Mit Infliximab den Hals retten

Dr. Sonja Kempinski

Die rheumatoide Arthritis befällt auch die Halswirbelsäule. Die rheumatoide Arthritis befällt auch die Halswirbelsäule. © paul - stock.adobe.com (generiert mit KI)

Die rheumatoide Arthritis befällt auch die Halswirbelsäule. Zum Glück sind operationspflichtige Subluxationen inzwischen seltener geworden– womöglich durch die schützende Wirkung von TNF-Blockern wie Infliximab. Eine aktuelle Studie stützt diese Hypothese.

Von einer rheumatoiden Arthritis (RA) sind vor allem die Fingergrund- und -mittelgelenke sowie die Zehen betroffen. Doch auch vor der Wirbelsäule macht die Erkrankung nicht halt. Besonders bedroht ist der Halsbereich: Die RA kann durch Lockerung der Bänder in der oberen HWS zu einer atlantoaxialen Subluxation (AAS) und einer vertikalen Translokation (VT) führen, in der unteren HWS zu einer subaxialen Subluxation (SAS). Mögliche Folgen dieser Deformitäten sind schwere, teils operationspflichtige zervikale Myelopathien.

Erfreulicherweise werden RA-bedingte Operationen an der Halswirbelsäule immer seltener. Dieser Rückgang ist seit Einführung der Biologika zu verzeichnen, schreibt eine Gruppe um Anna Lebouille-Veldman von der Neurochirurgischen Abteilung des Universitätsklinikums Leiden. 

Daten zum HWS-Schutz sind bisher uneinheitlich

Möglich ist also, dass z. B. Infliximab nicht nur die Hand- und Fußgelenke schützt, sondern auch vor Deformitäten an der HWS bewahrt. Bisher sind die Daten dazu jedoch uneinheitlich. Für mehr Klarheit nahm das Team nun die Assoziation zwischen der Dauer einer Infliximabtherapie und der Inzidenz von HWS-Deformitäten nach einem Follow-up von zehn Jahren unter die Lupe.

In ihre retrospektive Fall-Kontroll-Studie schlossen die Forschenden Patientinnen und Patienten aus der kontrollierten multizentrischen BeSt-Studie ein. Darin wurden 311 neu diagnostizierte RA-Erkrankte in vier Armen nach dem Treat-to-Target-Konzept behandelt. Die Anpassung der Medikation (darunter auch Infliximab) erfolgte je nach Krankheitsaktivität an den regelmäßig stattfindenden Kontrollterminen. Zur Basis waren keine Röntgenbilder der HWS angefertigt worden, wohl aber nach fünf und zehn Jahren.

Listhese wurde statisch und dynamisch gemessen

Als primärer Endpunkt der Infliximab/HWS-Studie galt das Vorliegen einer AAS oder einer SAS in Neutralposition beim Follow-up nach zehn Jahren. Die atlantoaxiale Subluxation war definiert als eine Distanz von mehr als 2 mm zwischen dem Dens axis und dem vorderen Bogen des Atlas.

Sekundärer Endpunkt war eine moderate bis schwere AAS mit ≥ 3 mm Distanz in Flexion auf dynamischen Röntgenbildern, tertiärer Endpunkt war die schwere Deformität (AAS mit ≥ 5 mm Distanz). Für die subaxiale Subluxation musste die Listhese über 2 mm betragen. Eine vertikale Translokation galt als gegeben, wenn der Dens axis die McGregor-Linie überragte.

Von den 272 Patientinnen und Patienten mit ausreichenden Röntgenaufnahmen hatten nach zehn Jahren 62 (23 %) eine AAS und 60 (22 %) eine SAS in Neutralposition entwickelt. Mit insgesamt 108 von 272 RA-Erkrankten wiesen also 40 % eine Deformität der HWS auf, schreibt das Team. VT waren in dieser Kohorte nicht aufgetreten.

