SINAM als Polymyositis verkannt

Dr. Vera Seifert

Muskelschmerzen und zunehmende Schwäche führten eine Patientin in die Klinik. Muskelschmerzen und zunehmende Schwäche führten eine Patientin in die Klinik. © Mediaphotos - stock.adobe.com

Muskelschmerzen und zunehmende Schwäche führten die Patientin in die Klinik. Doch die Beschwerden wurden nicht etwa durch die bekannte Polymyositis verursacht - ihr Auslöser lag woanders.

Muskelschmerzen und zunehmende Schwäche führten eine Patientin in die Klinik. Für die behandelnden Ärztinnen und Ärzte war das ganz klar das Aufflackern der bekannten Polymyositis. Wie sich herausstellte, war diese Annahme aber eine Fehleinschätzung.

Vor zehn Jahren hatte man bei einer jetzt über 70-jährigen Patientin mittels Muskelbiopsie eine Polymyositis diagnostiziert. Aktuell berichtete sie über Müdigkeit seit drei Monaten und fortschreitende proximale Muskelschwäche. Zunächst hatte man ambulant mit hoch dosiertem Prednison behandelt in der Annahme, es handele sich um einen Polymyositisschub. Wegen der zunehmenden Schwäche erfolgte die stationäre Einweisung, wie Amanda Chang und Manish Suneja, University of Iowa, berichten.

Bei der Aufnahme fiel eine stark abgeschwächte Kraft (0 von 5) der proximalen Muskeln auf bei erhaltener distaler Muskelkraft. Die Kreatininkinase war stark erhöht (1.731 U/l), einen Monat zuvor hatte man sogar 5.821 U/l gemessen. Vor zwei Jahren hatten sich die Polymyositisschübe verschlimmert, gab die Patientin an. Zu diesem Zeitpunkt war ihr ein Koronarstent eingesetzt worden und sie hatte eine Therapie mit Atorvastatin begonnen. In der Klinik startete man eine Behandlung mit Solumedrol und Tacrolimus, um die Polymyositis in den Griff zu bekommen, was aber nicht gelang. Auch intravenöses Immunglobulin brachte nur leichte Besserung.

Schließlich kam der Verdacht auf eine statininduzierte nekrotisierende Autoimmunmyopathie (SINAM) auf. Der Nachweis von anti-HMGCR*-Autoantikörpern bestätigte die Vermutung. Auf Nachfrage gab die Frau an, eine frühere Atorvastatintherapie wegen Nebenwirkungen abgebrochen zu haben. Seit der Herzoperation würde sie das Präparat aber regelmäßig einnehmen. Unter einer Therapie mit Prednison, Tacrolimus und i.v. Immunglobulinen sowie strengem Verzicht auf Statine besserte sich die Muskelschwäche und die CK-Spiegel normalisierten sich. Eine lipidsenkende Therapie mit einem PCSK9-Hemmer lehnte die Patientin aus Angst vor erneuten Nebenwirkungen und aus Kostengründen ab.

Symptome der Myopathien sind sehr ähnlich

Polymyositis ist ein veralteter Begriff, schreiben die Autorin und der Autor. Heute klassifiziert man entzündliche Myopathien u. a. in das Antisynthetasesyndrom, die Overlap-Myositis und die nekrotisierende Autoimmunmyopathie. Letztere wird nicht nur durch Statine, sondern auch durch andere Medikamente hervorgerufen, z. B. TNF- Blocker und antiretrovirale Substanzen, Checkpointinhibitoren, Interferone und HCQ. Zur Differenzierung helfen Antikörpertest und Muskelbiopsie weiter. Weil die Symptome der einzelnen Myopathien sehr ähnlich sind, hatte man die SINAM der Frau vermutlich über mehrere Jahre nicht erkannt, sondern sich an der früheren Diagnose Polymyositis orientiert.

SINAM ist eine seltene Störung und betrifft zwei bis drei Patienten von 100.000, die mit Statinen behandelt werden. Die dringlichste Maßnahme besteht aus dem sofortigen Absetzen des Statins, was die Symptome aber nicht immer sofort bessert. Zusätzlich sollte man Glukokortikoide verordnen sowie Rituximab, Methotrexat, Mycophenolat-Mofetil, Azathioprin, Tacrolimus oder intravenöse Immunglobuline. Außerdem lässt sich durch Physiotherapie die Muskelkraft stärken. Als Alternative für die künftig auf Dauer verbotenen Statine kommen als Lipidsenker Fibrate, PCSK9-Hemmer und Ezetimib infrage.

* 3-Hydroxy-3-methylglutaryl-CoA Reduktase

Quelle: Chang A, Suneja M. JAMA Intern Med 2025; doi: 10.1001/jamainternmed.2025.3862

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Muskelschmerzen und zunehmende Schwäche führten eine Patientin in die Klinik. Muskelschmerzen und zunehmende Schwäche führten eine Patientin in die Klinik. © Mediaphotos - stock.adobe.com