
Medizinalcannabisgesetz Nur noch mit ärztlichem Vor-Ort-Kontakt möglich

Seit Inkrafttreten des Medizinalcannabisgesetzes im April 2024 beobachtet das BMG „eine bedenkliche Fehlentwicklung beim Konsum von Cannabisblüten zu medizinischen Zwecken“. Im ersten Halbjahr 2025 hätten die Importe im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um mehr als 400 % – von rund 19 auf ungefähr 80 Tonnen – zugenommen. Dieser Anstieg sei nicht auf einen erhöhten Bedarf bei schwerwiegend Erkrankten zurückzuführen, „da die GKV-Verordnungen nur im einstelligen Prozentbereich stiegen“.
Medizinalcannabis wird häufig auf Privatrezept bezogen – „ohne jeglichen persönlichen ärztlichen Kontakt“, wie Bundesgesundheitsministerin Nina Warken (CDU) betont. Der massive Zuwachs der Importe sowie die Verordnungspraxis im Internet erforderten politisches Handeln. „Medizinalcannabis ist ein verschreibungspflichtiges Arzneimittel und kein Produkt zu reinen Genusszwecken.“
Über die Folgen des Konsums ist forflaufend aufzuklären
Das Bundeskabinett hat dem Gesetzentwurf zugestimmt. Vorgesehen ist:
- Cannabis für medizinische Zwecke kann künftig ausschließlich nach persönlichem Arzt-Patienten-Kontakt in der Praxis oder beim Hausbesuch verschrieben werden. „Dabei sind Gesundheitszustand, individuelle Erkrankungen und weitere anzuwendende Arzneimittel zu berücksichtigen, was in der Regel eine sorgfältige Anamnese und körperliche Untersuchung erfordert“, so das BMG. Über die Suchtgefahr sowie mögliche körperliche oder psychische Konsumfolgen sei fortlaufend aufzuklären.
- Für Folgeverordnungen ist eine persönliche Konsultation pro vier Quartale Voraussetzung. Der vorherige Kontakt muss innerhalb dieses Zeitraums im Zusammenhang mit der Medizinalcannabisverschreibung stehen. Dann kann in den folgenden drei Quartalen eine Verordnung auch telemedizinisch erfolgen.
- In Praxen mit mehreren Ärztinnen oder Ärzten ist das Folgerezept zwar in derselben Praxis auszustellen, aber nicht zwangsläufig von derselben Personen. Die Vertretung muss Zugriff auf die Patientendaten und die bei der Erstverschreibung gestellte Diagnose haben.
- „Der Versandweg von Medizinalcannabis wird ausgeschlossen“, verkündet das Ministerium. Patientinnen und Patienten seien vor Ort vom pharmazeutischen Personal über Anwendung, Nebenwirkungen oder Wechselwirkungen, Aufbewahrung oder Entsorgung sowie die Gefahren bei einer missbräuchlichen Verwendung, etwa durch Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene, aufzuklären. Der Botendienst der Apotheken bleibe davon unberührt.
„Die Bundesärztekammer unterstützt die geplanten Einschränkungen beim Umgang mit Medizinalcannabis“, kommentierte ihr Präsident Dr. Klaus Reinhardt die Ankündigung. Cannabis sei eine psychoaktive Substanz mit erheblichem Abhängigkeitspotenzial. Diese wieder ins Betäubungsmittelrecht einzubeziehen, wäre noch konsequenter, meint die BÄK.
„Mehr analoge Hürden“ statt unkompliziertem Vertrieb
„Jede vierte Verordnung von Cannabisblüten geht über uns“, schreibt der Anbieter Grünhorn auf seiner Website. CEO Stefan Fritsch kritisiert die geplanten Rechtsänderungen. „Patient:innen, die heute unkompliziert per Videosprechstunde und Versand versorgt werden können, sollen künftig wieder in überfüllte Wartezimmer gedrängt werden.“ Das treffe vor allem chronisch kranke, in ihrer Mobilität eingeschränkte oder ländlich wohnende Patientinnen und Patienten. Digitale Lösungen und fachkundige Beratung seien der Schlüssel, „nicht mehr analoge Hürden“.
Quelle:
Bundesministerium für Gesundheit (BMG)