
Entlastung unter Aufsicht Was beim Delegieren ärztlicher Leistungen ans Team zu beachten ist

Wenn in einer hausärztlichen Praxis Hausbesuche und weitere Leistungen an Praxispersonal delegiert werden, greifen zunächst die Regelungen nach Abschnitt IIIa 3.2.1.2 des EBM. Zum Ansatz können die Gebührenordnungspositionen (GOP) 03062 bis 03065 kommen, sofern die Praxis eine Patientenmindestanzahl nachweisen kann. Zudem müssen die Leistungen von einer nichtärztlichen Praxisassistenz (NäPa) mit einer Wochenarbeitszeit von mindestens 20 Stunden erbracht werden. Einschränkend gilt, dass neben diesen Besuchen nur Leistungen des Laborabschnitts 32.2 sowie die GOP 03064, 03065, 03322 und 31600 berechnet werden dürfen.
Diese Bestimmungen lassen es zunächst nicht zu, dass anderes Praxispersonal, wie etwa eine Versorgungsassistentin in der Hausarztpraxis (Verah) oder eine Kraft mit vergleichbarer Qualifikation (z. B. Krankenschwester), in gleicher Weise tätig werden kann. Allerdings gibt es regional unterschiedliche Regelungen der Landesärztekammern zur Anerkennung der Voraussetzungen gemäß Anlage 8 zum Bundesmantelvertrag-Ärzte (BMV-Ä).
Hausbesuche durch Praxispersonal lassen sich aber auch mit den GOP der EBM-Abschnitte IV 38.2 und 3 abrechnen. Im Abschnitt IV 38.2 wird neben der abgeschlossenen Ausbildung in einem nichtärztlichen Heilberuf keine Qualifikationsvoraussetzung definiert. Hier können in haus- und fachärztlichen Praxen die GOP 38100 (Aufsuchen eines Patienten durch einen nichtärztlichen Mitarbeiter) und 38105 („Mitbesuch“ im Zusammenhang mit der GOP 38100) angesetzt werden.
Im Abschnitt IV 38.3 findet eine Konkretisierung statt. Voraussetzung für die Tätigkeit des Praxispersonals ist – zusätzlich zu der in BMV-Ä-Anlage 8 geforderten NäPa-Qualifikation – der Nachweis einer nach dem qualifizierten Berufsabschluss mindestens dreijährigen Berufserfahrung in einer Arztpraxis. Zudem ist der KV die Begleitung von 20 Hausbesuchen zur Verrichtung medizinisch notwendiger delegierbarer Leistungen in Alten- oder Pflegeheimen oder in anderen beschützenden Einrichtungen bei einer Ärztin oder einem Arzt nachzuweisen.
GOP 38200 und 38202 sind Zuschläge zur GOP 38100
Ist dies der Fall, können als Zuschläge zur GOP 38100 die GOP 38200 für den Besuch und die Betreuung in beschützenden Einrichtungen bzw. die GOP 38202 für den Besuch in der Häuslichkeit der Patientin bzw. des Patienten berechnet werden. Eine identische Zuschlagsregelung gibt es für die GOP 38105 mit den GOP 38205 (in Alten- oder Pflegeheimen oder anderen beschützenden Einrichtungen) bzw. 38207 (in der Häuslichkeit).
Eine Besonderheit ist: In hausärztlichen Praxen ist nur der Zuschlag nach der GOP 38200 und 38205 berechnungsfähig, nicht aber nach GOP 38202 oder 38207. Solche Besuche durch hausärztliches Praxispersonal in der Häuslichkeit sind den GOP nach Abschnitt IIIa 3.2.1.2 vorbehalten. In beiden Fällen sind im EBM keine definierten Leistungen benannt, die neben solchen Besuchen berechnungsfähig sind.
Das regelt allerdings der BMV-Ä. Am 1. Oktober 2013 wurde für den GKV-Bereich eine Vereinbarung zur Delegation ärztlicher Leistungen zwischen der KBV und dem GKV-Spitzenverband getroffen. Demnach kann an nichtärztliches Personal generell delegiert werden:
- standardisierte Anamnese
- (psychometrische) Testverfahren
- Hör- und Sehtestverfahren
- Injektionen intramuskulär, subkutan, Impfungen
- Injektionen intravenös, Anlegen Infusionen
- Labortests (Allgemeinlabor: z. B. BZ, Quick, Troponin, Urin)
- Blutentnahmen kapillär/venös
- (Langzeit-)Blutdruckmessung
- Lungenfunktionstests (Spirografie, Pulsoxymetrie)
- Blutgasanalysen
- weitere Vitalparameter
Losgelöst von dieser Auflistung gilt grundsätzlich, dass der Arzt oder die Ärztin im Einzelfall zu entscheiden hat, ob und an wen eine Leistung delegiert wird. Die Mitarbeitenden müssen aufgrund ihrer beruflichen Qualifikation oder Fähigkeiten und Kenntnisse für die delegierten Leistungen geeignet sein (Auswahlpflicht). Es besteht eine Anleitungspflicht zur selbstständigen Durchführung sowie eine Überwachungspflicht. Die Qualifikation ist ausschlaggebend für den Umfang von Anleitung und Kontrolle.
