Pharmakotherapie im Alter besser planen

Nina Arndt

Hinzu kommen im Alter häufig Multimorbidität und die damit verbundene Polymedikation. Hinzu kommen im Alter häufig Multimorbidität und die damit verbundene Polymedikation. © Sunlight - stock.adobe.com

Im Alter nehmen Leber- und Nierenfunktion ab. Das wirkt sich auf die Pharmakokinetik und -dynamik aus. Bei welchen Medikamenten sollte man daher die Dosis anpassen und auf welche lieber gänzlich verzichten? Verschiedene Webseiten können bei der Entscheidung unterstützen.

Laut einer US-amerikanischen Arbeit gibt es vier Alterungstypen, erklärte Prof. Dr. Ulrich Jaehde, Universität Bonn. Entsprechend ist entweder die Niere, die Leber, der Stoffwechsel oder das Immunsystem zuerst vom Alterungsprozess betroffen. Der Principal Investigator der Studie, Prof. Dr. Michael Snyder von der Stanford University School of Medicine, kommentierte das laut Prof. Jaehde so: „Menschen sind wie Autos. Beim einen geht zuerst der Motor kaputt, bei anderen die Bremsen.“ 

Aus pharmakologischer Sicht sind vor allem Leber und Niere als zentrale Eliminationsorgane relevant. Nimmt deren Funktion ab, verändern sich Pharmakokinetik und -dynamik – das Risiko für Nebenwirkungen steigt. Hinzu kommen im Alter häufig Multimorbidität und die damit verbundene Polymedikation. Die Wahrscheinlichkeiten für Arzneimittelinteraktionen und eine verringerte Adhärenz nehmen zu. Es entwickelt sich oft ein Teufelskreis: Unerwünschte Arzneimittelwirkungen werden als neue Symptome fehlgedeutet und folglich weitere Medikamente verschrieben.

Um die Arzneimittelrisiken im Alter zu reduzieren, riet Prof. Jaehde zu vier Maßnahmen. Man sollte

  1. die Organfunktionen regelmäßig kontrollieren,
  2. diese bei der Arzneimittelauswahl berücksichtigen,
  3. die Dosierung eventuell anpassen sowie
  4. die Wirkungen der Medikamente regelmäßig überprüfen. 

Für die Abschätzung der Nierenfunktion hat sich vor allem die CKD-EPI*-Formel zur Berechnung der geschätzten glomerulären Filtrationsrate durchgesetzt. Im Alter liefert die Formel aber teils ungenaue Ergebnisse, denn sie basiert auf dem Serumkreatininwert. Und dieser hängt von der Muskelmasse ab. Bestehen Zweifel an der kreatinbasierten Schätzung, empfiehlt sich daher die Cystatin-C-Clearance zur Berechnung der GFR, so der Referent.

Für die Leber hingegen existieren keine einzelnen Biomarker, die zur Funktionseinschätzung genutzt werden können. Stattdessen greift man auf den Child-Pugh-Score zurück, bei dem verschiedene Parameter wie INR**, Serumalbumin und der Grad einer Enzephalopathie berücksichtigt werden.

Internetadressen zur Dosierung von Medikamenten und ihren renalen und hepatischen Nebenwirkungen

WebseiteWelche Informationen gibt es?
nephrotox
nephrotox.com
Datenbank für Chemikalien, Medikamente, Gifte und medizinische Interventionen hinsichtlich der Nierentoxizität (englisch)
LiverTox®
ncbi.nlm.nih.gov/books/NBK547852/
regelmäßig aktualisierte, unparteiische und leicht zugängliche Informationen zu Diagnose, Ursache, Häufigkeit, klinischen Mustern und der Behandlung von Leberschäden, die auf verschreibungspflichtige und nicht verschreibungspflichtige Medikamente sowie ausgewählte pflanzliche und diätetische Nahrungsergänzungsmittel zurückzuführen sind (englisch)
DOSING
dosing.de
korrekte und sichere Arzneimittelanwendung bei NOAK (s. u.), Niereninsuffizienz und Hitzewellen
DOAK Infoportal
easyDOAC.de
Webanwendung (innerhalb von dosing.de) spezifisch für orale Antikoagulanzien
Drugs in liver cirrhosis
drugsinlivercirrhosis.org/ healthcare-professionals/
Empfehlungen zum sicheren Einsatz von Medikamenten bei Leberzirrhose (englisch, bislang sind noch nicht alle Wirkstoffe von der niederländischen Webseite auf der englischsprachigen Seite eingepflegt, Medikamentennamen bisher nur in Niederländisch)

Nephro- und hepatotoxische Kombinationen von Arzneimitteln sollte man bei älteren Patientinnen und Patienten vermeiden, mahnte der Kollege. Bereits ab 60 bzw. 55 Jahren erhöht sich das Risiko für Nieren- bzw. Lebertoxizität. Spezialisierte Datenbanken wie nephrotox und LiverTox® (Liste s. Kasten) können helfen, schädliche Arzneimittel auszuloten. Insbesondere Letztere ist laut Prof. Jaehde hilfreich. Denn darin werden Substanzen anhand eines Scores bewertet, der angibt, mit welcher Wahrscheinlichkeit ein Mittel leberschädigend wirkt.
Aufgrund eingeschränkter Nieren- oder Leberfunktion muss im Alter auch die Arzneimitteldosierung oft angepasst werden. Informationen zu einer solchen Angleichung bei chronischer Niereninsuffizienz lassen sich ebenfalls über verschiedene Webseiten abrufen (s. Kasten). 

Niederländische Webseite hilft bei Leberinsuffizienz

Deutsche Datenbanken zur Dosisanpassung bei eingeschränkter Leberfunktion gibt es Prof. Jaehde zufolge noch nicht. Er empfiehlt eine niederländische Webseite (s. Kasten), die eine Sicherheitseinstufung sowie konkrete Dosierungsvorschläge liefert. Beispielsweise wird Metformin auf der Seite bei einem Child-Pugh-Score A und B als sicher eingeschätzt, bei C bzw. einer schweren Leberinsuffizienz hingegen als risikobehaftet. Zudem wird dazu geraten, die Wirkstoffmenge zu halbieren. Insbesondere die Hinweise zur Dosierung machen diese Webseite wertvoll, betonte der Referent, denn von den Fachinformationen werde man oft allein gelassen zur Info, wie stark man eine Dosis anpassen sollte. 

Auch unerwünschte Arzneimittelwirkungen müssen regelmäßig überprüft werden. Dabei helfen kann u. a. die AMTS***-Merkkarte, die eigentlich für Heimbewohnende entwickelt wurde, sich aber ebenfalls für andere ältere Patientinnen und Patienten eignet. Aus dieser lassen sich häufige arzneimittelinduzierte Symptome und die entsprechenden verdächtigen Medikamente ablesen.
Am Ende ist es immer eine Nutzen-Risiko-Abschätzung, resümierte Prof. Jaehde abschließend. Denn das steigende Nebenwirkungsrisiko im Alter lässt sich naturgemäß nicht vermeiden.Nina Arndt

* Chronic Kidney Disease Epidemiology Collaboration

** International Normalized Ratio

***Arzneimitteltherapiesicherheit bei Patienten in Einrichtungen der Langzeitpflege

Quelle: 131. Kongress der DGIM

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Hinzu kommen im Alter häufig Multimorbidität und die damit verbundene Polymedikation. Hinzu kommen im Alter häufig Multimorbidität und die damit verbundene Polymedikation. © Sunlight - stock.adobe.com