
Daumen hoch DiGA für Adipositas und Diabetes finden Zuspruch

Welche digitale Gesundheitsanwendung (DiGA) lässt sich für gesetzlich Krankenversicherte mit Diabetes und/oder Adipositas guten Gewissens verordnen? Diese Frage stellen sich niedergelassene Ärztinnen und Ärzte. Die Deutsche Diabetes Gesellschaft (DDG) will bei der Beantwortung helfen. Mit der Bewertung von DiGA anhand eines wissenschaftlich erstellten Kriterienkatalogs. Entwickelt wurde dieser von der Fachgesellschaft in Zusammenarbeit mit dem Universitätsklinikum Dresden.Eine treibende Kraft ist dabei Prof. Dr. Peter Schwarz. Beim 131. DGIM-Kongress zeigte der Diabetologe das große Potenzial der digitalen Therapieunterstützung auf. „Als Präsident der Internationalen Diabetesgesellschaft träume ich von einer Therapie aus der Hosentasche.“
Für die ambulante Behandlung der Adipositas (BMI 30–40 kg/m2) sind zwei DiGA dauerhaft vom BfArM zugelassen worden: Oviva direkt und zanadio. Sie gehören – auch aufgrund des Mangels verschreibungsfähiger Alternativen – zu den absatzstärksten Medizinprodukten des DiGA-Verzeichnisses, berichtete Prof. Schwarz. Zu 85 % werden sie von Frauen verwendet, meist im Alter von 50+. Hohe Wiederverschreibungsraten deuteten auf Patientenzufriedenheit und Wirksamkeit hin. Das könnte daran liegen, dass eine App auf dem omnipräsenten Handy die richtige motivierende Information zum richtigen Zeitpunkt liefert. Dass die gewünschten Effekte eintreten, ist mit Studien belegt.
Die leitlinienkonformen Adipositas-DiGA basieren auf der kognitiven Verhaltenstherapie. Sie nutzen Tagebücher und (teilweise spielerische) Feedback- sowie Coachingsysteme für die Bereiche Ernährung, Bewegung und Verhaltensumstellung. „Das Coole bei den Adipositas-DiGA ist: Sie schließen eine Versorgungslücke“, so Prof. Schwarz.
Ziel des Kriterienkatalogs der DDG ist es, DiGA einzuteilen: A = sehr wirksam; sollte aktiv empfohlen werden. B = wirksam bei bestimmten Zielgruppen; verschreiben, wenn die/der Patient/in dazu gehört oder danach fragt. C = keine Empfehlung. Betrachtet werden jeweils Dutzende Kriterien in Kategorien wie Evidenz, Zielsetzung und Produktentwicklung. Bei einem maximal möglichen Wert von 100 Punkten erreichten zanadio rund 70 Punkte und Ovivia direkt 75 Punkte.
Noch etwas besser schneiden im Diabetesbereich die DiGA glucura (78) und Vitadio (77) ab. UnaHealth (73) und mebix (70) rangieren in der Nähe. Für die Unterstützung im Selbstmanagement von Typ-2-Diabetes sind Vitadio dauerhaft und glucura, mebix und UnaHealth vorläufig zugelassen. Außerdem gibt es die DiGA HelloBetter für Menschen mit Typ-1- oder Typ-2-Diabetes, die bei Depressionen hilft. „Unsere Idee war: Was über 70 ist, kann man verschreiben, ohne dass man genau nachgucken muss, weil es geprüft und gut ist“, sagt Prof. Schwarz.
Als wachsendes Problem macht er allerdings das „Nicht-Nutzen“ von verordneten DiGA aus. „Wir müssen ein Gefühl dafür entwickeln, für welchen Patienten welches Tool am besten geeignet ist.“ Das Beste sei es, die Patentin bzw. der Patient probiere die Optionen aus und sage in der Praxis, was ihr/ihm gefällt.
Die Diabetologin Dr. Sandra Schlüter ist im niedersächsischen Northeim niedergelassenen. Sie sagt: Wenn man 100 Leuten eine DiGA aufschreibt, wird sie am Ende nur von etwa 30 genutzt. Die restlichen scheitern beim Holen des Zugangscodes bei der Krankenkasse, beim Freischalten oder Installieren der App und beim Durchhalten.
Sie stellt in ihrer Praxis fest, dass Patientinnen und Patienten, die schon mehrere herkömmliche Schulungen absolviert haben, der Einsatz einer DiGA leichtfällt. Für diese sei es eine Wiederholung. Dagegen würden sich Neulinge schwerer tun. Sie kommen in die Praxis, um sich bei der App-Einrichtung helfen zu lassen oder nachzufragen, ob das, was diese die App meldet, auch vertrauenswürdig sei. Dr. Schlüter warnte die Kolleginnen und Kollegen davor, im Patientengespräch zu erwähnen, dass es sich z.B. bei einer Adipositas-DiGA um ein Jahreskonzept handelt. „Danach hört keiner mehr einem zu.“ Besser sei es, von Folgeverordnungen zu sprechen.
Nach ihrer Erfahrung helfen DiGA Menschen, die bereit sind, sich selbst kritisch zu hinterfragen und ihren Lebensstil zu ändern, die regelmäßig bei der Therapie mitarbeiten und mit Smartphone und Internet umgehen können. Für den Fall, dass es mit der DiGA hakt und sie nicht läuft, bräuchten die Nutzenden und ihre Angehörigen einen Notfallplan, was sie tun können.
Quelle: Kongressbericht der DGIM