Studie entkräftet Sorge vor Absetzsymptomen

Birgit Maronde

Eine verschlechterte Stimmung infolge des „Entzugs“ wurde nicht beobachtet. Eine verschlechterte Stimmung infolge des „Entzugs“ wurde nicht beobachtet. © splitov27 - stock.adobe.com

Ein systematisches Review mit 17.828 Teilnehmenden hat gezeigt, dass das abrupte Absetzen von Antidepressiva zwar leichte Symptome auslöst, diese jedoch keine klinische Relevanz besitzen. Das gilt auch füri stimmungsbezogene Parametern.

Die Angst, dass das Absetzen von Antidepressiva zu Entzugssymptomen oder einer akuten Stimmungsverschlechterung führen könnte, ist offenbar unbegründet. Dafür spricht ein systematisches Review von 50 randomisierten klinischen Studien plus Metaanalyse. Das Team um Michail Kalfas vom Institute of Psychiatry, Psychology & Neuroscience, King’s College London, berücksichtigte darin die Daten von insgesamt 17.828 Patientinnen und Patienten (67 % weiblich) im Durchschnittsalter von 44 Jahren. Es erfasste die nach dem Stopp der Medikation aufgetretenen Beschwerden und beurteilte sie anhand eines speziellen Scores (Discontinuation-Emergent Signs and Symptoms, DESS). 

Im Vergleich zu Patientinnen und Patienten aus der Placebogruppe und solchen mit kontinuierlicher Antidepressivatherapie klagten diejenigen mit abgesetzter Medikation in den ersten beiden Wochen vermehrt über Benommenheit (Odds Ratio, OR 5,5), Übelkeit (OR 3,2), Schwindel (OR 6,4) und Nervosität (OR 3,2). Am häufigsten kam es dazu nach dem Stopp von Venlafaxin und Desvenlafaxin. Der Verzicht auf Vortioxetin führte dagegen nicht häufiger zu klinischen Symptomen als das Absetzen von Placebo. 

Die Effektstärken der beobachteten Beschwerden entsprachen nur einem zusätzlichen Symptom im DESS-Score, schreibt das Autorenteam. Dies liege deutlich unterhalb der klinisch relevanten Schwelle (≥ 4 Symptome).  Eine verschlechterte Stimmung infolge des „Entzugs“ wurde nicht beobachtet. Später auftretende Depressionen müssten daher als Rezidiv gewertet werden. 
Aufgrund ihrer Ergebnisse setzen Kalfas und sein Team hinter die Strategie, Antidepressiva nur schrittweise abzusetzen, ein großes Fragezeichen und warnen vor einem möglichen Noceboeffekt. Welche Vorgehensweise die bessere ist – sofortiger Medikationsverzicht oder Tapering – könne man letztlich nur durch sorgfältige randomisierte placebokontrollierte Studien im Real-World-Setting klären.

Quelle: Kalfas M et al. JAMA Psychiatry 2025; DOI: 10.1001/jamapsychiatry.2025.1362

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Eine verschlechterte Stimmung infolge des „Entzugs“ wurde nicht beobachtet. Eine verschlechterte Stimmung infolge des „Entzugs“ wurde nicht beobachtet. © splitov27 - stock.adobe.com