Cartoon Gesundheitspolitik

Tausche freie Arztwahl gegen schnell vermittelten Facharzttermin

Michael Reischmann

Ein „verpflichtendes Primärarztsystem“ bei freier Arztwahl sowohl im Selektiv- als auch im Kollektiververtragssystem, wie es im Koaltionsvertrag aufgeschrieben ist – wie soll das gehen? Ein „verpflichtendes Primärarztsystem“ bei freier Arztwahl sowohl im Selektiv- als auch im Kollektiververtragssystem, wie es im Koaltionsvertrag aufgeschrieben ist – wie soll das gehen? © bnenin - stock.adobe.com

Das Primärarztmodell der KBV erinnert den Hausärztinnen- und Hausärzteverband wegen diverser „Schlupflöcher“ an Schweizer Käse. Den KBV-Vorstand ficht das nicht an. Das KV-System ist für die politische Debatte vorbereitet. Dabei bleibt noch zu klären, welche Konsequenzen Versicherten drohen, die weiterhin ungesteuert agieren möchten.

Bei der Besprechung des KBV-Positionspapiers zur ambulanten Patientensteuerung wurde es in der Vertreterversammlung (VV) ab und zu emotional und laut. Doch KBV-Chef Dr. Andreas ­Gassen lässt sich durch verbale Attacken allenfalls kurz aus der Ruhe bringen. Er weiß: 90 % der ärztlichen Honorare werden im Kollektivvertrag mit der GKV verdient. Und das KV-System steht stabil, selbst wenn VV-Delegierte, die verschiedene Hüte aufhaben (Berufsverband und KV), am Engagement der Körperschaft als Interessenvertretung öffentlich zweifeln. Demensprechend wurde auch das KBV-Positionspapier bei nur sieben Gegenstimmen und drei Enthaltungen von der deutlichen Mehrheit der 60 VV-Delegierten beschlossen.

Selektiv- vs. Kollektivvertrag – wo wird am Ende gesteuert?

Ein „verpflichtendes Primärarztsystem“ bei freier Arztwahl sowohl im Selektiv- als auch im Kollektiververtragssystem, wie es im Koaltionsvertrag aufgeschrieben ist – wie soll das gehen? „Am Ende kann es nur einen geben“, verweist Dr. Gassen auf den Filmklassiker „Highlander“ und denkt dabei an die KV. 

Dass derzeit etwa 5.000 Hausarztsitze vakant sind, sei kein Hindernis für ein Primärarztsystem, betont die bayerische Hausärztin und KBV-VV-Vorsitzende Dr. Petra Reis-Berkowicz. Die hausarztzentrierte Versorgung beweise das. Übrigens spicht sich auch der Berufsverband der Kinder- und Jugendärzt*innen für ein pädiatrisches Hausarztmodul aller Krankenkassen aus. Das lasse sich zügig und unkompliziert über die HzV umsetzen.

Zudem seien nicht Termine bei Hausarzpraxen das Problem, sondern die Wartezeiten auf Termine in Facharztpraxen, unterstreicht Dr. Reis-Berkowicz. Das Zentralinstitut für die kassenärztliche Versorgung (Zi) geht im Fall einer Primärarztbindung von nur rund 380 zusätzlichen Kontakten pro Hausärztin bzw. Hausarzt infolge eines Überweisungsvorbehalts aus. Dies wären etwa zwei zusätzliche Kontakte pro Tag und Praxis.

Die KBV fasst den Kreis der Ärztinnen und Ärzte, die ohne Überweisung von Versicherten direkt aufsuchen können bzw. wollen, weit. Sie zählt auch Frauenärztinnen und -ärzte zu den Primärversorgern. Der Direktzugang zur Augenheilkunde ist sowieso unstrittig. Als Ausnahmen vom Überweisungsvorbehalt nennt die KBV ferner die Psychotherapie sowie Versicherte, die wegen einer Früherkennungsuntersuchung oder Schutzimpfung vorstellig werden. Menschen mit einer schweren chronischen Erkrankung müsse ebenfalls eine spezifische fachärztliche Behandlung ohne Überweisung zugänglich sein. Und für Versicherte ohne Hausärztin oder Hausarzt könne die Terminservicestelle 116 117 zur Versorgungsplattform werden.

Alternative Versorgungspfade sind nun mal die Realität

Während der Hausärztinnen- und Hausärzteverband (HÄV) wegen der „unzähligen Ausnahmen, Schlupflöchern und alternativen Versorgungspfade“ von einem Primärarztmodell nach dem Prinzip Schweizer Käse“ spricht, betont der KBV-Vorstand, dass man nur die Versorgungssituationen realistisch abbilde. Auch wenn die Behandlungskoordination für eine Patientin mit Krebs durch eine onkologische Praxis oder für einen Dialyse-Patienten durch eine nephrologische Einrichtung erfolge, sei es für diese Menschen sinnvoll, für weitere Anlässe eine Hausärztin bwz. einen Hausarzt zu haben.

Der HÄV weist darauf hin, dass in Hausaztpraxen der Großteil der Behandlungsfälle abschließend versorgt wird. Wenn sich Versicherte jedoch jederzeit an die 116 117 wenden dürften, um nach kurzer telefonischer Konsultation eine Überweisung zur Facharztpraxis zu erhalten, werde „kein Patientenanliegen effizient geklärt und kein einziger unnötiger Facharztbesuch verhindert“. 

Einig sind sich alle Lager in der Forderung, dass für den ungesteuerten Direktzugang eine Eigenbeteilung vorgesehen werden sollte. Damit diese keine bürokratischen Last wie einst die Praxisgebühr wird, soll eine Lösung im Versicherungsverhältnis mit der Krankenkasse gefunden werden, z. B. in Gestalt eines teureren Direktzugangtarifs. Solange der ungesteuerte Zugang ohne (finanzielle) Konsequenzen bleibe, bestehe für viele Bürgerinnen und Bürger kein Anreiz, ihr Verhalten zu ändern. Ob sich Union und SPD allerdings so weit vorwagen werden? 

Laut Zi verhalten sich bereits heute rund 21 Mio. gesetzlich Versicherte so, als gebe es ein Primärarztsystem. Und glaubt man einer aktuellen repräsentativen forsa-Umfrage im Auftrag des AOK-Bundesverbandes, wären sogar 68 % der Deutschen bereit, die freie Arztwahl aufzugeben, wenn sie dafür nach einem Besuch in einer hausärztlichen Praxis einen schnelleren Facharzttermin vermittelt bekommen. Nur 29 % sprechen sich für die weiterhin freie Facharztwahl aus.

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Ein „verpflichtendes Primärarztsystem“ bei freier Arztwahl sowohl im Selektiv- als auch im Kollektiververtragssystem, wie es im Koaltionsvertrag aufgeschrieben ist – wie soll das gehen? Ein „verpflichtendes Primärarztsystem“ bei freier Arztwahl sowohl im Selektiv- als auch im Kollektiververtragssystem, wie es im Koaltionsvertrag aufgeschrieben ist – wie soll das gehen? © bnenin - stock.adobe.com