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Biosimilars Kritiker warnen vor neuen Austauschregeln für biologische Referenzarzneimittel

Gesundheitspolitik Autor: Cornelia Kolbeck

Nur Ärzt:innen sollten austauschen dürfen, sagen Kritiker:innen der Biologika-Substitution in der Apotheke. Nur Ärzt:innen sollten austauschen dürfen, sagen Kritiker:innen der Biologika-Substitution in der Apotheke. © benjaminnolte – stock.adobe.com
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Der Ersatz von Originalpräparaten durch Generika ist seit vielen Jahren Usus. Nicht so einfach ist der Austausch von Biologika durch Biosimilars. Eine Substitutionsliste des Gemeinsamen Bundesausschusses soll helfen. Kritiker warnen.

Laut Festlegung im Gesetz für mehr Sicherheit in der Arzneimittelversorgung (GSAV) von 2019 sollen die Hinweise zur Austauschbarkeit von biologischen Referenzarzneimitteln durch im Wesentlichen gleiche biotechnologisch hergestellte biologische Arzneimittel ab August dieses Jahres greifen.  

Nicht auf Apothekenebene den Kostendruck erhöhen

Oberstes politisches Ziel des Verfahrens sind wie schon bei Generikaverordnungen Einsparungen bei den Arzneimittelausgaben. Angedacht ist ein automatischer Austausch des Biologikums gegen das Biosimilar in der Apotheke. In einem zuvor vom zuständigen Gemeinsamen Bundesausschuss durchgeführten schriftlichen Stellungnahmeverfahren zum Prozedere hatte es keine Rückmeldungen gegeben. Allerdings äußert die pharmazeutische Industrie anderweitig erhebliche Bedenken. 

„Biosimilars sind keine Generika. Sie sind hochkomplexe Moleküle, die in einem langwierigen und kostspieligen Prozess hergestellt werden und einer meist schwer erkrankten Patientengruppe etwa bei Rheuma, Krebs oder chronisch-entzündlichen Darmkrankheiten wie Morbus Crohn ein einigermaßen gesundes Leben ermöglichen“, erklärt ­Walter Röhrer, Vorsitzender AG Pro Biosimilars. Er warnte davor, durch eine Substitution auf Apothekenebene den Kostendruck zu erhöhen, es sei ein sensibler Markt, in dem Unternehmen ein stabiles Umfeld für hohe Investitionen bräuchten. 

„Wer exklusive Rabattverträge ermöglicht, tut das ganz ohne Not, denn das System, das hier durcheinandergebracht zu werden droht, funktioniert bereits sehr gut“, so Röhrer. Der AG-Vorsitzende bemerkt, dass es bei Biosimilars nur wenige Hersteller gibt und die Produktion deutlich langwieriger und komplexer ist. Wenn nun die schlechteren Rahmenbedingungen einen Teil der Hersteller abschreckten bzw. exklusive Verträge der Kassen diese aus der Versorgung ausschlössen, werde ein Ausfallszenario noch bedrohlicher: „Wer soll hier spontan einspringen können, wenn ein Hersteller ausfällt?“ 

Wenn die Politik die Lehren der Generika ernst nehme, überdenke sie die Biosimilar-Austauschregeln nochmal, so Röhrer. Das wünschten sich auch die Ärzt:innen. Nur sie sollten über den Einsatz von Bio­similars entscheiden. Wer ein Bio­similar nehme, brauche ärztliche Beratung. Nur diese Aufklärung schaffe Vertrauen, welches wiederum zum erhöhten Einsatz von Biosimilars und damit zu Einsparungen führe. Die AG Biosimilars begründet die ärztliche Aufklärung damit, dass die Mehrzahl der verfügbaren Biopharmazeutika parenteral appliziert wird, in vielen Fällen durch die Patient:innen selbst. Da sich die Handhabung von Präparat zu Präparat deutlich unterscheiden könne, erkläre die Ärzt:in vor der Erstanwendung die Funktionsweise der Spritze bzw. des PENs. Auf diese Weise würden Medikationsfehler ausgeschlossen und die Patient:innen würden Sicherheit in der Handhabung gewinnen. Den Rahmen dafür biete ein vertrauensvolles Gespräch, das auch Raum für Erfahrungsaustausch lasse. 

Auch die Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft (AkdÄ) äußert Bedenken. In ihrem Leitfaden „Biosimilars“ von 2021 werden Biosimilars zwar grundsätzlich als vergleichbare therapeutische Alternativen positiv bewertet. Mehr als 60 gibt es mittlerweile, darunter auch monoklonale Antikörper zum Einsatz bei onkologischen Erkrankungen. Daher war der Leitfaden um Informationen zu Biosimilars in der Onkologie erweitert worden. Aus Sicht der Kommission ist für eine Verordnungsentscheidung wichtig, dass Ärzt:innen den therapeutischen Nutzen und die Risiken der Biosimilars im Vergleich zu den Referenzarzneimitteln korrekt bewerten könnten. Aber „bei praktisch allen biologischen Arzneimitteln, die als Referenzarzneimittel dienen, fanden seit Markteinführung zahlreiche Änderungen des Herstellungsverfahrens statt, über die jedoch weder die Ärzteschaft noch die Patienten regulär informiert wurden.“ 

Arzneimittel-Richtlinie beinhaltet die Austauschliste 

Wie ausgetauscht werden soll, ist der Anlage VIIa der Arzneimittel-Richtlinie zu entnehmen. Wirkstoff, Original- bzw. Referenzarzneimittel sowie die „im Wesentlichen gleichen biotechnologisch hergestellten biologischen Arzneimittel“ sind hier aufgelistet. 

Zufriedenheit herrscht beim AOK-Bundesverband. Es handele sich auch nicht um einen automatischen Austausch, sondern um einen von qualifiziertem pharmazeutischem Personal durchgeführten und durch Beratung gestützten Vorgang, so die Meinung der Vorstandsvorsitzenden Dr. Carola Reimann. Die Neuregelung zur Substitution habe auch ein erhebliches wirtschaftliches Potenzial: Allein 2019 wären laut Wissenschaftlichem Institut der AOK Einsparungen in Höhe von 758 Mio. Euro für die gesetzliche Krankenversicherung möglich gewesen, wenn immer in der Therapie das preiswerteste Biosimilar zum Einsatz gekommen wäre. 55 % der Patient:innen hätten schon von Anfang an ein Biosimilar erhalten.

Quelle: Medical-Tribune-Bericht

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