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Einfach mal so tun, als ob

Aus der Redaktion Autor: Maria Fett

© MT
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Brust raus, Beine breit, aufrecht hinsetzen. Arme hinterm Kopf verschränken geht auch. Wer sein Gegenüber beeindrucken oder gar einschüchtern will, kann es ja mal mit „Power Posing“ versuchen. Solche Gesten sollen sogar die Hormonwerte beeinflussen und selbstsicherer machen. Klingt gut, nicht wahr? Klappt nur leider nicht, auch wenn uns das einige Business-Coaches so verkaufen. Eine Kolumne.

Willst Du Dich selbstsicher fühlen, dann verhalte Dich selbstsicher! Willst Du produktiv sein, dann verhalte Dich wie ein produktiver Mensch! Willst Du jemanden überzeugen, dann tu so, als hättest Du ihn schon überzeugt! Nein, ausnahmsweise stammen diese Sätze nicht aus dem Oval Office, sondern bezeichnen die konkrete Anwendung der Phrase „Fake it till you make it“. Zur Erfolgsformel wurde das Prinzip „Tu so, als ob Du es kannst“ aber erst durch ein TED-Talk-Video der Sozialpsychologin Amy J.C. Cuddy, das seit seinem Erscheinen 2014 millionenfach geklickt wurde. Kein Wunder also, dass Cuddys markanteste Aufforderung zum sogenannten „Power-Posing“ die Grundlage unzähliger Selbsthilfebücher, Führungskräfteseminare und des Selbstverständnisses einiger Machthaber bildet. Doch ähnlich wie ein Großteil der Aussagen des gegenwärtigen US-Präsidenten entpuppen sich die Effekte des „Power-Posings“ bei genauerer Betrachtung als „Fake News“.

In ihrem Video propagiert Cuddy die zugegeben spannende Idee, dass sich Selbstwahrnehmung und Hormonspiegel durch eine machtvolle Körperhaltung positiv beeinflussen lassen. Mit zwei Kollegen hatte die US-Amerikanerin in einer 2010 veröffentlichten Studie 42 Probanden auf zwei Gruppen verteilt. Während eine Hälfte „machtlose“ Posen (in gekrümmter Haltung sitzen, Kopf einziehen) einnehmen sollte, präsentierte sich die andere Hälfte offen, entspannt und somit „machtvoll“. Dazu zählte z.B. aufrechtes Sitzen oder die Hände hinterm Kopf verschränken.

In der Analyse entdeckten die Psychologen nun, dass sich die „High-Power-Poser“ selbstsicherer fühlten und He­rausforderungen risikobewusster angehen wollten. Zudem wiesen sie im Vergleich zu den Teilnehmern in „Low-Power-Posen“ erhöhte Testosteron- sowie gesenkte Kortisolspiegel auf. Beeindruckende Ergebnisse! Dumm nur, dass sie kaum einem Verifizierungsversuch standhielten.

Zwar fand man in späteren Studien noch Hinweise darauf, dass sich Personen in machtvollen Körperhaltungen laut eigener Aussage auch machtvoller fühlten. Doch vor allem die Effekte auf den Hormonhaushalt blieb Cuddys Untersuchung vorbehalten. Ebenfalls ernüchternd: Sonderlich erfolgreich in Verhandlungen, wie es die Ratgeber und Coachings versprechen, wird man durchs Power-Posing wohl auch nicht. In einer Studie der Psychologen Joseph Cesario und David J. Johnson aus dem Jahr 2017 schnitten Machtdemonstranten nicht besser ab als die Kontrollgruppe ohne Brustgetrommel. Fazit: Wer sich mal kurz mächtig fühlen will, kann sich gern aufrecht hinsetzen oder die Hände in die Hüften stemmen. Ist vermutlich ohnehin gesünder für den Rücken. Eine echte Lebensveränderung sollte man sich durchs Power-Posing aber nicht versprechen.

Maria Fett
Medizinredakteurin

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