
Therapie fürs Köpfchen

Das Lebenszeitrisiko für Alopecia areata liegt Schätzungen zufolge zwischen 0,7 % und 3,8 %. Der kreisrunde Haarausfall kann für einen tiefen Einschnitt im Leben der Patienten und ihrer Familien sorgen. Mehr als die Hälfte der Betroffenen (62 %) trifft wichtige Lebensentscheidungen, z.B. bezüglich Beziehung und Karriere, basierend auf der Erkrankung. Darüber hinaus leiden viele Patienten unter Stigmatisierung und haben ein erhöhtes Risiko für Angstzustände und Depressionen.
Unter Federführung von Prof. Dr. Lydia Rudnicka von der Warschauer Medizinischen Universität hat ein Expertenteam einen Konsens zur systemischen Therapie bei Alopecia areata veröffentlicht. Die Diagnose erfolgt anhand der klinischen Untersuchung und der trichoskopischen Befunde. In atypischen Fällen hilft mitunter eine Kopfhautbiopsie (4 mm) weiter.
Sinnvoll ist darüber hinaus die Untersuchung auf Komorbiditäten, unter anderem um Kontraindikationen für die geplante Therapie ausschließen zu können. Die Basis für die Erhebung der Krankheitsschwere und damit auch für die weiteren Entscheidungen bilden SALT oder AAS (siehe Kasten). Empfohlen wird die Systemtherapie ab einem SALT-Score von 20 oder einem AAS-Wert, der für eine moderate bis schwere Alopecia areata steht.
SALT und AAS
SALT steht für Severity of ALopecia Tool. Der Score spiegelt die Fläche des Haarausfalls wider. Ein Wert von 10 bedeutet, dass 10 % der Kopfhaut haarlos sind. Ab einem Wert von 20, entsprechend einer moderaten bis schweren Alopecia areata, ist die Indikation für eine Systemtherapie gegeben. Alternativ kann die Schwere der Erkrankung mit der Alopecia Areata Scale (AAS) angegeben werden. Diese lehnt sich an das SALT an, berücksichtigt jedoch weitere Aspekte wie die Beteiligung von Augenbrauen und Wimpern oder ein unzureichendes Therapieansprechen.
Small Molecules gelten als Systemtherapie der Wahl
JAK-Inhibitoren haben bislang als einzige eine Zulassung für die Systemtherapie beim kreisrunden Haarausfall, sie sind damit die In-label-Option der Wahl. Ritlecitinib ist derzeit die einzige In-Label-Therapie ab zwölf Jahren. Erwachsene können neben Ritlecitinib auch Baricitinib erhalten.
Bei einer aktiven Erkrankung, d.h. einem aktiven Haarausfall seit weniger als sechs Monaten bei therapienaiven Patienten, wird im Rahmen des von den Experten vorgestellten Therapiealgorithmus eine Initialtherapie mit systemischen Steroiden empfohlen. Es gibt Hinweise darauf, dass eine Kombination von JAK-Hemmern und Glukokortikoiden eine verbesserte Wirksamkeit haben könnte.
Wenn die Tyrosinkinaseinhibitoren nicht eingesetzt werden können, kommen off label andere Systemtherapeutika in Betracht. Die meisten Experten empfehlen eine Therapie mit Ciclosporin (max. 5 mg/kg/d). Alternativ kann in der dritten Linie auch Methotrexat (15–25 mg/Woche, subkutan oder oral) zum Einsatz kommen. Eine weitere, allerdings weitaus weniger gut untersuchte Therapieoption ist Azathioprin (auftitriert auf max. 2–3 mg/kg/d).
Zusätzlich können weiterhin orale Glukokortikoide gegeben werden. Falls Kontraindikationen gegen die oben aufgeführten, steroidsparenden Medikamente bestehen, wäre auch eine Monotherapie mit systemischen Glukokortikoiden denkbar, schreiben die Experten. In jedem Fall muss die Behandlung individuell auf und mit dem Patienten abgestimmt werden (siehe Kasten).
Was tun bei jüngeren Patienten?
Für Kinder unter zwölf Jahren gibt es keine zugelassenen Medikamente zur Therapie der Alopecia areata. In dieser Altersgruppe können off label systemische Glukokortikoide in Betracht gezogen werden. Einige Experten empfehlen orale Glukokortikoide für Kinder mit akuter Erkrankung ab dem 7. Lebensjahr und mit einem SALT-Score über 30. Gleiches gilt für Kinder mit chronischer Alopecia areata ab dem 13. Lebensjahr und einem SALT-Score von mindestens 50. Weitere Off-Label-Optionen sind Tofacitinib (2,5–10 mg/d) oder MTX (0,3–0,6 mg/kg/Woche).
Außerdem kann niedrig dosiertes orales Minoxidil als adjuvante Therapie bei Alopecia areata in Betracht gezogen werden. Von einer Monotherapie raten die Experten jedoch ab, da nur begrenzt Daten zur Wirksamkeit vorliegen. Vitamine und andere Nahrungsergänzungsmittel haben bei der Erkrankung keine therapeutische Bedeutung.
Bei einem Rückfall verliert die Therapie an Wirkung
Die Rezidivrate bei Alopecia areata kann bis zu 85 % betragen. Da die einem Rückfall folgende Behandlung oft weniger wirksam ausfällt, sollte man therapeutisch langfristig denken. Allerdings reichen die Empfehlungen von zwischen drei und sieben Jahren bis hin zu einer lebenslänglichen Therapie. Für eine genauere Eingrenzung reichen die vorliegenden Daten nicht aus. Um das Risiko unerwünschter Ereignisse gering zu halten, sollte eine Steroidtherapie jedoch nach Möglichkeit begrenzt bleiben. Idealerweise wird nach einem vollständigen Nachwachsen der Haare die Behandlung über sechs bis zwölf Monate weitergeführt. Danach erfolgt die Umstellung auf eine Erhaltungstherapie oder ein Absetzen der Behandlung. Je nach Schema empfehlen die Experten Kontrollbesuche mit einem Abstand von einem oder wenigen Monaten.
Quelle: Rudnicka L et al. J Eur Acad Dermatol Venereol 2024; DOI: 10.1111/jdv.19768
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