
„Warum hatten wir noch nie Sex?“ Umfrage legt Sexismus und Machtmissbrauch in Kliniken offen

Können Sie sich vorstellen, am Arbeitsplatz nach der Farbe ihrer Intimbehaarung gefragt zu werden? Oder Sie bekommen zu hören: „Als Frau sollte man nicht in den OP, da muss man sich konzentrieren und darf mit den Gedanken nicht bei der Familie sein.“ Oder der Vorgesetzte fragt: „Warum hatten wir noch nie Sex?“ Es sind nur drei der Aussagen, denen sich angestellte Kolleginnen und Kollegen im Job gegenübersehen. Eine Umfrage des Marburger Bundes (MB) Hamburg macht dies deutlich.
Im Juli hatte der Bund 4.300 E-Mails an seine Mitglieder verschickt, um Einblicke in Machtstrukturen und Führungskultur in Kliniken zu erhalten. Rund 500 der Angeschriebenen (61 % weiblich, 37 % männlich) antworteten.* In Freitext-Antworten sind auch Kommentare wie diese zu lesen:
- Wenn du planen solltest, ein Kind zu bekommen, geht es hier nicht für dich weiter.
- Oh, Sie sind schwanger? Dann ist Ihre Karriere ja jetzt vorbei.
- Wie wollen Sie Fachärztin werden, Sie haben ja nicht mal einen Mann?
Homophobe und rassistische Äußerungen
Eine Beförderung sei nicht möglich, weil sie aufgrund ihres Migrationshintergrundes sicher bald viele Kinder bekomme, hieß es in einem anderen Fall. Über schwulenfeindliche und rassistische Aussagen wurde berichtet und ebenso von „täglichem Pöbeln und Beschimpfen durch die Führungsebene“. Ganze 81 % der Aussagenden haben bereits rassistische, sexistische oder andere sachfremde Kommentare erlebt. 86 % der Betroffenen sind Frauen.
Der MB Hamburg nennt das Ergebnis der Umfrage „erschreckend“. „Machtmissbrauch ist strukturell verbreitet – das sind keine Einzelfälle“, resümiert Geschäftsführerin Katharina von der Heyde. Der 1. Vorsitzende, Dr. Pedram Emami, spricht von ungesunden Machtstrukturen in Kliniken. Kaum eine andere Branche sei durch eine so starke Machtkonzentration bei gleichzeitiger Abhängigkeit von Vorgesetzten geprägt. Er sieht hierin den Nährboden für Machtmissbrauch. „Wir brauchen mehr Transparenz bei Stellenbesetzungen, Vielfalt in Führungspositionen und eine kooperative Arbeitskultur, die auch für die junge Ärztegeneration attraktiv ist.“
Die Machtstrukturen werden in den meisten der Antworten (57 %) beschrieben als „machtzentriert – Entscheidungen liegen bei wenigen Personen“. Ein konstruktives Arbeitsumfeld bestätigt weniger als ein Drittel der Befragten (28 %). Transparente Führungsstrukturen sehen nur rund 26 %. Jeder Zweite hat sogar mehrfach Machtmissbrauch oder ungerechtfertigte Einflussnahme erlebt oder beobachtet, 36 % vereinzelt. Die Freitextaussagen bringen auch hier Erlebtes zutage:

- „Entscheidung des Chefarztes gilt, obwohl sie den Leitlinien oder Studien nicht entspricht.“
- „Förderung erfolgt nicht nach Leistung, sondern nach subjektiver Beliebtheit.“
- „Befristung von Arbeitsverträgen für Fachärztinnen (im gebärfähigen Alter), wohingegen unbefristete Verträge für männliche Kollegen möglich sind.“
- „Frauen werden an Führungsentscheidungen nicht beteiligt. Es bestehen Männerzirkel, die Entscheidungen treffen.“
Der MB kritisiert, dass eine offene Feedback- und Fehlerkultur in vielen Kliniken nur selten etabliert zu sein scheint. Mit der Veröffentlichung der Umfrage hoffe man auf Veränderungen. Wie diese aussehen sollten, zeigen rund 400 Freitext-Antworten der Ärztinnen und Ärzte: Bessere Führungskompetenzen, gezielte Frauenförderung und -quoten, Führung in Teilzeit, etwa durch Doppelspitzen. Gewünscht werden zudem nachvollziehbare Kriterien bei Eistellungen und Beförderungen.
Quelle: Information des MB Hamburg