie. Bei soliden Tumoren tragen B-Zellen dagegen zur antitumoralen Immunität bei: Ihre Präsenz in peritumoralen Keimzentren gilt als Prädiktor für ein besseres Überleben.

CTLA4*-Ig-Fusionsproteine wie Abatacept hemmen die Immunantwort und haben deshalb Eingang in die Behandlung der rheumatoiden Arthritis gefunden. Antikörper gegen CTLA4 verstärken dagegen die T-Zell-Aktivierung und die Immunantwort, weshalb sie in der Onkologie gegen fortgeschrittene solide Tumoren wie das Nierenzellkarzinom oder das Melanom eingesetzt werden.

* zytotoxisches T-Lymphozyten-assoziiertes Protein 4

Einen Sonderfall stellen rheumatische Patientinnen und Patienten dar, deren Krebserkrankung sich nicht in Remission befindet. Denn wie sich zielgerichtete Therapien und konventionelle DMARD auf das Überleben von Menschen mit aktivem oder schwelendem Tumorleiden auswirken, ist nach wie vor nicht geklärt. Die Entscheidung soll daher gemeinsam mit den Betroffenen und den behandelnden rheumatologischen und onkologischen Expertinnen und Experten getroffen werden. Aufgrund der unklaren und raren Daten lassen sich generelle Empfehlungen nicht ableiten.

* European Alliance of Associations for Rheumatology

Quelle: Sebbag E et al. Ann Rheum Dis 2025; 84: 388-397; DOI: 10.1136/ard-2024-225982

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Sowohl rheumatische Erkrankungen selbst als auch antiinflammatorische Therapien können Malignome begünstigen. (Agenturfoto) Sowohl rheumatische Erkrankungen selbst als auch antiinflammatorische Therapien können Malignome begünstigen. (Agenturfoto) © Halfpoint – stock.adobe.com