
Über Qualitätsmängel, Betrug und Leitlinienwahnsinn

Das aber kann gehörig schiefgehen, wie Prof. Dr. Stefan Kluge von der Klinik für Intensivmedizin am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf warnte. So gebe es z. B. „eine Flut von schlechten Metaanalysen“. Früher basierten solche eigentlich hochwertigen Arbeiten auf prospektiven randomisierten Studien und wurden von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern erstellt, die sich mit der Materie auskannten.
Diverse Themen behandelt, aber keine Menschen
Heute machen sich nach Aussage des Kollegen häufig Forschende ans Werk, die noch nie Patientinnen und Patienten behandelt oder gar gesehen haben, sich aber zu allen möglichen Themen äußern. Häufig seien diese Arbeitsgruppen in China lokalisiert.
Ein weiteres Problem sieht Prof. Kluge in den sog. Raubjournals. Diese entstehen quasi über Nacht und haben zum Ziel, Artikel gegen Geld zu publizieren. Manche verschwinden nach ein paar Monaten und Jahren wieder. An solch eine Fachzeitschrift könne man einen Artikel mit „irgendeiner verrückten Message“ schicken und nach Zahlung von 3.000 bis 4.000 Euro würde dieser ruckzuck ohne Reviewprozess veröffentlicht. Selbst für Expertinnen und Experten ist es angesichts der Vielzahl von Publikationen schwierig, deren Seriosität einzuschätzen, sagte der Intensivmediziner. Für eine gezielte Recherche fehle eben oft die Zeit.
Das Gleiche gilt in puncto Fake Science, sprich gefälschter Studien. Sogar in hochrangigen Fachzeitschriften müssen jeden Monat Arbeiten zurückgezogen werden. Das aber bekommt man als Ärztin oder Arzt oft gar nicht mit. Mittels Künstlicher Intelligenz kann man innerhalb weniger Minuten ein komplettes Review mit Abbildungen z. B. zur Wertigkeit von Laktamantibiotika bei septischem Schock kreieren. Auch ein Vortrag mit Powerpoint-Foliensätzen lässt sich in kürzester Zeit herstellen.
Vorsicht bei „bahnbrechenden“ Studienergebnissen
„Das öffnet Tür und Tor für Wissenschaftsbetrug“, betonte Prof. Kluge. Er mahnte zur Vorsicht, wenn „bahnbrechende“ Studienergebnisse vorgestellt werden. Sie müssten immer durch Arbeitsgruppen am besten aus anderen Kontinenten bestätigt werden.
Den deutschen Wissenschaftsbetrieb nahm der Kollege von seiner Kritik nicht aus und bemängelte die „Leitlinitis“. Laut dem Jahresbericht 2023 der AWMF gibt es mehr als 800 Leitlinien, sogar zu Weltraumunfällen. Prof. Kluge gefällt dies gar nicht: „Die AWMF wird immer mächtiger und größer“, kritisierte er. Zudem hätten Leitlinien oft mehrere Hundert Seiten, was die Frage aufwerfe, wer das überhaupt lesen soll.
Quelle: 13. Infektiologie-Update-Seminar 2025
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