Systemische Sklerose frühzeitig erkennen und effektiv behandeln
Die systemische Sklerose macht sich vor allem durch durch das Raynaud-Phänomen und Hautveränderungen bemerkbar.
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Die systemische Sklerose ist mehr als verdickte Haut und Vaskulopathie. Im Verlauf der Krankheit werden zahlreiche Organe geschädigt, was die Überlebenschancen der Betroffenen schmälert. Um die Prognose zu verbessern, braucht es regelmäßiges Screening, rasche Diagnostik und organspezifische Therapien.
Bei 86–96 % der Menschen mit systemischer Sklerose (SSc) macht sich die Erkrankung primär mit einem sekundären Raynaud-Phänomen (RP) bemerkbar. Dieses ist durch eine Hypersensitivität der Blutgefäße bedingt und wird durch Kälte und Stress getriggert. Anders als das primäre RP, von dem typischerweise junge Frauen betroffen sind, tritt es erst jenseits des 30. Lebensjahres auf. Mit der Zeit kommt es in 50–70 % der Fälle zu digitalen Ulzera. Relativ selten entwickeln sich aufgrund der progressiven Vaskulopathie akrale Ischämien und Gangrän. Die späte RP-Manifestation gilt als Warnzeichen, heißt es in der jüngst publizierten S2k-Leitlinie zur Diagnostik und Therapie der systemischen Sklerose. Sie wurde von der Deutschen Gesellschaft für Rheumatologie und klinische Immunologie in Zusammenarbeit mit weiteren Fachgesellschaften und der Sklerodermie-Selbsthilfe erarbeitet.
Kapillarmikroskopie hat einen hohen Vorhersagewert
Die Diagnostik der Mikroangiopathie erfolgt an den Fingern 2–5 via Kapillarmikroskopie des Nagelfalzes. Dabei zeigt sich je nach Stadium der SSc ein charakteristisches Muster mit Megakapillaren (> 50 µm), (totalem) Kapillarverlust und Mikrohämorrhagien. „In Kombination mit der Autoantikörperdiagnostik weist die Kapillarmikroskopie einen hohen positiven (ca. 80 %) wie negativen prädiktiven Wert (> 90 %) für die Vorhersage einer SSc bei Betroffenen mit RP auf“, schreiben die Autorinnen und Autoren der Leitlinie. SSc-spezifische Antikörper sind solche gegen Anti-Zentromer, Anti-Topoisomerase-I und Anti-RNA-Polymerase-III.
Die Durchblutung von Händen, Armen und Füßen wird zunächst mittels Palpation der Pulse und der Faustschlussprobe mit ischämischer Handarbeit (Allen-Test) geprüft. Erst bei Makroangiopathieverdacht folgen technikbasierte Untersuchungen wie Dopplerverfahren, akrale Oszillografie oder Farbduplexsonografie. Schnittbildgebung und digitale Subtraktionsangiografie sind in den meisten Fällen verzichtbar.
Für die Therapie der peripheren vaskulären Störungen kann man Kalziumkanalblocker vom Dihydropyridintyp (z.B. retardiertes Nifedipin) erwägen. Bei digitalen Ulzera gibt man Prostazyklinanaloga i.v. In der Zweitlinientherapie kommen PDE5-Inhibitoren oder i. v.-Prostazyklinanaloga zum Einsatz. Bei refraktärem RP wechselt man innerhalb der beiden Substanzgruppen den Wirkstoff oder verordnet AT1-Rezeptorantagonisten, Fluoxetin oder topische Nitrate. In der Prävention neuer digitaler Ulzera kommt Bosentan zum Einsatz. Die Sekundärprophylaxe der Makroangiopathie erfolgt leitliniengerecht u. a. mit potenten Statinen. Die Gabe von Thrombozytenaggregationshemmern kann erwogen werden.
Die typische Sklerose der Haut beginnt meist als Sklerodaktylie. Im weiteren Verlauf werden auch proximale Körperpartien in Mitleidenschaft gezogen. Sind Veränderungen nur distal von Knien bzw. Ellenbogen nachweisbar, liegt eine limitierte kutane SSc (lcSSC) vor, dehnen sie sich darüber hinaus aus, eine diffuse kutane SSc (dcSSC). Um Ausmaß und Veränderungen der Hautsklerose über die Zeit zu beurteilen, zieht man den modifizierten Rodnan-Skin-Score (mRSS) heran. Dafür wird in 17 verschiedenen Körperarealen die Hautdicke erfasst. Dies sollte regelmäßig und standardisiert durch denselben Untersuchenden erfolgen.
