Reform der Lebendorganspende Überkreuz-Spende soll Wartezeit auf Niere verkürzen

Gesundheitspolitik Autor: Angela Monecke

Durch die Überkreuz-Spende soll die Wartezeit für eine passende Lebendnierenspende verkürzt werden. Durch die Überkreuz-Spende soll die Wartezeit für eine passende Lebendnierenspende verkürzt werden. © vincent27 – stock.adobe.com

Neue Reformpläne zur Lebendorganspende sehen Nierenspenden „über Kreuz“ vor. Dadurch soll sich der Kreis möglicher Spendender und Empfangender erweitern.

Die Lebendnierenspende „über Kreuz“ soll in Deutschland bald möglich sein. Das sieht der aktualisierte Referentenentwurf zur Lebendorganspendereform vor, den das Bundesgesundheitsministerium im Juli vorgelegt hat. Für Personen, die auf eine Nierenspende hoffen, kann sich so die Wartezeit auf ein passendes Spenderorgan verkürzen.

Die Niere gilt als das Organ, das am häufigsten für eine Transplantation benötigt wird, neben Herz, Lunge und Teilen der Leber. Allein knapp 10.000 Menschen warten nach Angaben der Bundesärztekammer (BÄK) in Deutschland auf ein Spenderorgan – im Schnitt zehn Jahre, in anderen EU-Ländern wie in Österreich oder Spanien ist hingegen mit nur wenigen Monaten bzw. Jahren zu rechnen.

Trotz erfolgter Anpassungen des Transplantationsgesetzes bleibt der Organmangel dramatisch, eine Trendwende ist nicht in Sicht. Im vergangenen Jahr wurden hierzulande 3.701 Organe transplantiert, jedes sechste war eine Lebendspende, berichtet die BÄK. Mit dem neuen Entwurf zur Novellierung der Lebendorganspende will die Regierung nun den Kreis möglicher Spendenden und Empfangenden vergrößern.

Bereits vor knapp einem Jahr war ein Gesetzentwurf zur Lebendorganspendereform vom Bundeskabinett der damaligen Ampel-Koalition beschlossen worden. Nach deren Aus befasste sich der Bundestag vorerst nicht mehr damit. Mit dem Referentenentwurf vom Juli wurde die Reform nun in aktualisierter Form erneut auf den Weg gebracht. Der Entwurf enthält, wie schon die Erstfassung vom Juli 2024,  eine beachtliche Neuerung: Die strengen Vorgaben zur Lebendorganspende sollen gelockert und damit die Überkreuz-Lebendspende von Nieren möglich gemacht werden.   

Lebendspende bislang nur in engem Umfeld möglich

Bisher sahen die Regelungen vor, dass eine Spenderin oder ein Spender nur eine nahestehende Person sein durfte, wie etwa Eltern, Geschwister, Ehepartner oder Lebensgefährten. Demnach mussten sie zum engen persönlichen Umfeld der Empfängerin oder des Empfängers gehören und auch medizinisch kompatibel sein. Auf die Lebenswirklichkeit manches Spender-Empfänger-Paars trifft dies jedoch nicht zu, etwa wenn unterschiedliche Blutgruppen vorliegen.

Eine Organtransplantation ist in solchen Fällen dann häufig nicht möglich. Hier soll künftig eine Überkreuz-Spende den Paaren weiterhelfen, damit sie – ohne ein besonderes Näheverhältnis vorweisen zu müssen – trotzdem spenden können, aber eben „über Kreuz“ (Spender A spendet seine Niere an Empfänger B, Spender B an Empfänger A). Neben anonymen Nierenspenden und Überkreuz-Spenden sollen voraussichtlich auch Kettenspenden legal werden. Sie bedeuten eine Erweiterung der „Cross over“-Spende auf mehrere Paare, die für eine Nierenspende evaluiert werden.

Durch die Neuregelungen soll zudem der sog. Subsidiaritätsgrundsatz entfallen, wonach eine Organentnahme bei einer lebenden Person nur dann zulässig ist, wenn zum Zeitpunkt des geplanten Eingriffs keine geeignete Totspende verfügbar war. Damit wird der bisherige Vorrang postmortaler Spenden aufgehoben. Für Ärztinnen und Ärzte bedeutet dies, dass sie künftig sofort die Lebendspende empfehlen können.

Diese Neuregelung hält Privatdozent Dr. Fabian Halleck, geschäftsführender Oberarzt Transplantation an der Berliner Charité  – Universitätsmedizin und Mitglied der „Ständigen Kommission Organtransplantation“ der BÄK, für „besonders sinnvoll“. Denn die „Chance auf langfristigen Therapieerfolg“ sei bei Lebendspenden besonders hoch.

Eine bessere Aufklärung soll Spenderinnen und Spender umfassender schützen, besonders hinsichtlich psychosozialer Risiken sowie möglicher Spätkomplikationen, und u. a. durch eine verpflichtende psychosoziale Beratung erfolgen, zudem soll eine Begleitperson bereitgestellt werden. Künftig will der Gesetzgeber auch die Spende sog. Operationsreste (Organe, Gewebe) ermöglichen, die bei einer medizinischen Behandlung nicht einwilligungsfähiger Personen entnommen wurden.

Option gegen Organmangel, aber kein Allheilmittel 

Wie die BÄK begrüßt auch die Deutsche Gesellschaft für Nephrologie den Entwurf, sieht jedoch Nachbesserungsbedarf u.a. bei der Spenderselektion, die noch präzisiert werden müsse. „Alles in allem“ seien die Neuregelungen ein „verantwortungsvoller Weg, den Kreis der Spender zu erweitern“, so der Vorsitzende des Deutschen Ethikrats, Prof. Dr. Helmut Frister.

Dass eine „reformierte Lebendspende den Organmangel beseitigen“ könne, sieht er allerdings nicht. Die Einführung einer Widerspruchsregelung bei postmortalen Spenden sollte deshalb „weiter auf der Tagesordnung bleiben“, betonte er. 

Link zum Referentenentwurf: bit.ly/Lebendorganspende_Entwurf

Quelle: Medical-Tribune-Beitrag