Medikationsberatung - „Man sollte gut zusammenarbeiten“

Nicole Finkenauer

Seit Jahrzehnten setzt sich der Apotheker Manfred Krüger für die pharmazeutische Versorgung von Menschen mit Diabetes und für eine bessere Kooperation zwischen Arztpraxis und Apotheke ein. Seit Jahrzehnten setzt sich der Apotheker Manfred Krüger für die pharmazeutische Versorgung von Menschen mit Diabetes und für eine bessere Kooperation zwischen Arztpraxis und Apotheke ein. © Vitalii - stock.adobe.com

Seit Jahrzehnten setzt sich der Apotheker Manfred Krüger für die pharmazeutische Versorgung von Menschen mit Diabetes und in diesem Zusammenhang für eine bessere Kooperation zwischen Arztpraxis und Apotheke ein – u. a. in der DDG Kommission Apotheker in der Diabetologie (BAK/DDG).

Seit 1998 gibt es in der DDG eine Kommission, in der Apothe-ker*innen und Ärzt*innen zusammenarbeiten. Wie kam es dazu? 

Manfred Krüger: Es ist ganz spannend, wie die Kommission entstanden ist, denn regional und dann auch bundesweit kam die Forderung von den Patientenverbänden, intensiver und kooperativer zusammenzuarbeiten, um die Versorgung, die damals noch wirklich bruchstückhaft war, zu verbessern. Ärzt*innen sind für die Diagnose und die richtige Therapie zuständig, das ist klar. Und in der Apotheke werden die Arzneimittel und Hilfsmittel erklärt, z. B. Pens, und den Patient*innen geholfen, sie richtig anzuwenden. Und beide Berufsgruppen sollten sich darüber verständigen und austauschen.

Apotheken dürfen bestimmte Dienstleistungen anbieten, die über die Kassen abgerechnet werden, z. B. die Medikationsberatung bei Polymedikationen …   

Krüger: Unsere Kommission hat immer wieder gefordert, dass in der Apotheke die Medikation zusammenläuft. Und gerade bei einem Menschen, der viele Medikamente einnimmt, und das ist ja bei Menschen mit Diabetes im höheren Alter meistens der Fall, muss eine Überprüfung stattfinden. Es war zwar schon immer die Aufgabe der Apotheker*innen, über die Wechselwirkungen und Nebenwirkungen der Medikamente Bescheid zu wissen, aber für die Medikationsberatung braucht es noch einmal eine spezielle Schulung.

Wie läuft so eine Beratung ab? Die Apotheke bittet den Patienten, die gesamte Medikation mitzubringen. Die wird gemeinsam angeguckt und dann gibt es auch schon die ersten Überraschungen. Denn der Patient hat ja nicht nur verschriebene Medikamente, sondern kauft sich auch selbst Medikamente. Und da kommen natürlich Medikamente zum Vorschein, die auch auf den Diabetes Einfluss haben. Entdeckt werden auch Medikamentenkaskaden. Das bedeutet, dass ein Patient Nebenwirkungen spürt, die aufgrund der Medikation auftreten. Diese werden dann mit weiteren Medikamenten behandelt, anstatt mit einer Medikationsberatung andere Lösungen, auch zusammen mit dem Arzt, zu suchen und zu überlegen, ob z. B. etwas langsamer hochdosiert werden kann. Es geht also immer ein Bericht an den Arzt, manchmal auch mit einem Vorschlag verbunden. Diagnose und Therapie sind Sache des Arztes, es ist in seiner Verantwortung, die Therapie anzupassen.

Welche Rolle kann künftig die elektronische Patientenakte spielen?   

Krüger: Ich bin ein großer Befürworter der ePA. Der Patient behält das Recht in der Hand. Er kann entscheiden, wer reingucken darf, und kann dieses Recht dem Apotheker oder der Apothekerin einräumen. Ein Beispiel: Wir hatten in einer engen Kooperation mit einem Altenheim für die Versorgung von vielen Diabetiker*innen eine gemeinsame Plattform, auf der Ärzt*innen, Apotheker*innen, die Patient*innen und das Pflegepersonal z. B. die Werte und den Medikationsplan einsehen konnten. Zeitgenau und natürlich mit dem Einverständnis der Patient*innen. Die Verbesserungen, die dadurch erreicht worden sind, sind gigantisch: Wir haben z. B. im ersten Jahr die Krankenhauseinweisungen um 30 % gesenkt.  

Noch eine Ergänzung zum Medikationsplan: Wir haben bei mir in den Apotheken häufig mitgebrachte Pläne überprüft. 90 % der Pläne waren falsch. Ein elektronisches System, das ständig aktualisiert wird, gibt also auch den Patient*innen viel mehr Sicherheit. Und was uns wirklich weiterbringen wird, ist die Verbindung von elektronischem Rezept und Patientenakte.

