
Praxiskolumne HÄPPI – warum wir beim Pilotprojekt dabei sind

Das ist längst nicht mehr nur ein persönlicher Eindruck, sondern die Realität in vielen Hausarztpraxen in Bayern. Die Zahlen sind ernüchternd: Das Durchschnittsalter der Hausärztinnen und -ärzte liegt bei 55 Jahren, über ein Drittel ist älter als 60. Zugleich sind rund 470 Sitze in Bayern unbesetzt. Und der Versorgungsbedarf steigt durch eine alternde Bevölkerung und zunehmend komplexe Krankheitsbilder.
Wir in der Hausarztpraxis Fischbach haben uns deshalb entschieden, beim Pilotprojekt HÄPPI mitzumachen – dem „Hausärztlichen Primärversorgungszentrum – Patientenversorgung interprofessionell“. Oder einfacher gesagt: der Hausarztpraxis der Zukunft.
Die Grundidee lautet: Hausärztinnen und -ärzte behalten die Verantwortung, arbeiten aber im multiprofessionellen Team. Primary Care Managerinnen (PCM), also MFA mit Bachelor-Studium, oder Physician Assistants übernehmen Aufgaben, die bisher Ärztinnen und Ärzten vorbehalten waren.
Von Kontrollen bei DMP-Teilnehmenden, Impf- und Infektsprechstunden über die Besprechung unauffälliger Laborwerte bis hin zu bestimmten Ultraschalluntersuchungen sind die Einsatzbereiche der „neuen“ Kolleginnen und Kollegen vielfältig.
Dies entlastet enorm und schafft Freiräume für das, was wirklich unsere Expertise braucht: komplexe Fälle und schwierige ärztliche Entscheidungen. Wir haben so mehr Zeit für diejenigen Patientinnen und Patienten, die unsere Aufmerksamkeit benötigen. Und unsere PCM hat mehr Zeit als wir fürs Zuhören bei Patientinnen und Patienten, die dies ebenfalls benötigen. Die Verantwortung bleibt dabei stets in ärztlicher Hand und innerhalb unserer Praxis.
Natürlich ist Delegation allein kein Zauberwort. HÄPPI geht weiter. Integriert sind digitale Werkzeuge wie z. B. die „PraxisApp“ des Bayerischen Hausärztinnen- und Hausärzteverbandes und die Videosprechstunde. Systematisch werden „Patient Reported Outcomes“ erhoben – also Rückmeldungen aus Patientensicht. Damit können wir nicht nur Versorgung dokumentieren, sondern sie auch verbessern.
Skepsis gab es trotzdem. Ein neues Modellprojekt bedeutet auch zusätzliche Sitzungen, Evaluationsbögen, Workshops. Wird das nicht eher zur Belastung fürs Team? Diese Frage haben wir uns durchaus gestellt.
Aber der Unterschied zu vielen anderen Projekten liegt darin, dass HÄPPI auf bestehenden Strukturen der HzV aufbaut. Wir erfinden nicht alles neu, sondern entwickeln weiter, was wir schon haben. Wir haben uns in kleinen Schritten bereits vor zwei Jahren auf diesen Weg gemacht, als wir unsere VERAH ins PCM-Studium geschickt haben.
Seit Juli 2025 sind wir offiziell Pilotpraxis und damit eine von neun Praxen in Bayern, wissenschaftlich begleitet durch die Universität Augsburg und gefördert vom Bayerischen Staatsministerium für Gesundheit, Pflege und Prävention.
Die Atmosphäre beim Auftakttreffen war elektrisierend: Endlich ein Projekt, bei dem ernsthaft an Lösungen gearbeitet wird. Denn die sind dringend nötig. Die Alternative wäre, die Versorgung weiter auseinanderfallen zu lassen mit mehr Notaufnahmen, mehr Facharztodysseen und mehr Frust bei Erkrankten, Ärztinnen und Ärzten.
In den kommenden Monaten wird sich zeigen, wie viel Alltagstauglichkeit in dem Konzept steckt. Wir werden ausprobieren, diskutieren, korrigieren. Wir werden lernen, Verantwortung neu zu verteilen, und wahrscheinlich auch kleine Fehler machen. Aber wir werden nicht stehen bleiben. Es geht darum, dass die Menschen auch morgen noch hausärztliche Teams in ihrer Nähe haben, die sie kennen und auffangen. Wenn das gelingt, dann ist HÄPPI nicht nur ein Projektname, sondern steht auch für unsere Arbeitsatmosphäre.