NSAR-Überempfindlichkeitsreaktionen und was dahintersteckt

Dr. Sabine Debertshäuser

Dass man bei Reaktionen auf NSAR im pädiatrischen Setting auf eine echte Medikamentenallergie stößt, ist selten. Dass man bei Reaktionen auf NSAR im pädiatrischen Setting auf eine echte Medikamentenallergie stößt, ist selten. © Iryna - stock.adobe.com

Allergie oder Intoleranz? In der Nomenklatur werden fünf Formen der Unverträglichkeit gegen NSAR beschrieben – mit unterschiedlichen Entstehungsmechanismen. Ein Wegweiser mit pädiatrischem Schwerpunkt.

Dass man bei Reaktionen auf NSAR im pädiatrischen Setting auf eine echte Medikamentenallergie stößt, ist selten. In der Mehrzahl der Fälle bei Kindern und Jugendlichen handelt es sich um nicht-immunologische Überempfindlichkeitsreaktionen, so der in Bad Homburg niedergelassene Facharzt für Kinder- und Jugendmedizin Dr. Christian Walter.

Reaktion auf mehrere NSAR ist untypisch für Allergie

Anders als bei den beiden NSAR-Allergien – IgE-vermittelter Soforttyp und T-Zell-abhängiger Spättyp–, bei denen Betroffene meist auf nur eine Substanz reagieren, können die drei Unverträglichkeitsreaktionen mehrere NSAR betreffen. Der Grund dafür: Nicht-immunologische Reaktionen beziehen sich in der Regel auf die pharmakologischen Mechanismen und nicht auf die Wirkstoffe selbst, die innerhalb der NSAR sehr heterogen sind.

Als Beispiele für Überempfindlichkeitsreaktionen nennt Dr. Walter zwei Fälle aus seiner Praxis:

  • Ein sechsjähriger Junge mit hochfibrilem Atemwegsinfekt hatte 200 mg Ibuprofen (Saft) eingenommen. Nach etwa 15 Minuten bildete sich ein urtikarieller Ausschlag am gesamten Körper und die Lippen schwollen an.
  • Eine zehnjährige Asthmapatientin mit ansonsten gut kontrollierter Erkrankung hatte wiederholt gegen ihre Migräne Ibuprofen eingesetzt. In der Folge kam es zu wiederkehrenden schweren Asthmaexazerbationen. Die HNO-ärztliche Untersuchung  deckte zudem eine chronische Rhinosinusitis mit Nasenpolypen auf, die die Atemprobleme verschlimmerte.

Nicht-immunologische Unverträglichkeiten gehen – wie im Falle des Jungen – am häufigsten mit kutanen Reaktionen einher. Verursacht die Einnahme von NSAR aus heiterem Himmel Quaddeln und/oder Angioödeme, spricht man von einer NSAR-induzierten akuten Urtikaria/Angioödem (NSAID induced urticaria/angioedema, NIUA). Es ist auch möglich, dass sich eine bestehende chronische Urtikaria mit oder ohne Angioödem durch die Exposition verstärkt (NSAID exacerbated cutaneous disease, NECD).

Das Mädchen wies dagegen eine respiratorische Form der NSAR-Unverträglichkeit auf: die NSAID-exazerbated respiratory disease oder auch NERD. Sie ist in diesem Lebensalter allerdings selten. Dahinter steckt eine chronische eosinophile Inflammation der Atemwege, die bei Patientinnen und Patienten mit vorbestehendem Asthma bronchiale und chronischer Rhinosinusitis mit Nasenpolypen auftreten kann. Die Symptomatik gilt auch als Samter-Trias (oder inkl. Eosinophilie bzw. eosinophiler Infiltrate im Atemwegstrakt als Samter-Syndrom).

Klassische NSAR wie ASS und Ibuprofen hemmen die Cyclooxygenasen(COX)-1 und -2, während selektivere Wirkstoffe wie Celecoxib oder Etoricoxib (auch Paracetamol) nur gegen COX-2 gerichtet sind. Nach gängiger Meinung kommt es aus noch ungeklärter Ursache zu einer intrinsischen Dysregulation im Arachidonsäurestoffwechsel. Vor allem die Einnahme von COX-1-inhibierenden NSAR führt dann zu einer vermehrten Bildung von Leukotrienen sowie Mediatoren aus Mastzellen und Eosinophilen.

Eosinophile Granulozyten verursachen Obstruktion

Das NERD lässt sich auf die gesteigerte Bildung proinflammatorischer Substanzen und eine reduzierte Prostaglandinsynthese zurückführen. Die dadurch induzierte Aktivierung eosinophiler Granulozyten und Mastzelldegeneration führt zur Atemwegsobstruktion und der chronisch-rezidivierenden Rhinosinusitis.

Für die Diagnostik der NSAR-Intoleranz ist ein strukturiertes Vorgehen (siehe Kasten) essenziell. Danach ist es auch möglich, potenzielle Alternativen zu finden. Da in der Regel NSAR mit starker COX-1-Inhibition Auslöser der Reaktion sind, ist es möglich, dass COX-2-Hemmer besser vertragen werden. Wichtig: Sowohl die nicht vertragenen als auch die vertragenen NSAR sollten in einem Notfallpass dokumentiert werden!

Bei der respiratorischen Form der NSAR-Intoleranz im Kindesalter (NERD) hat die Therapie mit Dupilumab die ASS-Desaktivierung als Mittel der Wahl abgelöst. Die Blockade der TH2-Immunreaktion kann die Symptomatik deutlich reduzieren und ist bei Asthma, atopischer Dermatitis, eosinophiler Ösophagitis und chronischer Rhinosinusitis mit Nasenpolypen (bei Erwachsenen) in label.

Im Falle des kleinen Jungen ließ sich die NSAR-Unverträglichkeit bei der oralen Provokation bis 250 mg nicht belegen. Bei dem Mädchen bestätigte die weitere Untersuchung eine deutliche Eosinophilie. Auf eine orale Provokation verzichtet man aufgrund des hohen Risikos einer erneuten schweren Reaktion. Nach endoskopischer Pansinus-OP blieb sie rezidivfrei. Die Migränemedikation wurde auf Sumatriptan und Paracetamol umgestellt und unter der Therapie mit Dupilumab besteht eine vollständige Asthmakontrolle.

Quelle: Walter C. Kinder-und Jugendärztin 2025; 56: 224-227

Diagnostischer Algorithmus bei NSAR-Unverträglichkeit

  1. Hat sich nach Einnahme des NSAR (welches?) eine Urtikaria oder ein Angioödem entwickelt oder ist eine bestehende chronische Urtikaria dadurch neu aufgeflammt? → Verdacht NIUA/NECD.
  2. Liegt eine chronische Rhinosinusitis mit Nasenpolypen vor und kommt es nach Einnahme von NSAR (welches?) zu Asthmaexazerbationen? → NERD (M. Samter) abklären.
  3. Werden mehrere NSAR nicht toleriert, liegt i. d. R. keine allergische Erkrankung vor. Auf eine kutane Testung mit dem vermuteten auslösenden Agens kann dann verzichtet werden. Spezifische IgE auf NSAR für die Testung gibt es nicht.
  4. Die kontrollierte orale Provokation mit NSAR im klinischen Setting gilt als Goldstandard, um den Verdacht auf eine Unverträglichkeit zu bestätigen und einem unnötigen Vermeidungsverhalten vorzubeugen. Kontraindikationen (schwere Indexreaktion, unkontrolliertes Asthma) müssen beachtet werden.

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