Welche Hoffnungen verknüpfen Sie noch mit der Digitalisierung?  

Krüger: Durch das Mehr an Informationen kann man das Gespräch mit den Patient*innen ganz anders führen. Außerdem sollte es parallel ein Informationssystem zwischen Arztpraxis und Apotheke geben, verbunden mit der Möglichkeit, der Praxis digital eine Nachricht zu schicken. Das würde uns von diesem ganzen Papier- und Telefonwahnsinn befreien. Ich wünsche mir also eine direkte Kommunikation zwischen Praxis und Apotheke, vor allen Dingen in kritischen Situationen. 

Wissen alle Menschen mit Diabetes und auch die Diabetesteams Bescheid über die Angebote der Apotheke, z. B. die Medikationsberatung?  

Krüger: Leider nicht. Hier erwarte ich mehr von den Krankenkassen. Die Kassen sehen ja, wie viele Medikamente die Menschen einnehmen, und könnten sie gezielt anschreiben.  
Wenn die Kommunikation zwischen Arztpraxis und Apotheke gut ist, wird auch auf die Angebote der Apotheke hingewiesen, und sie werden als sinnvolle Unterstützung wahrgenommen. Leider gibt es immer noch so eine Art Konkurrenzdenken, und man meint, ärztliche Leistungen würden von der Apotheke übernommen. Gerade angesichts des Fachkräfte- und Zeitmangels in den Praxen fehlt mir dafür jedes Verständnis. Man sollte doch eigentlich auch im Sinne der Patient*innen froh sein, wenn kompetent und qualifiziert solche Dienstleistungen übernommen werden, und deshalb gut zusammenarbeiten.  

Die Kommission Apotheker in der Diabetologie war an der NVL Typ-2-Diabetes beteiligt. Welche Aspekte hat die Kommission eingebracht? Sie waren ja selbst Mitglied der Leitlinienkommission …  

Krüger: Ich möchte zwei Punkte herausheben, die uns besonders wichtigen waren und die die Kommission eingebracht hat. Der eine Punkt, der mir sehr am Herzen liegt, ist die partizipative Entscheidungsfindung. Damit wurde in den Leitlinien ein ganz neues Kapitel aufgeschlagen und festgestellt, dass nicht wir als Apotheker*innen und Ärzt*innen entscheiden, was für den Menschen mit Diabetes richtig ist, sondern dass auf Augenhöhe entschieden wird.  

Der zweite Punkt ist die Medikationsberatung bei Polymedikation. Das Diabetesteam und die Patient*innen haben damit die Möglichkeit, auf die Kompetenz des Teams in der Apotheke zurückzugreifen. Ein Beispiel: Wenn ein Patient ein kardiologisches Problem hat, ist es normal, dass der Hausarzt ihn zum Kardiologen überweist, oder? Wir haben mit dem Apotheker einen studierten Arzneimittelfachmann. Warum überweist der Arzt nicht an den Arzneimittelfachmann die Fragen, für die dieser ausgebildet ist, und nutzt dessen Kompetenz, um auch selbst eine bessere Arbeit abzuliefern? Ist mir bis heute unverständlich. Die Unterstützung des Apothekers für den Arzt kann doch sehr zielführend sein und qualitätsgesichert.

Sie engagieren sich für NETZ (bangladesch.org). Bringen Sie Ihre Kenntnisse als Apotheker ein?  

Krüger: Man kann mit Freude sagen, dass die Versorgung mit Arzneimitteln in Bangladesch relativ gut organisiert ist. Es geht bei NETZ mehr darum, wie die Menschen mit ihren eigenen Kräften Probleme überwinden können. Also gibt es schon eine Verbindung, nämlich mit der partizipativen Entscheidungsfindung. Ähnlich wie bei den Patient*innen geht es um Fragen wie: Welche Kapazitäten habt ihr, wenn euch geholfen wird, wenn die Grundvoraussetzungen stimmen, wenn ihr gezielt unterstützt werdet? Es ist faszinierend, dass Menschen selbst so viel Kraft haben, an Dingen zu arbeiten, wenn man ihnen die Chance gibt. Das ist genau der Ansatz, den ich in Bangladesch gelernt habe und den wir gut in die Fragestellungen in Deutschland einbringen konnten.

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Seit Jahrzehnten setzt sich der Apotheker Manfred Krüger für die pharmazeutische Versorgung von Menschen mit Diabetes und für eine bessere Kooperation zwischen Arztpraxis und Apotheke ein. Seit Jahrzehnten setzt sich der Apotheker Manfred Krüger für die pharmazeutische Versorgung von Menschen mit Diabetes und für eine bessere Kooperation zwischen Arztpraxis und Apotheke ein. © Vitalii - stock.adobe.com