Vor allem in der frühen Phase der dcSSC, wenn die Hautdicke zunimmt, korreliert der mRSS mit dem Krankheitsprogress. Bei einem Anstieg um mindestens drei Punkte ist von einem signifikanten Fortschreiten der Erkrankung auszugehen, was eine medikamentöse Therapie bzw. Therapieeskalation rechtfertigen kann. Das Ansprechen auf Medikamente wird vom mRSS nur eingeschränkt reflektiert.
Die Behandlung orientiert sich an der Phase des Fibroseprozesses, der entzündlichen Krankheitsaktivität und der Progression der Sklerose. Kein einziges Medikament ist für die Hautsklerose zugelassen. Zwei RCTs zufolge könnte jedoch Methotrexat in einer Dosierung von 10–20 mg pro Woche bei der frühen SSc wirksam sein. Die EULAR empfiehlt derzeit bis zu 2 g/d Mycophenolat Mofetil (MMF) oder 720–1.440 mg/d Mycophenolsäure. Beide Optionen sind allerdings off-label. Schreiten die Hautveränderungen unter MMF fort, kann man laut EULAR einmal pro Monat Cyclophosphamid i. v. geben. Ein positiver Einfluss auf den mRSS wurde sowohl für Rituximab als auch für Tocilizumab (in frühen entzündlichen Stadien) beschrieben. Die systemische Gabe von Glukokortikosteroiden hat sich bei alleiniger Hautsklerose als nicht hilfreich erwiesen.
Multiple Organe im SSc-Visier
Organbeteiligungen treten bei SSc zu 75 % innerhalb der ersten fünf Jahre nach Manifestation eines RP auf.
- 50–60 % der Betroffenen entwickeln eine interstitielle Lungenerkrankung, ca. 10 % eine pulmonale arterielle Hypertonie.
- Am Gastrointestinaltrakt ist insbesondere die Speiseröhre betroffen: Es kommt zu Reflux, Dysphagie, Regurgitation, Barrett-Ösophagus. Weitere Manifestationen sind u. a. Gastroparese, bakterielle Fehlbesiedelung im Dünndarm sowie chronische Obstipation.
- Eine primäre Herzbeteiligung erfolgt oft früh im Krankheitsverlauf. Da Symptome in vielen Fällen fehlen, sollte man screenen (Anamnese, Klinik, Biomarker, [Langzeit-]EKG, Echo) und bei auffälligen Befunden ein Kardio-MRT durchführen.
- Da die SSc auch die Niere angreifen kann, sollten deren Funktion sowie Urinparameter und Blutdruck alle sechs Monate kontrolliert werden.
- Muskuloskelettale Manifestationen haben bei SSc eine Prävalenz von bis zu 94 %. Am häufigsten sind Arthralgien. Es folgen Arthritiden, Beugekontrakturen, Gelenkversteifungen, proximale Muskelschwäche und Affektionen der Sehnenscheiden.
- Die Zahn-Mund-Kieferbeteiligung äußert sich durch eingeschränkte Mundöffnung, reduzierten Bewegungsumfang der Mandibula, Hyposalivation, Xerostomie, Parodontalerkrankungen und Mukosaläsionen.
Lymphdrainage hilft bei geschwollenen Händen
Neben der medikamentösen Therapie kommen Trainings- bzw. Übungsverfahren für eine bessere Beweglichkeit und Lebensqualität sowie Physiotherapie in Betracht. Bei geschwollenen Händen bietet sich Lymphdrainage an. Eine UVA-1- oder Bade-PUVA-Therapie sind bei einer auf Hände und Unterarme bzw. Unterschenkel begrenzten Hautbeteiligung und langsamem Fortschreiten zu erwägen.
Häufig kommt es im Verlauf der SSc zur Beteiligung weiterer Organe (s. Kasten). Dies führt zu einem heterogenen Bild der Erkrankung und erfordert eine individualisierte und z. T. organspezifische Therapie entsprechend der vorhandenen Leitlinien. Zudem kann die Indikation zur Immunsuppression (off-label) gegeben sein. Die Betreuung der SSc-Patientinnen und -Patienten soll gemäß der Leitlinie interdisziplinär und in einem Zentrum erfolgen.
Quelle: S2k Leitlinie „Diagnostik und Therapie der systemischen Sklerose“; AWMF-Register-Nr. 060-014; www.awmf.org
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