Wie man eine Neuromyelitis-optica-Spektrum-Erkrankung erkennt und behandelt

Melanie Söchtig

Die Therapie startet idealerweise innerhalb der ersten ein bis zwei Tage nach Symptombeginn Die Therapie startet idealerweise innerhalb der ersten ein bis zwei Tage nach Symptombeginn © aprint22com - stock.adobe.com

Die Neuromyelitis-optica-Spektrum-Erkrankung (NMOSD) kann sich zunächst wie Multiple Sklerose anfühlen, doch ohne schnelle Behandlung drohen irreversible Schäden wie Querschnittslähmung und Erblindung. Ein genauer Blick auf Symptome und Diagnosen ist entscheidend.

Lange Zeit wurde die Neuromyelitis-optica-Spektrum-Erkrankung (NMOSD, neuromyelitis optica spectrum disorder) als seltene Variante der Multiplen Sklerose angesehen. Erst mit der Entdeckung der Autoantikörper gegen das astrozytäre Aquaporin-4 (AQP4) als spezifischer Biomarker im Jahr 2004 gilt die NMOSD als eigenständige neuroimmunologische Krankheit. Die Kernsymptome umfassen unter anderem:

  • Optikusneuritis
  • akute Myelitis
  • Area-postrema-Syndrom
  • akutes Hirnstammsyndrom
  • symptomatische Narkolepsie

In Deutschland dürften etwa 2.000 bis 2.500 Menschen mit NMOSD leben, wobei fast ausschließlich Frauen betroffen sind, berichtet Prof. Dr. Friedemann Paul vom Experimental and Clinical Research Center des Max Delbrück Center und der Charité – Universitätsmedizin Berlin. Nach wie vor müsse man aber von einer hohen Zahl an Personen ausgehen, die fälschlicherweise mit Multipler Sklerose oder einer anderen Erkrankung diagnostiziert sind. In rund 90 % der Fälle verläuft die NMOSD schubförmig.

Differenzialdiagnose erwägen, wenn AQP4-Antikörper fehlen

Beim Auftreten neurologischer Symptome, die auf eine Affektion des zentralen Nervensystems hindeuten, müsse man immer auch an die NMOSD denken, schreibt Prof. Paul. Die Diagnose dieser seltenen Autoimmunerkrankung gilt als gesichert, wenn eines der typischen Symptome besteht und zudem AQP4-Antikörper vorliegen.

Bei fehlendem Antikörpernachweis, aber bestehender NMOSD-Symptomatik sollte unter anderem die Verdachtsdiagnose Myelin-Oligodendrozyten-Glykoprotein-Antikörper-assoziierte Erkrankung (MOGAD) in Betracht gezogen werden. Klarheit kann dann der Test auf Serumantikörper gegen Myelin-Oligodendrozyten-Glykoprotein bringen.

Eine NMOSD-Myelitis zeigt sich typischerweise als longitudinale extensive transverse Myelitis, also als entzündliche Läsion über drei oder mehr Rückenmarkssegmente. Zudem sind zentral nekrotische Anteile in der grauen Substanz des Rückenmarks charakteristisch. Als wichtige Differenzialdiagnosen, die ebenfalls mit langstreckigen Myelonläsionen einhergehen, zählen MOGAD und Neurosarkoidose, seltener spinale Ischämien und intraspinale Tumoren.

Liquoruntersuchung kann richtungsweisend sein

Die größte Herausforderung stellt die Abgrenzung der NMOSD gegenüber der Multiplen Sklerose dar. Richtungsweisende Befunde können sich unter anderem durch eine Liquoruntersuchung ergeben. So findet sich im akuten Schub bei NMOSD bei einigen Patientinnen und Patienten eine erhöhte Zellzahl im Liquor (> 50/µl), was für Multiple Sklerose eher ungewöhnlich ist.
Die folgenden Konstellationen gelten als atypisch für Multiple Sklerose und sollten zur Testung auf Aquaporin4-Antikörper Anlass geben: 

  • Erstmanifestation im Alter über 40 bis 50 Jahren
  • ausschließlich schubabhängige Progression
  • starke, therapierefraktäre Schmerzen in Extremitäten oder Rumpf
  • unvollständig remittierende Schübe
  • massiv eingeschränktes Sehvermögen, Erblindung möglich
  • schlechtes Ansprechen auf intravenöse Kortikoide
  • normaler MRT-Befund oder nur wenige hyperintense Läsionen
  • posterior lokalisierter, mitunter beidseitiger Befall des Sehnervs im MRT, Chiasma oft betroffen
  • für Multiple Sklerose ungewöhnliche Liquorbefunde

NMOSD-Schübe sollten wegen der oft schweren neurologischen Ausfälle und der geringen Aussicht auf Remission unverzüglich behandelt werden, schreibt Prof. Paul. Idealerweise startet die Therapie innerhalb der ersten ein bis zwei Tage nach Symptombeginn. Zum Einsatz kommen hoch dosierte intravenöse Glukokortikoide (1 g/d Methylprednisolon über drei bis fünf Tage) sowie Plasmaaustauschverfahren. Bei schweren Ausfällen an Sehnerven oder Rückenmark ist eine sofortige Apheresebehandlung zu erwägen.

Neben der Therapie bei akuten Schüben sollten alle Patientinnen und Patienten mit NMOSD eine präventive Immunbehandlung erhalten. Mittlerweile sind verschiedene monoklonale Antikörper zur Schubprophylaxe beim Erwachsenen mit AQP4-Antikörper-positiver NMOSD zugelassen.

Quelle: Paul F. Z prakt Augenheilkd 2025; 46: 161-171

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