Stuhlinkontinenz als Folge von höhergradigen Geburtsverletzungen

Friederike Klein

Kommt es unter der Geburt zu einem höhergradigen Dammriss, sollte dieser rasch fachgerecht operativ versorgt werden. Kommt es unter der Geburt zu einem höhergradigen Dammriss, sollte dieser rasch fachgerecht operativ versorgt werden. © Gorodenkoff - stock.adobe.com

Fast ein Drittel aller Erstgebärenden weist nach vaginaler Geburt einen Sphinkterschaden auf, jede dritte Betroffene entwickelt später eine fäkale Inkontinenz. Bei höhergradigen Geburtsverletzungen steigt der Anteil weiter. Die Rekonstruktion des Sphinkters erfordert viel Erfahrung.

Bei Frauen sind traumatische Schäden des Beckenbodens durch die Geburt die häufigste Ursache für Stuhlinkontinenz, betonte Prof. Dr. Ingrid Haunold vom Krankenhaus Barmherzige Schwestern Wien. Die Rate höhergradiger Dammrisse (Grad III und IV, siehe Tab.) liegt je nach Datengrundlage bei bis zu 7 %, nach einem Review sogar bei 11 %, berichtete Prof. Haunold. 

Dammschnitt sollte keine Routinemaßnahme sein

Jede zweite Betroffene weist sechs Monate nach der Geburt eine Stuhlinkontinenz auf. Die Häufigkeit der Beschwerden nimmt mit den Jahren nach der Geburt zu. Eine Routine-Episiotomie kann höhergradige Dammrisse nicht vermeiden – im Gegenteil: Vom Ende des Schnitts her reißt das Gewebe noch unphysiologischer in höhere Schichten hinein. Eine routinemäßige Episiotomie während einer spontanen vaginalen Geburt soll laut Leitlinie daher nicht durchgeführt werden.1

Geburtsverletzung Dammriss
GradBeschreibung
Inur die perineale Haut betroffen
IIHaut und perineale Muskeln betroffen, Sphinkter intakt
III

Perineum des Sphinkterapparats betroffen:

 

  • 3a: < 50 % des externen Sphinkters gerissen
  • 3b: > 50 % des externen Sphinkters gerissen
  • 3c: M. sphincter externus und internus gerissen
IVPerineum, Sphinkterapparat und Analkanal betroffen

Kann nach einer vaginalen Geburt ein Dammriss vom Grad III oder IV nicht ausgeschlossen werden, soll ärztliche Hilfe mit hoher Fachkompetenz hinzugezogen werden. Die Leitlinienempfehlungen sind klar: Die sofortige operative Versorgung (überlappend oder Stoß-auf-Stoß verschließen) durch eine Fachärztin oder einen Facharzt wird empfohlen, ggf. innerhalb von zwölf Stunden, wenn die Person mit der entsprechenden Expertise nicht gleich verfügbar ist. Entscheidend ist nicht die Fachrichtung, sondern die Erfahrung, betonte Prof. Haunold. Meist haben geburtshelfende Kolleginnen und Kollegen die größte Expertise. Chirurginnen und Chirurgen bringen laut einer britischen Befragung nicht die notwendige Kompetenz mit. Viele hatten noch nie (49,4 %) eine Sphinkterwiederherstellung durchgeführt und 36 % gaben an, das sei nicht Inhalt der chirurgischen Ausbildung gewesen. Eine geringe Kompetenz vermutet Prof. Haunold auch bei Kolorektalchirurginnen und -chirurgen im deutschsprachigen Raum, zumal die Zahl der Eingriffe zurückgeht.

Nach einer primären Rekonstruktion muss in bis zu 30 % der Fälle mit einem Versagen gerechnet werden und es wird ein zweiter Eingriff notwendig – manchmal innerhalb weniger Wochen nach Geburt, manchmal erst nach Monaten. Die Langzeitergebnisse der sekundären Rekonstruktion sind ernüchternd, erläuterte Prof. Haunold: Nach 18 Jahren weisen nur maximal 33 % der Frauen eine gute Kontinenzlage auf. Auch andere Studien fanden zwar exzellente Kurzzeiterfolge, aber mit längerfristig weniger guten Kontinenzergebnissen. Die OP-Technik ist nicht entscheidend, auch nicht die Art des Defekts. Als einziger relevanter Risikofaktor für die Stuhlinkontinenz im Langzeitverlauf wurde die Menopause identifiziert.

Wichtig für die Entscheidung zum sekundären Repair ist die Patientenselektion und die Aufklärung über andere Behandlungsmöglichkeiten, meinte Prof. Haunold. Den Patientinnen sollte man in der Aufklärung klarmachen, dass die erneute Rekonstruktion kurzfristig gute Erfolge hat, man aber nicht davon ausgehen kann, dass die Beschwerden bis zum Lebensende verbessert bleiben.

Beckenbodenmuskulatur kann Defekt bedingt ausgleichen

Nicht alle Sphinkterdefekte werden nach der Geburt bemerkt. „Ein intakter Damm bedeutet nicht automatisch einen intakten Sphinkter“, betonte Prof. Haunold. Okkulte Sphinkterdefekte können meist eine Weile durch die Beckenbodenmuskulatur kompensiert werden. Die Folgen treten erst nach weiteren Geburten, bei Beckenbodenschwäche im Alter oder durch hormonelle Veränderungen in der Menopause zutage. Die Stuhlinkontinenz entwickelt sich in diesem Fall allmählich, die Ursache kann 30 Jahre und mehr zurückliegen. „Diesen Patientinnen können wir als Alternative die sakrale Neuromodulation anbieten“, erklärte Prof. Haunold. Dieses Verfahren ist weniger invasiv als der Sphinkterrepair, mit geringer Morbidität verbunden und zeigt eine gute Langzeitwirksamkeit.

1. S3-Leitlinie „Die vaginale Geburt am Termin“, AWMF-Register- Nr. 015-083, www.awmf.org

Quelle: Kongressbericht - 51. Deutscher Koloproktologen-Kongress

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Kommt es unter der Geburt zu einem höhergradigen Dammriss, sollte dieser rasch fachgerecht operativ versorgt werden. Kommt es unter der Geburt zu einem höhergradigen Dammriss, sollte dieser rasch fachgerecht operativ versorgt werden. © Gorodenkoff - stock.adobe.com