Akutes Nebennierenversagen: Symptome und Therapie

Susanne Meinrenken

Wie zeigt sich akutes Nebennierenversagen – und warum rettet Hydrokortison Leben? Symptome, Ursachen und Therapie kompakt erklärt. Wie zeigt sich akutes Nebennierenversagen – und warum rettet Hydrokortison Leben? Symptome, Ursachen und Therapie kompakt erklärt. © Graphic Waves – stock.adobe.com

Hat sich eine Nebennierenkrise entwickelt, wurden oft zunächst unspezifische Symptome übersehen. Glukokortikoidmangel führt unbehandelt zu lebensbedrohlichen Zuständen – Hydrokortison wirkt dabei diagnostisch und lebensrettend zugleich.

Müdigkeit, wenig Appetit, Übelkeit und Schmerzen: Die Beschwerden bei einer Nebennierenkrise sind oft unspezifisch. Im Zweifel soll bei geringstem Verdacht Hydrokortison gegeben werden. Wirkt es, ist die Diagnose bestätigt.

Eine Nebenniereninsuffizienz verringert nicht nur die Lebensqualität. Durch die Erkrankung begünstigte Nebennierenkrisen verkürzen auch die Lebenserwartung. Aufgrund ihrer meist unspezifischen Beschwerden (siehe Kasten) ist es manchmal schwierig, die Nebennierenkrise zu erkennen. Daher sollte sie bei Patientinnen und Patienten mit Sepsis, Gastroenteritis, Exsikkose und Verschlechterung des Allgemeinzustands als Differenzialdiagnose stets berücksichtigt und bei begründetem Verdacht Hydrokortison verabreicht werden, empfiehlt PD Dr. Dirk Weismann vom Universitätsklinikum Würzburg. Das Glukokortikoid wirkt dabei nicht nur therapeutisch, sondern auch diagnostisch. Denn die klinische Besserung nach Gabe von Hydrokortison ist spezifisch für das Vorliegen einer Nebennierenkrise – die Diagnose erfolgt dann sozusagen „ex juvantibus“.

Definition der Nebennierenkrise

Eine Nebennierenkrise ist zu erwägen, wenn mindestens ein A-Kriterium und mindestens zwei B-Kriterien zutreffen.

Typ-A-Kriterien:

  • Nebenniereninsuffizienz in der Vorgeschichte oder frühere Glukokortikoidtherapie bei anderen Erkrankungen
  • Hyponatriämie ≤132 mmol/l
  • Hyperkaliämie

Typ-B-Kriterien:

  • schwere Schwäche oder Müdigkeit
  • Bewusstseinsbeeinträchtigung
  • Übelkeit und/oder Erbrechen
  • Fieber
  • Hypotonie, systolischer Blutdruck ≤ 100mmHg

Ist beim Betroffenen bereits eine Nebenniereninsuffizienz bekannt, liegt der Verdacht einer Krise natürlich näher. Zu unterscheiden ist die primäre Insuffizienz mit Ausfall von Mineralokortikoiden, Sexualsteroiden und Glukokortikoiden von der sekundären Form, die als Folge einer Hypophyseninsuffizienz auftritt und mit einem isolierten Glukokortikoidmangel einhergeht. In solchen Fällen fehlt die typische Hyperpigmentierung als Hinweis auf die Erkrankung. Ursache der tertiären Insuffizienz ist eine (meist iatrogene) Schädigung des Hypothalamus.

Die häufigsten Auslöser für eine Nebennierenkrise sind emotionaler Stress und Infektionen. Hierbei wiegt eine Gastroenteritis besonders schwer, da orale Glukokortikoide wegen der ungenügenden Resorption dann ineffektiv sind. Als Risikofaktoren für eine Nebennierenkrise gelten zudem Medikamente, die Cytochrom-P450 beeinflussen: Induktoren beschleunigen den Abbau von Hydrokortison, Inhibitoren verlängern dessen Wirkung. Letzteres kann eine iatrogene Nebenniereninsuffizienz nach Absetzen therapeutischer Glukokortikoide auslösen. Auch Checkpoint-Inhibitoren sind relevant. Durch autoimmune Schädigung endokriner Organe können sie zu Hypophysen- oder Nebenniereninsuffizienz führen.

Zur Behandlung der Nebenniereninsuffizienz sind als Dauertherapie 15–20 mg Hydrokortison in 2 oder 3 Tagesdosen indiziert, bei Mineralokortikoidmangel auch Fludrokortison. Für den gesteigerten Bedarf in Stresssituationen – darunter Fieber, Operationen, Trauma, intensivmedizinische Versorgung oder eine Entbindung – muss die Dosis erhöht werden, genaue Angaben sollten im Notfallpass vermerkt sein. Ist die orale Gabe unmöglich, weicht man auf die subkutane (z. B. als Notfall-Kit) oder intravenöse Applikation aus. Eine akute Krise bei Erwachsenen wird mit 100 mg Hydrokortison als intravenöser Bolus behandelt, gefolgt von 200 mg/24 Stunden. Bei Hypotonie ist eine Volumengabe nötig.

Um die Entscheidung im Notfall zu erleichtern, schlägt der Autor vor, bei entsprechenden Symptomen zunächst von einem akuten Glukokortikoidmangel auszugehen und Hydrokortison zu verabreichen. Die Substitution von eventuell erforderlichen Schilddrüsen- oder Mineralkortikoidhormonen ist keine Notfallmaßnahme – damit beginnt man erst nach Ausbehandlung der Nebennierenkrise.

Glukokortikoide und Stress

Glukokortikoide spielen eine zentrale Rolle in der Modulation der körpereigenen Stressreaktion, die durch die Aktivierung der Hypothalamus-Hypophysen-Nebennieren-Achse (HPA) ausgelöst wird und ihren Höhepunkt etwa 15–20 Minuten nach Stressbeginn erreicht.

Im Herzen und an den Gefäßen verbessern Glukokortikoide die Sensitivität gegenüber Noradrenalin und anderen Katecholaminen. Dadurch wirken sie in Summe positiv inotrop und spielen eine wichtige Rolle bei der Blutdruckregulation. Ein Mangel an Glukokortikoiden führt zu einer unzureichenden kardiovaskulären Stressantwort und kann eine funktionelle Herzinsuffizienz begünstigen.

Bei Volumenmangel oder hämorrhagischem Schock dämpfen Glukokortikoide die massive Freisetzung von antidiuretischem Hormon. Fehlt dieser Schutz, droht die komplette Unterbindung der Diurese und die Sterblichkeit steigt an.

Im Immunsystem regulieren Glukokortikoide die Immunantwort zeit- und dosisabhängig: In niedrigen, basalen Konzentrationen fördern sie die Neutrophilenmigration zur Infektabwehr, in höheren Dosierungen hemmen sie entzündliche Prozesse und verhindern so überschießende Immunreaktionen.

Quelle: Weismann D. Dtsch Med Wochenschr 2025; 150: 865 – 872; doi: 10.1055/a-2318-7541

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