Keynote Was hilft, ist Wirtschaftswachstum

Gesundheitspolitik Autor: Michael Reischmann

Knieps weist darauf hin, dass die größte deutsche Wirtschaftsbranche die Gesundheitswirtschaft ist. Knieps weist darauf hin, dass die größte deutsche Wirtschaftsbranche die Gesundheitswirtschaft ist. © Jonathan – stock.adobe.com

Nach einem Regierungswechsel gibt es neue Gesetze. Wen fragt man da nach Orientierung und Prognosen? 

Am besten jemanden, der selbst einmal gesetzgeberisch aktiv war, das System aus dem Effeff kennt und wechselnde Perspektiven eingenommen hat. Im Fall der GKV ist Franz Knieps erste Wahl. Und darum sprach der Jurist die Keynote am Vorabend des BDI-Hauptstadtforums. Knieps war als BMG-Abteilungsleiter einer der wichtigsten Berater von Bundesgesundheitsministerin Ulla Schmidt und bis Mitte 2025 zwölf Jahre lang Vorstandsvorsitzender des BKK-Dachverbandes.

Die Akteure passen sich an, der Spareffekt verpufft

Was Knieps aus seiner Zeit als Sozialgesetzbuchmitschreiber gelernt hat, ist: Wer glaubt, mit einem Federstrich Normen ändern zu können, denen alle folgen – unterliege einer Illusion. Die Akteure reagierten auf Kostendämpfungsmaßnahmen mit „Schläue“. Sie passen ihr Verhalten an, finden neue Mittel und Wege. Nach zwei Jahren ist der Einspareffekt verpufft.
Entscheidender als Kostendämpfung und Beitragssatzerhöhungen sei für die GKV das Wirtschaftswachstum. Mehr Beschäftigung und höhere Löhne lassen die Einnahmen sprudeln. Noch ist Deutschland Schlusslicht unter den OECD-Ländern. Großkonzerne und die Automobilbranche bauen Zehntausende Stellen ab. Doch für 2026 reichen die Prognosen immerhin bis 1,5 % Zuwachs.

Knieps weist darauf hin, dass die größte deutsche Wirtschaftsbranche die Gesundheitswirtschaft ist. Das betrifft Wertschöpfung, Beschäftigung und den Anteil der Selbstständigen. Das Gesundheitswesen diene somit nicht nur der Daseinsvorsorge. Es ernährt viele Familien und ist ein wichtiger Teil der Volkswirtschaft. Anders als in der Warenproduktion können die persönlichen Dienstleistungen kaum rationalisiert werden. Dementsprechend trägt der technisch-wissenschaftliche Fortschritt nicht zur Kostensenkung bei.

Doch einfach immer mehr Geld ins System zu pumpen, löse die Probleme auch nicht, wie die Erfahrung zeige. So habe Berlin über 90 Krankenhäuser, von denen die Hälfte eine Notaufnahme betreibe. Doch nur in acht stünden 24/7 für kardiologische oder neurologische Notfälle CT und MRT zur Verfügung. Die Schließung überzähliger Häuser stößt meist auf Widerstand.

Knieps ist für ein Primärversorgungssystem anstelle eines Primärarztsystems, das nur dem Hausärztinnen- und Hausärzteverband obliege. Er lobte zwar die Strukturen in Baden-Württemberg mit HzV und den angedockten Facharztverträgen. Doch in anderen Bundesländern spiele der Verband keine solch dominante Rolle, dort werde die KV gebraucht. Angesichts des Fachkräftemangels spricht sich Knieps für ein digitales Assessment vor der Arztinanspruchnahme aus. An dessen Entwicklung müsse die Bundesärztekammer beteiligt werden.

Bezüglich der neuen Gesundheitsministerin ist Knieps geduldig. „Nina Warken redet wenigstens mit den Leuten“, stellt er fest. Ihr Vorgänger Prof. Karl Lauterbach habe dagegen geglaubt, schon zu wissen, wie alles funktioniert. Die CDU-Politikerin sei erfahren in der Steuerung von Prozessen. „Unterstützen Sie sie“, rät Knieps dem BDI bezüglich anstehender Reformvorhaben. Mehr Tempo wünscht er sich bei der Notfallreform – die sollte Warken endlich „über die Rampe schieben“. 

Quelle: BDI-Hauptstadtforum