Was bedeutet das für die Praxis? Die Auflagen aus der Anlage 24 des BMV-Ä sind für den GKV-Bereich als verbindlich anzusehen. Auf dieser Grundlage können solche Leistungen ohne weitere Maßnahmen an NäPA oder Verah übertragen werden. Bei anderen Berufen, wie Krankenpflegern/-schwestern, muss die Entscheidung im Einzelfall getroffen werden. Dies kann auch bei einzelnen Leistungen – etwa Impfungen – der Fall sein. Stets besteht die Auflage der Überwachung.
In der GOÄ gibt es weniger verbindliche Regelungen, die dadurch nicht die notwendige allgemeine Rechtsverbindlichkeit erreichen. Bei Hausbesuchen ist der Ansatz der Nr. 52 GOÄ betroffen, dem in der Gebührenordnung weder ein gesonderter Qualifikationsnachweis des Personals noch eine ähnlich verbindliche Auflistung von delegationsfähigen Leistungen wie für den EBM zugrunde liegt.
Bei Urlaub oder Kongress muss eine Vertretung her
Unzulässig ist eine generelle Anordnung ans Praxispersonal, ärztliche Leistungen durchzuführen, wenn der Arzt/die Ärztin persönlich nicht in der Praxis erscheinen kann oder z. B. wegen Urlaub oder Kongressbesuch für längere Zeit abwesend ist. In solchen Fällen muss eine Vertretung bestellt oder die Praxis vorübergehend geschlossen werden. Bei vorübergehender Abwesenheit können jedoch ärztlich angeordnete Leistungen durchgeführt werden, wenn dies medizinischen Erfordernissen genügt. Denkbar wären hier angeordnete Blutentnahmen z. B. in der Zeit vor Beginn der Sprechstunde, wenn der Arzt/die Ärztin in angemessener Zeit persönlich erreichbar ist.
Der GKV-Spitzenverband, die Bundesärztekammer (BÄK) und die KBV haben zwar schon 1988 eine gemeinsame Auffassung für die vertragsärztliche Versorgung formuliert. Diese ist aber mehr als Orientierungshilfe zu sehen und soll Auslegungsdifferenzen vermeiden helfen sowie einen gesicherten Rechtsboden für die Abrechnungsfähigkeit generell – also auch nach GOÄ – bilden.
Eine Stellungnahme des Vorstands der BÄK vom 16.2.1974 ergänzt die obige Darstellung. Danach gehören Injektionen, Infusionen und Blutentnahmen zum ärztlichen Verantwortungsbereich. Die Durchführung kann aber an Assistenzpersonal delegiert werden, soweit nicht die Art des Eingriffs persönliches Handeln erfordert. Der Arzt/die Ärztin bleibt immer für die Anordnung und ordnungsgemäße Durchführung der Eingriffe sowie für die Auswahl und Überwachung der Fachkraft verantwortlich. Diese muss in der Technik der Leistungen ausgebildet sein. Von Können und Erfahrungen muss sich der Arzt/die Ärztin überzeugt haben.
Das Durchführen von subkutanen und intramuskulären Injektionen kann auf Assistenzpersonal übertragen werden, wenn die dafür erforderliche Qualifikation gewährleistet ist. Blutentnahmen dürfen nur an entsprechend qualifizierte Mitarbeitende delegiert werden. Intravenöse Injektionen und das Anlegen von Infusionen sollten von Arzt oder Ärztin selbst durchgeführt werden. Sie sind aber delegationsfähig, wenn sich er oder sie von der Qualifikation der Hilfskraft in der Punktions- und Injektionstechnik überzeugt hat und wenn er oder sie persönlich (z. B. in der Praxis) anwesend ist. Dies gilt auch für Impfungen. Laborleistungen sind grundsätzlich delegationsfähig, Leistungen des Speziallabors (Abschnitt IV 32.3 EBM) aber nur unter der persönlichen Überwachung und Verantwortung bei Anwesenheit des Arztes/der Ärztin.