Bei 109 Studienteilnehmenden konnte auch eine dynamische HWS-Aufnahme in Flexion angefertigt werden. 26 (24 %) wiesen dabei eine AAS ≥ 3 mm auf, zwei brachten es sogar auf ≥ 5 mm (schwere AAS). Addiert zu denjenigen Betroffenen, die schon in Neutralposition ≥ 5 mm Abstand hatten, litten von den 272 Studienteilnehmenden insgesamt acht (3 %) an einer schweren AAS.

144 Patientinnen und Patienten bekamen innerhalb der zehn Jahre des Follow-ups mindestens ein Mal Infliximab, die mediane Therapiedauer betrug neun Monate. Schon im Streudiagramm zeigte sich der Trend, dass die Dauer der Infliximabanwendung in den schwereren AAS-Kategorien abnahm. Nach Adjustierung für diverse Störfaktoren (Alter, Geschlecht, DAS44, ACPA- und RF-Status) war ein Jahr Infliximabeinnahme mit einer um 11 % reduzierten Wahrscheinlichkeit für HWS-Deformitäten zum Follow-up-Termin nach zehn Jahren assoziiert (Odds Ratio, OR, 0,89). Für Betroffene mit AAS ≥ 3 mm in Flexion betrug die OR 0,89, bei schwerer AAS lag sie bei 0,91. Die Krankheitsaktivität, gemessen mittels DAS44, hatte keinen Einfluss auf den Zusammenhang zwischen Infliximabanwendung und Veränderungen an der HWS.

Anzahl der Malignome nicht erhöht

Analysiert wurde auch das Auftreten schwerer unerwünschter Effekte. 13 Teilnehmende entwickelten ein Malignom, acht davon waren mit Infliximab behandelt worden. Vier von ihnen hatten den Wirkstoff länger als zwölf Monate bekommen. Zum Vergleich: In der Gruppe ohne Malignom hatten 85 (33 %) Infliximab länger als ein Jahr gespritzt.

Bei 34 der Teilnehmenden war während des Follow-ups eine schwere Infektion aufgetreten. Von diesen hatten 20 (59 %) Infliximab bekommen, zwölf länger als ein Jahr. In der Gruppe ohne schwere Infektionen betrug der Anteil derjenigen, die mehr als zwölf Monate mit Infliximab behandelt worden waren, 32 %.

Insgesamt zeigt die Untersuchung, dass Infliximab nach zehn Jahren vor HWS-Deformitäten schützt – und dies mit hoher Evidenz, schreibt das Autorenteam. Das könnte erklären, warum die Anzahl RA-bedingter Operationen an der HWS in den letzten Jahrzehnten so stark zurückgegangen ist. Womöglich sind die tatsächlichen Effekte sogar noch größer. Denn der Wirkstoff wurde in der BeST-Studie nach vorgegebenem Schema eingesetzt. Wäre Infliximab dem Protokoll folgend nicht bei sinkenden systemischen Entzündungsparametern abgesetzt worden, wären womöglich noch weniger Subluxationen aufgetreten.

Sollte man nun zum Schutz der HWS langfristig Infliximab verordnen? Dem stehen die Nebenwirkungen der Langzeittherapie gegenüber. Zwar hat in dieser Studie ein längerer Gebrauch von Infliximab nicht zu einem Anstieg schwerer unerwünschter Effekte geführt. Die Anzahl der Patientinnen und Patienten war jedoch zu klein, um daraus definitive Schlüsse zu ziehen.

In der täglichen Praxis gilt es nun, die möglichen positiven Effekte des TNF-Blockers auf die HWS mit den potenziellen Nebenwirkungen einer langfristigen Anwendung abzuwägen. Zudem sollte sein Einsatz immer nach den Empfehlungen der EULAR und des ACR erfolgen, schließen die Forschenden.

Quelle: Lebouille-Veldman AB et al. RMD Open 2025; 11: e005237; doi: 10.1136/rmdopen-2024-005237

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Die rheumatoide Arthritis befällt auch die Halswirbelsäule. Die rheumatoide Arthritis befällt auch die Halswirbelsäule. © paul - stock.adobe.com (generiert mit KI)