Kongressbericht Was Ärztinnen und Ärzte auf sozialen Netzwerken nicht tun sollten

Gesundheitspolitik EADV 2025

Medizinischer Rat über soziale Medien ist rechtlich problematisch und sollte vermieden werden. Medizinischer Rat über soziale Medien ist rechtlich problematisch und sollte vermieden werden. © Malik/peopleimages.com – stock.adobe.com


Falsche Trends, unbedachte Posts und rechtliche Fallen: Ärztinnen und Ärzte geraten in sozialen Netzwerken schnell in gefährliche Situationen. Was schützt vor Shitstorm und Vertrauensverlust?

Medizinerinnen und Mediziner finden sich in sozialen Medien schnell inmitten von fragwürdigen Gesundheitsmythen, drigenden Patientenanfragen und angebotenen Werbepartnerschaften wieder. Ein Raum voller Fallstricke. Die britische Dermatologin Dr. Alia Ahmed erklärte, welche Fehler drohen.

1 Ohne Evidenz auf Trends aufspringen

In den sozialen Medien können halbmedizinische Lifestyle-Themen rund um Nahrungsergänzung, kosmetische Eingriffe oder Longevity schnell hohe Reichweiten erzielen. In der Eile passiere es auch Ärztinnen und Ärzten, dass sie Trends unkritisch weiterverbreiten, beobachtet Dr. Alia Ahmed, Dermatologin, Medizininfluencerin und Spezialistin für Psychodermatologie. Sie warnte eindringlich davor. „Wir wissen, dass es da draußen viele Fehlinformationen gibt. Wir sollten versuchen, evidenzbasierte Inhalte zu erstellen.“ Bevor ein Post zu einem Naturprodukt gegen Haarausfall oder Detox-Mythen entstehe, lohne eine kurze Literaturrecherche auf Datenbanken wie Pubmed. Unsicherheiten in der Datenlage zu benennen, sei dabei ein Zeichen von Professionalität, keines von Schwäche. Mit Gegenstimmen sei dennoch zu rechnen: Sobald man sich gegen einen Trend positioniere, der auf die vermeintliche „Natürlichkeit“ bestimmter Inhaltsstoffe setze, werde unterstellt, man sei von der Pharmaindustrie gekauft, berichtete die Expertin.

2 In überhitzte Diskussionen einsteigen

„Es wird Leute geben, die einen Beitrag, in den Sie viel Zeit investiert haben, negativ kommentieren“, prophezeite die Dermatologin. „Lohnt es sich, darüber zu streiten? Ich glaube nicht.“ Sie selbst bevorzuge es, zu akzeptieren, dass man manchmal auf keinen gemeinsamen Nenner kommt. Sich in eine Diskussion einzuschalten, die unsachlich oder gar respektlos geführt wird, beschädige die eigene Glaubwürdigkeit und das Vertrauen der Patientinnen und Patienten in die Kompetenz. Zudem könnten Dritte jederzeit einen Screenshot fragwürdiger Kommentare machen, erinnerte Dr. Ahmed.

3 Unbedacht zu viele Details aus Berufs- oder Privatleben teilen

Bevor Ärztinnen und Ärzte auf sozialen Medien aktiv werden, sollten sie sich fragen, welche Ausschnitte ihres privaten Alltags sie wirklich teilen wollen, appellierte die Expertin. Es spreche nichts dagegen, Einblicke zu geben, nur müssten andere Beteiligte vorabum Zustimmung gebeten werden. Möchte die Partnerin oder der Partner, der durchs Bild läuft, wirklich im Video sein? Besonders heikel sei die Situation bei Kindern. Zwar würden die meisten Menschen daran denken, die Gesichter unkenntlich zu machen. Dennoch könnten Heranwachsende ihren Eltern in einigen Jahren Vorwürfe machen: Jede Person kann die Postings für sich speichern oder eigene Aufnahmen davon machen. Zudem sei zu bedenken, welchen Eindruck man vor Patientinnen und Patienten mache, wenn man bestimmte Details des Privatlebens zeige, etwa wie man mit luxuriösen Taschen durch Paris laufe. Es gebe Personen, die dem kritisch gegenüberstehen und Dinge kommentieren wie: „Ich muss regelmäßig viel Geld für meine Behandlung ausgeben und finanziere damit diesen Lifestyle.“
Auch berufliche Details sind schnell leichtfertig preisgegeben. Erzähle etwa ein Arzt auf der Heimfahrt in einem Video müde von seinem Tag und davon, dass ein anstrengender Patient zu viel geredet habe, würden Patientinnen und Patienten, die das Video sehen, dies natürlich auf sich beziehen und sich fragen, ob sie zu anstrengend waren.

4 Medizinischen Rat geben

Direktnachrichten, in denen Personen über gesundheitliche Probleme klagen, verleiten zur individuellen Kurzberatung – ein rechtliches Tabu. Dr. Ahemd empfiehlt eine Standardantwort: „Leider kann ich über soziale Medien keinen medizinischen Rat geben.“ Ergänzen könne man diese um klare Hinweise auf Sprechstunden, Wege der Terminvereinbarung oder Notfallstrukturen. Wer sich schwer tue, könne das Community-Management an geschulte Teammitglieder delegieren. Die anfragenden Patientinnen und Patienten erwarteten innerhalb weniger Stunden eine Rückmeldung, berichtete die Ärztin. „Ich hatte Situationen, in denen ich um Rat gefragt wurde und keinen gegeben habe. Die Reaktion war: ‚Oh, du hast genug Zeit, um jeden Tag zu posten, aber du hast nicht genug Zeit, um jemandem zu antworten, der Schmerzen hat, der verletzt ist, der in Schwierigkeiten ist.‘“ Das sei psychologisch eine Herausforderung, aber man müsse das Negative an sich abprallen lassen, meinte die Expertin. Jeder bekomme auf sozialen Medien Kritik ab.

5 Ohne Zustimmung von einzelnen Fällen berichten

Möchte man eine Kasuistik posten, in der es um eine bestimmte Person geht, ist die ausdrückliche schriftliche Zustimmung erforderlich. Es sei sinnvoll, ein Standardformular zu verwenden, riet Dr. Ahmed. Folgende Punkte seien zu bedenken: Ist benannt, wie oft der Inhalt gepostet wird und ob er dauerhaft online bleibt? Was ist, wenn der oder die Betroffene in drei Wochen oder in fünf Jahren möchte, dass das Posting gelöscht wird? Hat man ausreichend viele Informationen, um Kontakt aufzunehmen? Ist bekannt, dass der Inhalt jederzeit von Dritten kopiert werden kann? All dies müsse erklärt und schriftlich festgehalten werden.

Ein heikles Feld bleibt Werbung durch Ärztinnen und Ärzte. Ein Rechtsanwalt erklärt, was erlaubt ist und was nicht.

Kongressbericht EADV* Congress 2025

* European Association of Dermatology and Venereology