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Das „System Alexander B.“ Fehlende Kontrollsysteme schuld an Mega-Justizskandal?

Gesundheitspolitik Autor: Anouschka Wasner

Einen Euro pro angefangener Stunde will man auf diesem Parkplatz. Hat sich Alexander B. hier etwa eine Anregung geholt, wie sich ein Bashish für Auftragsvergabe kalkulieren lässt? Aufgenommen wurde das Foto in Limburg hinter dem Gericht. In der benachbarten Gemeinde hatte Alexander B. seine erste Wirkstätte. Einen Euro pro angefangener Stunde will man auf diesem Parkplatz. Hat sich Alexander B. hier etwa eine Anregung geholt, wie sich ein Bashish für Auftragsvergabe kalkulieren lässt? Aufgenommen wurde das Foto in Limburg hinter dem Gericht. In der benachbarten Gemeinde hatte Alexander B. seine erste Wirkstätte. © MedTriX/Anouschka Wasner; gettyimages/AndreyPopov
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Endlich wurde das Verfahren gegen Alexander B., den ehemaligen Leiter der Zentralstelle für Medizinwirtschaftsrecht in Frankfurt eröffnet. Der Angeklagte zeigt sich geständig – bei der Schuldfrage wird von verschiedener Seite aber auch auf das System verwiesen. Zu Recht?

Das Vorgehen des Oberstaatsanwalts Alexander B. sei im Grunde genommen kein besonders raffiniertes oder gerissenes gewesen, erklärte Verteidiger Andreas Hohnel im Nachgang des ersten Tages der Hauptverhandlung gegen den ehemalige Leiter der Zentralstelle für Medizinwirtschaftsstrafrecht: Er habe andere Leute für sich arbeiten lassen und bekam „immer ein bisschen davon ab“. Es habe sich halt über lange Jahre gehalten.  

Die Anklage bestünde im Grunde genommen aus zwei Säulen: Da sei einmal der Korruptionsvorwurf, den sein Mandant im Ermittlungsverfahren bereits eingeräumt habe, und einmal die Untreue. Auch hier werde sein Mandant die äußeren Umstände einräumen. Allerdings gebe es bei letzterem noch noch Rechtsfragen, die geklärt werden müsse.

Kommt zur Bestechlichkeit und Untreue noch die Erpressung hinzu?

Oberstaatsanwalt B., dessen Dienstverhältnis übrigens nach wie vor besteht, muss sich für 101 Fälle von fortgesetzter erwerbsmäßiger Bestechlichkeit, 55 Fälle gewerbsmäßiger Untreue im Amt sowie 9 Fälle von Steuerhinterziehung verantworten.

Darüber hinaus ging es im Rahmen der Anklageverlesung auch um „eine Art Erpressung“, wie Verteidiger Hohnle einräumen musste, die der Oberstaatsanwalt gegenüber einem von ihm häufig beauftragten Unternehmen eingesetzt hat. Im Kern verlangte er dabei von dem Unternehmen eine Kick-back-Zahlung von 1 Euro pro angefangener, von ihm beauftragter Arbeitsstunde – sonst würde er dem Unternehmen jegliche Aufträge entziehen.

Sein Mandant wisse sehr genau um den Schaden, den er dem Ansehen der Justiz zugefügt hat, so Verteidiger Hohnle. Ihm sei bewusst, dass gerade ein Staatsanwalt integer sein muss.

Prozessstrategie: Strafmildernde Gründe aufzeigen

Sein Mandant werde baldmöglichst ein Geständnis ablegen. Prozessstrategie sei nach der Feststellung der Tatsachen, ein möglichst geringes Strafmaß zu erreichen. Zu den potenziellen Strafmilderungsgründen zählten neben dem Geständnis und der Reue des Angeklagten auch, wenn keine ausreichende Kontrolle vorhanden ist, man es dem Täter „vielleicht besonders leicht gemacht“ hat. Dabei ginge es nicht darum, die Schuld abzuwälzen  - die obergerichtliche Rechtsprechung sehe das aber vor, erläutert der Verteidiger.

Warum wurde der Oberstaatsanwalt nicht kontrolliert – ist der Fehler im System zu suchen? ?

Das Thema der Kontrolle ist sicherlich relevant in diesem Fall. Heribert Hirte, Vorstandsmitglied von Transparency Deutschland, wies darauf hin, dass der Korruptionsskandal in der hessischen Staatsanwaltschaft die Notwendigkeit präventiver Kontrollmaßnahmen zur Vermeidung von Korruption gerade in der Justiz in aller Schärfe aufzeige. Man teile die Kritik des Hessischen Rechnungshofs, der jüngst bemängelt hatte, dass die Generalstaatsanwaltschaft seit 2013 keine Innenrevision durchgeführt hat. In der Justiz müssten umfassende Kontrollinstrumente eingeführt werden, entsprechend Compliance Management-Systeme. Dazu gehöre auch eine Sensibilisierung für Auffälligkeiten und die Bereitschaft, Verhaltensweisen auch von Kolleginnen und Kollegen zu hinterfragen.

Im August 2020, also direkt nach der Festnahme des Oberstaatsanwalt B., hatte die damalige Justizministerin Eva Kühne-Hörmann (CDU) bereits in eben diesem Zusammenhang Sofortmaßnahmen zur Bekämpfung und Prävention von Korruption präsentiert. Dazu gehörte, in allen Staatsanwaltschaften das Vier-Augen-Prinzip bei der Vergabe von Gutachteraufträgen einzuführen. Bislang oblag es den jeweiligen Behördenleitern, das Prinzip einzurichten – entsprechend galt es in einigen Staatsanwaltschaften, nicht jedoch in der Generalstaatsanwaltschaft in Frankfurt. Außerdem wurde eine Stabsstelle Innenrevision eingerichtet werden, deren Aufgabe es sein sollte, korruptionsanfällige Arbeitsgebiete zu identifizieren. Warum entsprechende Maßnahmen nicht schon früher ergriffen worden waren, ist unklar. Dass eine frühere Verschärfung der Kontrollmöglichkeiten, wie sie ja auch in anderen Staatsanwaltschaften existieren, einiges hätte verhindern können, erscheint allerdings naheliegend.

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