Kolumne Besinnliches zu unserer Praxis-Resilienz

Kolumnen Autor: Dr. Nicolas Kahl

Zwischen medizinischem Engagement und bürokratischer Belastung gerät die Balance im Praxisalltag leicht ins Wanken. Zwischen medizinischem Engagement und bürokratischer Belastung gerät die Balance im Praxisalltag leicht ins Wanken. © Africa Studio – stock.adobe.com

Zum Jahresende blickt man oft zurück auf das vergangene Jahr.

Zum Jahresende blickt man oft zurück auf das vergangene Jahr. Dabei fragen wir uns, ob alles noch in Balance ist. So natürlich auch in der Praxis. 

Wir sind eine Praxis, die sich gerne in vielen Bereichen engagiert zeigt. Aber wir merken, dass die Mehrfachbelastung als hausärztliche Versorger- und Weiterbildungspraxis, als Lehrpraxis zweier verschiedener medizinischer Fakultäten, als HÄPPI-Pilot- und Sentinel-Testpraxis des Bayerischen Landesamts für Gesundheit und Forschungspraxis in einem Forschungsnetzwerk neben dem „alltäglichen Wahnsinn“ eine Belastung sein kann. 

Vor Kurzem musste ich eine Entscheidung treffen. Für eine Studie wurden Hausarztpraxen gesucht, die Patientinnen und Patienten mit einem speziellen Krankheitsbild ausfindig machen, damit deren Versorgungspfade im ambulanten System untersucht werden können.

Die Motivation, an einer solchen Studie teilzunehmen, kann nie die finanzielle Vergütung sein, sondern immer nur unsere innere Überzeugung, dass wir die Patientenversorgung in unserem Sinne verbessern können. Das treibt uns an.

Dennoch hörte ich in der Teamsitzung schnell heraus, dass beim beschriebenen Dokumentationsaufwand für einen Studieneinschluss einer Patientin oder eines Patienten die Vergütung von 20 Euro gerade von den MFA als Missverhältnis zwischen Engagement und Anerkennung gewertet wurde. Aber da das Finanzielle ja nicht unser Antrieb ist, haben wir diesen Gedanken lächelnd weggenickt und uns weiter mit der Studie als solcher beschäftigt.

An einem bestimmten Punkt wurde dann klar, dass die Dokumente für die Patienteneinschlüsse handschriftlich (!) ausgefüllt werden müssen und Anamnese, Befunde und Medikamentenpläne nicht aus der digitalen Patientendokumentation ausgedruckt werden dürfen, sondern ebenfalls handschriftlich übertragen werden müssten. Große ungläubige Augen bei meinem Team. Als wir dann auch noch feststellten, dass wir keine Informationen dazu erhalten sollten, welche neuen Behandlungspfade überhaupt untersucht werden, da das erst beim Übergang von der „Kontrollpraxis“ zur „Interventionspraxis“ mitgeteilt wird, habe ich gemerkt, dass der Enthusiasmus in meinem Team zerronnen war.

Die Antwort meines Teams auf meine Frage, ob wir an der Studie teilnehmen wollen, war, dass man es nur für mich, „für den Chef“ machen würde, da man wisse, wie wichtig ich allgemeinmedizinische Forschung finde. Aber dass man es im Team schon als deutliche Mehrbelastung ohne erkennbaren Mehrwert empfinde.

Ich habe mich (schweren Herzens) gegen eine Teilnahme an dieser Studie entschlossen. Ich bin meinem Team über alle Maßen dankbar für alle Leistungen, die es im vergangenen Jahr in der Patientenversorgung, in der Arbeit mit Ärztinnen und Ärzten in Weiterbildung, mit den Studierenden und in der Transformation zu einer HÄPPI-Praxis erbracht hat. Ich kann und will die enorme Motivation nicht in Forschungsprojekten mit fehlender Wertschätzung verbrennen.

Ich wünsche mir daher fürs neue Jahr, dass die allgemeinmedizinische Forschung verstärkt darauf guckt, wie man motivierte Versorgerpraxen besser einbindet und die benötigten Daten in praxistauglichen digitalen Workflows abgreift. Ansonsten wird es nämlich auch eine Verzerrung in der Datenerhebung geben, da Papierarbeit von modernen Praxen nicht als alltagstauglich empfunden wird.

Ich wünsche Ihnen allen eine beschauliche Weihnachtszeit und ergebnisreiche Besinnungen zu Ihrer persönlichen Praxis-Resilienz!